Mann mit Zwangsstörung platziert Maiskörner ordentlich in einer Reihe.© Laura Rosina / iStock / Getty Images Plus
Eine Zwangsstörung wird durch wiederkehrende, anhaltende, unerwünschte und aufdringliche Gedanken und Handlungen charakterisiert. Menschen mit einer solchen Störung nehmen zum Beispiel ihr Essen nur in einer bestimmten Reihenfolge zu sich oder nachdem sie es auf dem Teller sortiert haben.

Hirnforschung

BOTENSTOFFE AUSSER BALANCE URSACHE FÜR ZWANGSSTÖRUNGEN?

Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung leiden an einer Zwangsstörung. Eine Studie zeigt nun, dass im Gehirn der Betroffenen das Verhältnis zweier Neurotransmitter verschoben ist. Mit dieser Erkenntnis sind neue Therapien denkbar.

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Menschen mit Zwangsstörungen wissen wohl, dass es müßig ist, dauernd zu kontrollieren, ob der Herd ausgeschaltet oder die Tür abgeschlossen ist. Dass ständig die Hände zu waschen überflüssig oder die Gewürzdosen im Küchenregal immer wieder zu zählen sinnlos ist. Viele Betroffene werden außerdem von Zwangsgedanken geplagt, die sie mit äußerstem Widerwillen ertragen müssen – denn sie können sich weder gegen das sinnlose Zählen noch das Kontrollieren oder die quälenden Gedanken wehren.

Die Ursachen der Erkrankung waren bislang unklar, demzufolge die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt. Manchmal wurden Verhaltenstherapien, manchmal Medikamente wie Antidepressiva oder Neuroleptika eingesetzt. Das könnte sich nun bessern.

Glutamat und GABA außer Balance

Marjan Biria von der University of Cambridge und ihr Team haben nun die neurochemischen Ursachen der Erkrankung untersucht, indem sie 31 Menschen mit diagnostizierter Zwangsstörung einem hochauflösenden Hirnscan unterzogen. Die Kontrollgruppe bestand aus 31 gesunden Probanden.

Sie untersuchten bei allen die Konzentrationen der Neurotransmitter Glutamat und GABA (Gamma-Aminobuttersäure)im anterioren cingulären Kortex und im supplementärmotorischen Kortex. Beide Hirnregionen sind an der Steuerung gewohnheitsmäßiger Handlungen beteiligt und wurden auch schon früher mit Zwangshandlungen in Verbindung gebracht.

Das Ergebnis war eindeutig: Im Vergleich zu gesunden Probanden hatten Menschen mit Zwangsstörung einen erhöhten Spiegel des erregenden Neurotransmitters Glutamat und einen geringeren Spiegel des hemmenden Neurotransmitters GABA. „Überschüssiges Glutamat und vermindertes GABA stören die neuronalen Schaltkreise in Schlüsselregionen des Gehirns“, erklärt der beteiligte Wissenschaftler Trevor Robbins.

Überschüssiges Glutamat und vermindertes GABA stören die Hirnregionen, die an gewohnheitsmäßigen Handlungen beteiligt sind.

Wenn aus Gewohnheiten Zwänge werden

Zudem wurden Tests konstruiert, in denen die Teilnehmer bestimmte erfolgsversprechende Spielstrategien lernten – die sie allerdings kurz darauf ändern mussten, da auch das Spiel sich änderte. „Wir haben getestet, ob Menschen eher dazu neigen, dieselben Reaktionen zu wiederholen wie bei einer Gewohnheit oder ob sie ihr Verhalten anpassen, um ihre Ziele besser zu verfolgen“, so Robbins. Die Ergebnisse der Tests setzten die Forscher wiederum in Beziehung zu den GABA- und Glutamat-Werten.

„Zwänge und Gewohnheiten sind nicht dasselbe, aber eine gestörte Regulierung von Gewohnheiten kann die Grundlage für Zwänge sein.“

Dabei zeigte sich, dass auch bei den gesunden Probanden das Verhältnis dieser Botenstoffe in Verbindung zu zwanghaften Tendenzen steht: Je mehr es zugunsten von Glutamat verschoben war, desto eher neigten auch die gesunden Probanden dazu, ihr gewohntes Verhalten beizubehalten.

„Zwänge und Gewohnheiten sind nicht dasselbe, aber eine gestörte Regulierung von Gewohnheiten kann die Grundlage für Zwänge sein und Menschen von ihrem zielgerichteten Verhalten abbringen“, erklärt Robbins.

Zwangsstörungen mit Arzneimitteln therapieren

Die Ergebnisse legten neue Strategin für die medikamentöse Behandlung von Zwangsstörungen nahe, die auf Medikamenten basierten, die Glutamat regulieren.

Übrigens: Bereits heute zielen manche Behandlungen auf ein Glutamat-Ungleichgewicht im Gehirn ab. „Jetzt haben wir den Beweis dafür, warum bestimmte Ansätze eine positive Wirkung zu haben scheinen“, sagt Biria.

Quelle: wissenschaft.de

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