weiß-violette Kapseln© Fahroni / iStock / Getty Images Plus
Methylphenidat ist ein Wirkstoff, der unter anderem zur Behandlung von Aufmerksamkeitsstörungen wie ADS und ADHS eingesetzt wird.

Studiendaten

METHYLPHENIDAT: NEUE MÖGLICHE NEBENWIRKUNG, ABER AUCH NEUE ERFOLGE

Methylphenidat macht vielen von Aufmerksamkeitsstörungen Betroffenen das Leben leichter. Neue Erkenntnisse zeigen jetzt, dass es noch mehr kann als bisher gedacht. Aber auch Methylphenidat hat Nebenwirkungen, von denen eine neu in die Gebrauchsinformation kommt.

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Methylphenidat ist das am hĂ€ufigsten verordnete zentrale Stimulans bei Aufmerksamkeitsstörungen wie ADS und ADHS. Es hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin und Noradrenalin und wirkt so dem bestehenden Mangel im Gehirn entgegen. Betroffene können sich durch Methylphenidat besser konzentrieren und der manchmal ĂŒbermĂ€chtige Bewegungsdrang lĂ€sst nach.

Wie andere Stimulanzien weist auch Methylphenidat typische Nebenwirkungen wie Appetit- und Schlaflosigkeit auf. Neue Erkenntnisse der EuropĂ€ischen Arzneimittelbehörde EMA zeigen auch am Auge unerwĂŒnschte Effekte. Aber Methylphenidat kann wahrscheinlich auch noch mehr als bisher bekannt.

Methylphenidat kann den Augeninnendruck erhöhen

Die Gebrauchs- und Fachinformationen von Methylphenidat mĂŒssen um weitere Nebenwirkungen ergĂ€nzt werden. Das beschloss die EMA kĂŒrzlich aufgrund einer Empfehlung des Ausschusses fĂŒr Risikobewertung in der Pharmakovigilanz (PRAC). Laut den vorliegenden Daten kann es bei Einnahme von Methylphenidat zu Nebenwirkungen wie einem erhöhten Augeninnendruck, Glaukom und trockenem Auge kommen. Auch Zwangsstörungen sind möglich.

Treten unter Methylphenidat Nebenwirkungen auf, die mit Sehstörungen, trockenem Auge oder weiteren Hinweisen auf einen erhöhten Augendruck einhergehen, sollte ein Arzt oder eine Ärztin zurate gezogen werden. Auch dann, wenn mit Methylphenidat behandelte Personen unerwĂŒnschte Gedanken, GefĂŒhle, Bilder oder Triebe (wie den Drang, an der Haut zu zupfen oder sich Haare auszureißen) beziehungsweise das AusfĂŒhren wiederholter Handlungen wie HĂ€ndewaschen bemerken, braucht es Ă€rztliche RĂŒcksprache. Gebrauchs- und Fachinformationen von Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln mĂŒssen um einen Hinweis auf die oben genannten Nebenwirkungen ergĂ€nzt werden.

Weniger ImpulsivitÀt unter Methylphenidat

Eine schwedische Forschungsgruppe um Le Zhang vom Karolinska-Institut in Stockholm hat fĂŒr Methylphenidat jetzt zusĂ€tzliche positive Wirkungen beschrieben. WĂ€hrend die Substanz erwiesenermaßen die Kernsymptome von ADHS wie Aufmerksamkeitsstörungen und HyperaktivitĂ€t deutlich lindert, scheint Methylphenidat auch andere Lebensbereiche positiv zu beeinflussen.

Der Hintergrund: bis zu 5 Prozent der Kinder und 2,5 Prozent der Erwachsenen mit ADHS neigen zu vermehrt risikoreichem, impulsivem Verhalten. Statistisch geht ADHS mit einer verstÀrkten Tendenz zu SuizidalitÀt, Drogenmissbrauch, Unfallverletzungen, VerkehrsunfÀllen und KriminalitÀt einher. Die Forschungsgruppe analysierte jetzt Daten von rund 150000 Personen zwischen 2 und 64 Jahren, die eine ADHS-Diagnose erhalten hatten. Rund 84000 davon begannen eine medikamentöse Behandlung, die meisten mit Methylphenidat.

Die Daten ergaben Erstaunliches: Eine medikamentöse Therapie mit Methylphenidat ging einher mit einer verringerten HĂ€ufigkeit von erstmalig auftretendem schĂ€digendem Verhalten. SuizidalitĂ€t nahm um 17, Drogenmissbrauch um 15, KriminalitĂ€t um 13 und VerkehrsunfĂ€lle um 12 Prozent ab. Wiederkehrendes schĂ€digendes Verhalten beeinflusste Methylphenidat ebenfalls: 15 Prozent weniger Personen unternahmen Suizidversuche, 25 Prozent weniger nahmen Drogen oder wurden kriminell, und die Zahl der VerkehrsunfĂ€lle sank um 16 Prozent.

Eine mögliche ErklĂ€rung dafĂŒr, warum Methylphenidat einen so starken Einfluss auf das Verhalten Behandelter hat, ist, dass die Substanz die ImpulsivitĂ€t und AggressivitĂ€t, die mit ADHS einhergehen können, dĂ€mpft. Durch die erhöhte Aufmerksamkeit beeinflusst Methylphenidat wahrscheinlich auch die Zahl der VerkehrsunfĂ€lle.

Ein paar EinschrÀnkungen gibt es allerdings

Zum einen liegen keine Daten ĂŒber nicht medikamentöse Maßnahmen der Behandelten vor und auch keine Angaben zu dem jeweiligen Schweregrad der ADHS. Auch Lebensstilfaktoren könnten die Ergebnisse verfĂ€lscht haben sowie die Tatsache, dass erst eine zweijĂ€hrige, durchgehende Einnahme von Methylphenidat als medikamentöse Behandlung galt.

Expert*innen sehen in der Studie dennoch ermutigende Ergebnisse fĂŒr Methylphenidat. Die Daten seien ein weiterer Beleg dafĂŒr, dass eine Behandlung, zum Beispiel mit Methylphenidat, das Leben Betroffener verĂ€ndern kann.

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/neue-nebenwirkungen-bei-methylphenidat/
https://www.spektrum.de/news/adhs-medikamente-daempfen-offenbar-riskantes-verhalten/2282488

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