Eine Apothekenfachkraft lehnt auf dem HV und schreibt etwas auf© Yuri_Arcurs / iStock / Getty Images Plus
Dokumentation, Dokumentation, Dokumentation - auch bei den pharmazeutischen Dienstleistungen gehört Schreiben zu den abrechenbaren Kernpunkten.

Pharmazeutische Dienstleistungen

START MIT ZÜNDSTOFF
- EIN ERFAHRUNGSBERICHT AUS DER PRAXIS

Seit Juni gibt es fünf durch Apotheken abrechenbare pharmazeutische Dienstleistungen, die über den Nacht- und Notdienstfonds finanziert werden. Ein Grund zur Freude nach jahrelangem Ringen – sollte man meinen.

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Durch die vermehrte Berichterstattung zum Thema pharmazeutische Dienstleistungen durch die Apotheke wächst nun das Interesse bei der Kundschaft und Anfragen kommen häufiger vor. Leider ist der Jubel in den Apotheken verhalten, manches stört das Bild.

Zum einen dürfen diese Leistungen nur bei einem eingeschränkten Personenkreis zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden. Das verwundert angesichts des generellen Kostendrucks im Gesundheitswesen jedoch nicht. Schwerer wiegt etwas anderes.

Zweierlei Maß?

Nicht das gesamte pharmazeutische Personal ist zur Durchführung aller Dienstleistungen berechtigt. Alle, auch PTA, dürfen die Risikoerfassung für hohen Blutdruck und die Einweisung in die Inhalationstechnik durchführen, die Medikationsanalysen für Polymedikation, Organtransplantierte und orale Krebstherapie nur Apotheker*innen mit Zusatzqualifikation. Doch warum? Sind „die Anderen“ nicht kompetent genug?

Unsere Autorin Linda Kämpf arbeitet seit 2006 als angestellte Apothekerin in einer mittelgroßen Apotheke im Main-Kinzig-Kreis. Die Einführung der pharmazeutischen Dienstleistungen ist auch in ihrem Team Diskussionsthema.

In der Offizin kommt es häufig vor, dass Rezepte eingelöst werden, auf denen fünf oder mehr dauerhaft eingenommene Arzneimittel verordnet werden. Auch zu Krebstherapie und Immunsuppressiva beraten wir alle entsprechend unserer Berufsordnung. Wir erklären die Einnahme, prüfen auf Wechselwirkungen oder fragen nach weiteren Medikamenten. Wir sorgen für ein besseres Verständnis und halten bei Bedarf Rücksprache mit Ärzt*innen. Das alles ist selbstverständlich, niemand bezahlt dafür extra. Auch wird hier gleichermaßen von PTA und Apotheker*innen beraten. Warum nun diese Unterscheidungen?

Die Dokumentation scheint den Unterschied zu machen

Ein Beratungsgespräch ist ein formloses, nicht dokumentiertes Gespräch. Bei einer abrechenbaren Leistung muss jedoch als Grundvoraussetzung standardisiert vorgegangen werden. In jeder Apotheke soll eine vergleichbare Leistung erbracht werden, die gleich vergütet wird. Das kann nur durch genaue Vorgaben sichergestellt werden. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, wie leicht sich im Alltag eine Art Betriebsblindheit einschleicht, die dazu führen kann, dass Dinge übersehen werden. Da ist es hilfreich, wenn konkrete Checklisten und vergleichbare Informationen im Vorfeld als Grundlage dienen, hier in Form eines Qualifikationsseminars. Weiter braucht es zur Durchführung und Abrechnung der umfassenden Medikationsanalysen jemanden mit konkreter Verantwortung. Dies ist hier wie auch bei weiteren Aufgabenbereichen zwingend eine approbierte Person.

Gemeinsam geht es

Unsichere Apotheker*innen und sichere, erfahrene PTA gibt es sicher gleichermaßen, idealerweise unterstützen sich beide gegenseitig. Die Verantwortlichkeiten unterscheiden sich, dennoch ist niemand dem anderen zwingend überlegen, ob mit Zusatzqualifikation oder ohne. Diese soll lediglich den Standard sicherstellen, nach dem diese drei speziellen Dienstleistungen erbracht werden. Die Ärzteschaft hat sich in der Vergangenheit sehr kritisch geäußert, in den entsprechenden Verhandlungen wurde die Bedingung der Zusatzqualifikation daraufhin fixiert. Im Moment ist der Erwerb dieser jedoch ein Problem, denn viele Qualifikationsseminare haben lange Wartelisten. Hoffentlich handelt es sich um Anlaufschwierigkeiten…

Ob in Zukunft PTA weitere Dienstleistungen durchführen, ist fraglich. Im Alltag begegnen auch ihnen jedoch komplexe Fälle, die sie kompetent und verantwortungsvoll bearbeiten. Wir alle in den öffentlichen Apotheken sollten die Chance nutzen, anspruchsberechtigte Kund*innen auf unsere Dienstleistungen anzusprechen. Diese sind nicht nur wirtschaftlich und zur Kundenbindung notwendig. Sie bereiten den Weg, dass unser aller Kompetenzen angemessen wahrgenommen werden. Das ist Voraussetzung, um unsere Berufe attraktiver zu machen. Sicher ist nicht alles ideal gelöst.

Trotz allem: Es ist ein unverzichtbarer Schritt zur Abgrenzung der Apotheke vor Ort vom Versandhandel und in Richtung Zukunft.

Quellen:
https://www.abda.de/pharmazeutische-dienstleistungen/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/kv-hetzt-kassenaerzte-auf-apotheken-134154/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/warnen-die-hessischen-hausaerzte-ihre-patienten-vor-apotheken-134055/

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