Eine Hand läuft einen in Sand gezeichneten Kreis ab© Maria Dorota / iStock / Getty Images Plus
Wie die Hand auf dem Sand drehen sich auch die Gedanken im Kreis. Der Verlauf der Kreisbahnen ist für Außenstehende oft nicht ersichtlich.

Neurodegenerative Krankheiten

DEMENZ – LEBEN IN DER EIGENEN WELT

Demenz bedeutet mehr als reines „Vergessen“. So wie Hirnmasse schwindet, verschwindet nach und nach die gesamte Persönlichkeit, die Sprache leidet, irgendwann können Betroffene sich nicht mehr selbst versorgen. Bereits kleine Gedächtnislücken können erste Anzeichen einer Demenz sein.

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Demenz ist keine eigenständige Krankheit, es ist mehr eine Symptomkombination, ein Syndrom, im Fall von Demenz ein psychiatrisches Syndrom. Es betrifft im Besonderen Menschen ab dem 65. Lebensjahr und äußert sich als eine chronische, langsam fortschreitende Gehirnveränderung, die mit einem zunehmenden Verlust der geistigen, aber auch emotionalen und sozialen Fähigkeiten einhergeht.

Zumeist ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen, aber auch das Denkvermögen an sich, die Sprache, die Motorik und bei einigen Ausprägungen auch die Persönlichkeit. Darauf deutet auch die Bezeichnung Demenz hin: Das Wort leitet sich vom lateinischen Begriff „demens“ ab, was sich mit unvernünftig oder ohne Verstand/Denkkraft übersetzen lässt.

Neurodegenerative und vaskuläre Demenzen

Die häufigsten Ursachen für eine Demenz sind neurodegenerative Veränderungen wie beispielsweise Morbus Parkinson oder Alzheimer. Durch den stetigen Verlust von Hirnzellen werden die kognitiven Fähigkeiten nach und nach irreversibel beeinträchtigt.

Nahezu jede*r Fünfte leidet unter einer vaskulären Demenz. Hierbei sind Durchblutungsstörungen im Gehirn Grund für die Symptomatik. Wiederholt auftretende Infarkte schädigen die Hirnzellen, gefährden die Versorgung und führen zu einem uneinheitlichen Krankheitsverlauf. So wird die Symptomatik nicht langsam stärker wie bei der neurodegenerativen Demenz, sondern kann schubweise auftreten, längere stabile Phasen aufweisen oder sogar zeitweise eine Verbesserung eintreten.

Laut der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) existieren mehrere Demenzformen, die häufigste ist die Alzheimer-Demenz. Seltener sind die Lewy-Körperchen-Demenz oder die Demenz bei Parkinson, ebenso wie Mischformen.  

Manchmal ist eine Demenz auch die Folge einer Grunderkrankung, beispielsweise von Epilepsie, einem Vitamin-B12-Mangel, Tumoren oder einer Multiplen Sklerose. Man spricht dann von einer sekundären Demenz, allerdings sind rund 90 Prozent aller Demenzen als primär anzusehen. Aber aus diesem Grund gelten einige wenige Formen der Demenz als reversibel, bei einigen sind Verzögerungen oder Veränderungen im Verlauf durch therapeutische Maßnahmen möglich.

Morbus Alzheimer

100 Milliarden Nervenzellen denken, fühlen, erinnern und lösen Probleme – und das jede Sekunde unseres Lebens. Sie sind vernetzt über Synapsen, kleine Kontaktstellen zwischen den Neuronen, an denen Informationen via Botenstoffe weitergegeben werden. Wie genau Alzheimer entsteht, weiß man immer noch nicht. Aber man weiß, dass es meist genau hier losgeht, an den Synapsen. Die Informationsweiterleitung wird gestört, mit der Zeit sterben dann ganze Nervenzellen ab. Einmal abgestorbene Hirnzellen können nicht wieder ersetzt werden, da die Regenerationsleistung des Gehirns beschränkt ist.

Der Grund: Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen stören die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Beta-Amyloid findet sich in jedem Körper. Im gesunden Gehirn wird es jedoch einfach gespalten und entsorgt, im Alzheimer-erkrankten Gehirn verändert sich der Abbau des Vorläuferproteins, sodass Oligomere entstehen, die verklumpen und unauflösliche Plaques bilden. Auch Tau-Proteine sind ein natürlicher Körperbestandteil, sie bilden die Mikrotubuli in den Nervenzellen, schaffen also Stabilität und gewähren die Nährstoffversorgung. Chemisch verändertes Tau lagert sich faserförmig in den Nervenzellen an. Diese Tau-Fibrillen schaffen genau das Gegenteil: Die Zelle wird instabil, dysfunktional und zerfällt.  

