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Galenik

HARNSTOFF

Für Rezepturen muss eine apothekeninterne Herstellungsvorschrift erstellt werden, da auch bei scheinbar unproblematischen Verordnungen die Umsetzung häufig nicht trivial ist.

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Folgende Rezepturverordnung eines Dermatologen wird Ihnen vorgelegt: „Rp. Urea pura 9,0g/ Clotrimazol. 0,3g/Vaselin. ad 30,0g – S. Herr Meier 1 x tägl.“ Es handelt sich dabei um eine sogenannte „frei komponierte“ Rezepturvorschrift. Verarbeitung von Wirkstoffen und Grundlage sowie Verpackung der Zubereitung müssen entsprechend den betriebsspezifischen Vorgaben in einer Herstellungsvorschrift beschrieben sein. Im Folgenden soll die Beispielrezeptur mithilfe der „7-Schritt-Methode“ bearbeitet werden.

Hygienestandards In der Apotheke hergestellte Arzneimittel müssen den im Europäischen Arzneibuch festgelegten Anforderungen entsprechen. Im apothekeninternen Hygienekonzept sind gezielte Maßnahmen zur Raum- und Personalhygiene enthalten. Besonderes Augenmerk muss dabei mikrobiell anfälligen Rezepturen gelten. Im Beispiel enthält die Zubereitung kein Wasser, sie ist somit nicht mikrobiell anfällig.

Prüfung der Verordnung Harnstoff und Clotrimazol sind entsprechend der AMK-Liste nicht als bedenkliche Rezeptursubstanzen zu betrachten. Es gibt keine Infos in der aktuellen Literatur, die die Anwendung der Arzneistoffe in Rezepturarzneimitteln verbieten würden. Die Applikationsart ist plausibel. Beide Wirkstoffkonzentrationen liegen im üblichen Dosierungsbereich. Die zu verwendende Grundlage ist durch den Arzt nicht eindeutig bestimmt. Es muss geklärt werden, ob gelbes oder weißes Vaselin Verwendung finden soll.

Das Deutsche Arzneibuch präferiert keine der beiden Grundlagen. Im NRF findet sich jedoch eine standardisierte Vorschrift mit höherer Harnstoffkonzentration (11.57.) zur Behandlung von Onychomykosen. Als Grundlage wird eine Mischung aus Wollwachs und Weißem Vaselin eingesetzt. Vaselin ist eine indifferente Grundlage. Die Zubereitung ist chemisch und mikrobiologisch stabil. Die Aufbrauchfrist kann entsprechend NRF I.4.2. mit sechs Monaten bei Entnahme aus der Kruke, bei Abfüllung in eine Drehdosierkruke, Spenderdose oder Tube von einem Jahr festgelegt werden.

Planung Die Herstellung der Zubereitung kann generell manuell und stufenweise im Anreibeverfahren oder mittels eines automatischen Rührsystems im Sandwichverfahren erfolgen. Das Verfahren wird in der Herstellungsvorschrift festgelegt. Bei Verwendung automatischer Rührsysteme sind thermisch bedingte Zersetzungserscheinungen bei Verarbeitung von Harnstoff in einer wasserfreien Grundlage nicht zu erwarten. Die notwendige Teilchengröße entsprechend Europäischem Arzneibuch bei dispergierten Wirkstoffen ist jedoch zu beachten.

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Da das Rührsystem Harnstoff nicht weiter zerkleinert, ist die Verwendung einer entsprechenden Stammzubereitung angezeigt. Geeignet ist zum Beispiel Harnstoff-Stammverreibung 50 % (NRF S.8.). Clotrimazol ist in mikronisierter Form zu verarbeiten. Um Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, wird der Zerkleinerungsgrad der verwendeten Substanzen auf dem Herstellungsprotokoll angegeben. Bei manueller Herstellung kann kristalliner oder gepulverter Harnstoff verwendet werden, wenn die Zubereitung abschließend mehrfach im Dreiwalzenstuhl bearbeitet wird. Das früher empfohlene Umkristallisieren von Harnstoff mit Aceton ergibt nicht die gewünschte Teilchengröße und sollte deshalb gemäß NRF nicht mehr erfolgen.

