Neue Studie
RISIKO FÜR HERZINFARKT UND CO.: CHOLESTERINWERTE ALLEIN ZU UNGENAU?
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Laut Weltgesundheitsorganisation sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen weltweit die häufigste Todesursache. Besonders hohe Cholesterinwerte im Blut schädigen die Gefäße und führen zu Ablagerungen, die reißen und so zu Blutgerinnseln führen können.
Damit steigt das Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere schwere kardiovaskuläre Ereignisse. Besonders erhöhte Werte des sogenannten „schlechten“ Cholesterins zählen zu den Risikofaktoren für die Koronare Herzkrankheit (KHK). Die absoluten Cholesterinwerte allein, zeigt eine aktuelle schwedische Studie, reichen aber nicht aus, um das Risiko für Herzinfarkt und Co. sicher zu erkennen. Genauer ist die Bestimmung eines anderen Wertes: ApoB.
Cholesterinwerte allein: Risiko für Herzinfarkt wird unterschätzt
Bestimmt man nur Cholesterinwerte sowie die Anteile an „gutem“ und „schlechtem“ Cholesterin im Blut, schätzt man für einen von zwölf Untersuchten das Risiko für Herzinfarkt und Co. zu gering ein. Zu diesem Schluss kommt ein Team um Dr. Jakub Morze von der Technischen Hochschule Chalmers in Göteborg.
Dafür haben die Forschenden die Daten von über 200000 Personen aus der UK Biobank ausgewertet. Das Team bestimmte nicht nur die Cholesterinwerte im Blut, sondern schlüsselte diese genau auf.
Wie war das noch mal mit den Cholesterinwerten?
Cholesterin (oder genauer: Cholesterol) ist ein wichtiger Baustein von Zellmembranen. Weil es eine fettartige Konsistenz hat, löst es sich nicht im Blut, sondern muss an Transportproteine gebunden werden. Diese Lipoproteine lassen sich unter anderem nach ihrer Dichte unterteilen und nehmen unterschiedliche Aufgaben wahr.
Very Low Density-Lipoproteine (VLDL), Low Density-Lipoproteine (LDL) und Intermediate Density-Lipoproteine (IDL) besitzen geringere Dichten und transportieren Cholesterin zu den Zellen, die es brauchen. Zu hohe Konzentrationen dieser Lipoproteine führen zu Ablagerungen in den Gefäßen. Sie werden daher auch als „schlechtes Cholesterin“ bezeichnet.
High Density-Lipoprotein (HDL) dagegen nimmt überschüssiges Cholesterin in der Peripherie auf und transportiert es in die Leber, wo es in Gallensäuren umgebaut und ausgeschieden werden kann. Bei den Cholesterinwerten gilt es als „gutes Cholesterin“.
Aktuelles zum Thema:
Die Forschungslage zu Cholesterin und ApoB
Die Transportproteine VLDL, LDL und IDL, die Cholesterin zu den Zellen bringen, gelten als besonders gefäßschädigend. Alle besitzen auf ihrer Oberfläche ein Molekül des Eiweißes Apolipoprotein B (ApoB).
Die Idee der Schweden: Bestimmt man nicht die Cholesterinwerte, sondern die Menge an ApoB, könnte das genauere Aussagen über das Risiko für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall ermöglichen.
Bisher war nämlich unklar, ob zwei Menschen mit dem gleichen Gesamtgehalt an „schlechtem“ Cholesterin, aber Unterschieden in der Verteilung der Träger in Bezug auf Lipoproteintyp, Größe und Lipidgehalt, auch das gleiche Risiko für Herzinfarkte oder andere kardiovaskuläre Ereignisse aufweisen. Die Forschenden beobachteten die Probanden über 15 Jahre und fanden heraus:
Allein die Menge an ApoB im Blut ließ eine genauere Aussage über das Risiko für Herzinfarkte oder Schlaganfälle zu als die Bestimmung der althergebrachten Cholesterinwerte.
Weder die Größe noch die Substanzklassen der einzelnen Lipoproteine spielte eine Rolle.
Ist ApoB der bessere Hinweis auf einen möglichen Herzinfarkt?
Die Schweden schließen aus ihren Untersuchungen, dass die Messung der Cholesterinwerte bei einem von zwölf Untersuchten das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, unterschätzt. Das klingt nach nicht viel. Allerdings gibt Dr. Morze zu bedenken, dass:
20 bis 40 Prozent der erstmalig auftretenden kardiovaskulären Erkrankungen verlaufen tödlich:
Die Messung von ApoB im Blut könnte also Leben retten. Durch diesen Wert lässt sich, so die Autoren der Studie, das individuelle Risiko für Herzinfarkt und andere kardiovaskuläre Erkrankungen und Ereignisse genauer voraussagen als durch die Cholesterinwerte allein.
„Der ApoB-Wert kann das kardiovaskuläre Risiko genauer voraussagen als die Cholesterinwerte allein.“
Genetischen Marker bei Risiko berücksichtigen
Dr. Morze und sein Team gehen noch weiter. Die Studie zeige, so sind sie überzeugt, dass noch ein weiterer Wert neben den Cholesterinwerten bestimmt werden sollte. Der Anteil eines bestimmten Subtyps des VLDL, Lipoprotein (a), wird durch unsere Gene bestimmt und ist sehr unterschiedlich hoch.
Bei den meisten Menschen macht er unter einem Prozent aller Lipoproteine aus. Liegt der Wert aber höher, steigt das Risiko drastisch an, einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder ähnliches Ereignis zu erleiden.
Möglicherweise haben die „alten“ Cholesterinwerte allein also in der Diagnostik bald ausgedient.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/hat-der-cholesterol-wert-ausgedient-155685/
https://www.chalmers.se/en/current/news/life-simple-test-could-better-predict-your-risk-of-heart-disease/
Jakub Morze, Giorgio E M Melloni, Clemens Wittenbecher, Mika Ala-Korpela, Andrzej Rynkiewicz, Marta Guasch-Ferré, Christian T Ruff, Frank B Hu, Marc S Sabatine, Nicholas A Marston: „ApoB-containing lipoproteins: count, type, size, and risk of coronary artery disease”, European Heart Journal, 28. April 2025. https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehaf207https://flexikon.doccheck.com/de/Lipoprotein_(a)