 

Kann man sich vor Alzheimer schützen?
Alzheimer kann man nicht heilen. Und einen richtigen Schutz gibt es auch nicht. Aber das Gehirn kann wie ein Muskel trainiert werden: Umso stärker die Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen sind, umso eher kann der Verlust anderer Nervenzellen ausgeglichen werden. Rätsel lösen, lesen, Nummern oder Namen auswendig lernen oder Brett- und Kartenspiele spielen – all das trainiert das Gedächtnis, fördert die Konzentration und stabilisiert das gesellschaftliche Leben. Regelmäßige Bewegung, wie Fahrradfahren, wandern, spazieren gehen, schwimmen und eine ausgewogene Ernährung mit ausreichender Trinkmenge sowie ein gesunder Schlaf rüsten den Körper und das Gehirn gegen Alzheimer.   

 

Stadien des Vergessens

Prinzipiell lassen sich Demenzen je nach Symptomatik und Fortschritt der damit verbundenen Einschränkungen in drei Stadien unterteilen:

  • Frühes Stadium: Es liegen vor allem Störungen des Kurzzeitgedächtnisses vor. Personen können unter Stimmungsschwankungen leiden oder gereizt reagieren.
  • Mittleres Stadium: Nach und nach haben Betroffene immer mehr Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben, zeigen zeitliche wie räumliche Orientierungsstörungen. Das Langzeitgedächtnis zeigt erste Ausfallerscheinungen.
  • Spätes Stadium: Der Betroffene leidet auch unter gravierenden Einschränkungen der Sprache und ist in allen Bereichen auf Hilfe angewiesen. Er kann zum Beispiel nicht mehr alleine essen oder zur Toilette gehen. Die Angehörigen werden nicht mehr erkannt. Hinzu kommen häufig psychische Symptome wie Aggression, Apathie, Depression, Empathie- und Interessensverlust, Schlafstörungen, Appetitlosigkeit oder Essstörungen. Der Leidensdruck sowie die Sterblichkeit werden unter der Symptomatik erhöht.

Zurzeit sind weltweit rund 55 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen, der Großteil ist über 75 Jahre. Und die Tendenz ist steigend – Prognosen sprechen von einer Verdopplung dieser Zahl alle 20 Jahre.

Mit Gedächtnisstörungen fängt es an

Neben einem hohen Lebensalter zählen das weibliche Geschlecht, eine genetische Disposition, Diabetes, Depressionen oder Bluthochdruck zu den Risikofaktoren einer Demenz.

Erste Symptome beginnen schleichend und treten oft in Form von Gedächtnisproblemen auf, die schnell auf das Alter geschoben werden: Betroffene verlieren in Gesprächen den roten Faden, den Überblick bei Bezahlvorgängen oder der Zubereitung von Speisen, verlegen häufiger Gegenstände oder leiden unter Konzentrationsproblemen.

Forschende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg fanden unlängst heraus, dass Personen, die sich selbst Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis bescheinigten ein höheres Risiko aufwiesen, in den folgenden Jahren eine Demenz zu entwickeln. Leiden diese Menschen zusätzlich unter einer Depression, liegt ihr persönliches Risiko noch höher.

 

Bekommt man von Aluminium Alzheimer?
Vor einigen Jahren fanden Forschende in den Gehirnen verstorbener Alzheimer-Betroffene erhöhte Aluminiumkonzentrationen – auch das Ferritin enthielt Aluminium. Als man Mäusen das Aluminium verabreichte, entwickelten sie daraufhin allerdings keine Demenz – über Ursache und Wirkung kann man daher nichts Genaues sagen. Genauso gut könnten die erhöhten Konzentrationen auch aus der Alzheimer-Krankheit resultieren. Das Bundesinstitut für Risikobewertung weist daher darauf hin: „Ein kausaler Zusammenhang von erhöhter Aluminiumaufnahme und dem Auftreten von Brustkrebs bzw. der Alzheimer-Krankheit konnte bisher wissenschaftlich nicht belegt werden.“ Auch Kupfer-Ablagerungen und deren Auswirkungen sind immer einmal wieder im Gespräch.

 

Allerdings ist nicht jeder, dessen Kurzzeitgedächtnis manchmal auf die Sprünge geholfen werden muss, gleich von einer Demenz betroffen. Dennoch ist es ratsam, Betroffene bei auffälliger Symptomatik für einen Arztbesuch zu sensibilisieren.

„Demenz – Leben in der eigenen Welt”

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