Herstellungshinweise Wird Harnstoff als Reinsubstanz verwendet, muss auf einer Waage abgewogen werden, die über eine Anzeige von mindestens zwei Nachkommastellen (d= 0,01) verfügt. Bei Verwendung der Stammzubereitung NRF S.8. wird die Solleinwaage berechnet und die Berechnung auf dem Herstellungsprotokoll dokumentiert. Im Beispielfall sind das 18 Gramm, die auf einer Rezepturwaage mit der Ablesbarkeit d=0,1 abgewogen werden können.

»Wird mit der Stammzubereitung NRF S.8 gearbeitet, sollte Weißes Vaselin eingesetzt werden.«

Die erforderliche Genauigkeit von 1 Prozent bei der Einwaage von 0,3 Gramm Clotrimazol kann jedoch nur auf einer Waage mit der Ablesebarkeit von d= 0,001 gewährleistet werden. Wird diese Menge auf der gleichen Rezepturwaage abgewogen, sind objektive Wägefehler von über 33 Prozent möglich! Subjektive Wägefehler, wie sie zum Beispiel durch Verluste beim Transport des Wägegutes oder durch unzureichende Überführung der Substanz in das Ansatzgefäß entstehen, sind bei dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt!

Bei beiden Wirkstoffen kann eine Einwaagekorrektur notwendig werden. Wird im automatischen Rührsystem gearbeitet, sollten die Systemparameter entsprechend der Herstellerangaben verwendet und dokumentiert werden. Bei der Arbeit mit dem Gerät Topitec Automatic® wird für die Grundlage beispielsweise eine Rührzeit von vier Minuten bei 1000 Umdrehungen pro Minute vorgeschlagen.

Kontrollen Bei manueller Herstellung werden die Beschaffenheit der Konzentratanreibung und der fertigen Zubereitung geprüft. Die Endmasse im Ansatz und die Ausbeute im Abgabegefäß werden zudem dokumentiert. Auch bei Herstellung im geschlossenen System können Kontrollen keinesfalls entfallen! Nach Beendigung des Rührvorganges muss das Gefäß geöffnet werden. An drei Stellen wird eine geringe Menge Zubereitung entnommen und auf einem Objektträger verstrichen. Bei Betrachtung im Gegenlicht oder auch unter dem Mikroskop werden so Inhomogenitäten sichtbar.

Abfüllung Vaselinhaltige Zubereitungen können nachhärten, was die Entnahme insbesondere aus einer Tube erschweren kann. Bereits bei der Prüfung der Verordnung sollte hinterfragt werden, ob Herr Meier Probleme mit der Entnahme, zum Beispiel aufgrund von Schmerzen im Hand- oder Fingerbereich, haben könnte. Da die Zubereitung aus mikrobiologischer und physikalischer Sicht nicht gefährdet ist, kann die Abfüllung in eine Kruke vertreten werden.

Etikett Auf dem Behältnis werden alle Angaben entsprechend §14 Apothekenbetriebsordnung dauerhaft und in deutlich lesbarer Schrift angebracht. Zusätzlich sind folgende Hinweise wichtig und sollten, übersichtlich aufgebracht werden: „Ein Mal täglich auf den Nagel auftragen und mit Pflaster abdecken“, „Umgebende Hautstellen mit Zinkpaste abdecken“ und „Salbenreste nach 24 Stunden mit warmem Wasser abwaschen und erweichte Nagelsubstanz abschaben“. Die Lagerung sollte so erfolgen, dass das Arzneimittel nicht in Kinderhände gelangen kann. Das Etikett kann als seitlich abstehende Fahne oder als Leporello gestaltet werden. Alternativ kann ein Informationsblatt mitgegeben werden.

Den Artikel finden Sie auch in Die PTA IN DER APOTHEKE 10/14 ab Seite 58.

Dr. Ulrike Fischer / Dipl.-Med.-Paed. Katrin Schüler

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