Darmbakterien wandern um den Magen-Darm-Bereich© wildpixel / iStock / Getty Images Plus
Viele Antibiotika hemmen das Wachstum krankheitserregender Bakterien. Allerdings ist durch eine Vielzahl auch das Risiko erhöht, dass nützliche Bakterien im Darm angegriffen werden.

Darmmikrobiom

ANTIBIOTIKASCHUTZSCHILD FÜR DEN DARM

Trotz rationalem Einsatz, manchmal kommt man nicht an ihnen vorbei: Antibiotika. Während manche Menschen stark unter Nebenwirkungen im Magen-Darm-Bereich leiden, fürchten andere um ihre nützlichen Darmbakterien. Ein neuer Ansatz könnte hier helfen.

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Die ganzheitliche Bedeutung des Darms – beispielsweise für das Immunsystem oder die Entwicklung von Allergien – ist längst nicht mehr nur Fachleuten bekannt. So kommt es mitunter vor, dass eine Antibiotikaverordnung in der Apotheke kritisch hinterfragt wird. Oder Bedenken bezüglich unerwünschter Wirkungen, wie Antibiotika-assoziierter Diarrhoe oder Langzeitfolgen für die bakterielle Darmbesiedlung geäußert werden. 

„Viele Antibiotika hemmen das Wachstum krankheitserregender Bakterien. Dieses breite Wirkungsspektrum ist bei der Behandlung von Infektionen nützlich, erhöht aber das Risiko, dass auch die nützlichen Bakterien im Darm angegriffen werden“, erklärt Lisa Maier vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg. Mit ihrem Team untersuchte die Wissenschaftlerin die Auswirkungen von 144 Antibiotika auf die 27 häufigsten (bekannten) Darmbakterien. 
 

Nicht nur hemmend, sondern tödlich

„Bisher war unser Wissen über die Auswirkungen verschiedener Antibiotika auf einzelne Mitglieder unserer mikrobiellen Gemeinschaften im Darm lückenhaft. Unsere Studie trägt erheblich zu unserem Verständnis bei, welche Art von Antibiotika welche Arten von Bakterien auf welche Weise beeinflusst“, sagt Maiers Kollege Nassos Typas. Dafür untersuchten die Forscher die minimale Hemmkonzentration (MHK) der untersuchten Antibiotikawirkstoffe auf die Darmbakterien im Verhältnis zur MHK auf die pathogenen Bakterien, gegen die das Antibiotikum zum Einsatz kommt. Bei den meisten Wirkstoffen zeigten die eingesetzten Konzentrationen, die genügten, um das Zielbakterium auszuschalten, nicht aus, den Darmbakterien zu schaden. Eine Ausnahme bildeten die häufig eingesetzten Gruppen der Tetracycline und Makrolide. Beide Wirkstoffklassen zeichnen sich durch eine bakteriostatische Wirkung aus – pathogene Keime werden also nicht abgetötet, sondern in ihrem Wachstum gehemmt. Die Forschergruppe fand allerdings heraus, dass die Wirkstoffe sich gegenüber den Darmbakterien bakterizid, also abtötend verhielten. Explizit nennen die Autoren Doxycyclin, Erythromycin und Azithromycin.

Auf der Suche nach einem Gegenmittel

Diese Beobachtungen erklären nicht nur kurzzeitige Beschwerden, wie Diarrhoe, sondern könnten auch ein Ansatz darstellen, warum manche Menschen sehr lange mit den Auswirkungen einer Antibiotikabehandlung zu kämpfen haben. „Es ist denkbar, dass die durch das Antibiotikum abgetöteten Mikroorganismen mit größerer Wahrscheinlichkeit unbeabsichtigt aus der Gemeinschaft verschwinden, während sich die gehemmten Mikroorganismen nach Beendigung der Behandlung leichter erholen können“, erklärt das Team. Ein Gegenmittel muss also her. „In früheren Studien konnten wir nachweisen, dass Medikamenten-Kombinationen bei verschiedenen Bakterienarten unterschiedlich wirken. Daher haben wir nun untersucht, ob ein zweites Medikament die schädlichen Auswirkungen auf die Darmmikroben verhindern kann, während die Antibiotika gleichzeitig ihre Wirkung gegen Krankheitserreger beibehalten“, erklärt Typas. „Das zusätzliche Medikament könnte als eine Art Gegenmittel eingesetzt werden, das Kollateralschäden von Antibiotika auf Darmbakterien verringert.“ Dafür scannte das Team fast 1200 Arzneimittel – mit Erfolg: „Die stärksten Gegenmittel waren das blutgerinnungshemmende Medikament Dicumarol, das Gichtmittel Benzbromaron und zwei nichtsteroidale Entzündungshemmer, Tolfenaminsäure und Diflunisal“, schreiben die Autoren. 
Das Konzept muss erst evaluiert, dosiert und geprüft werden. Doch erzielten die Forschenden bereits Erfolge, konnten also in Zellkulturen, menschlichen Stuhlproben und lebenden Mäusen nützliche Bakterien schützen. „Dieses Konzept öffnet die Tür für die Entwicklung neuer personalisierter Strategien, um Darmbakterien zu schützen“, sagt Maier.

Quelle: www.wissenschaft.de

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