Galenische Übungen
SUSPENSIONEN HERSTELLEN: WISSEN FÜR DIE REZEPTUR
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Suspensionen gehören zu den klassischen Rezeptur-Arzneiformen in der Apotheke. Ob als kindgerechte Antibiotika-Säfte, Schüttelmixturen zur äußerlichen Anwendung oder individuelle Zubereitungen für Sondenpatienten – überall dort, wo Wirkstoffe in einer Rezeptur schlecht löslich sind, stellen sie eine unverzichtbare Darreichungsform dar.
Für PTA bedeutet das: Sie müssen die physikalischen Grundlagen kennen, die richtige Herstellungstechnik für das Herstellen von Suspensionen beherrschen und typische Probleme frühzeitig erkennen, um eine stabile, gut dosierbare und sichere Rezeptur herzustellen.
In diesem Beitrag wird erklärt, was Suspensionen im pharmazeutischen Sinn ausmacht und welche Geräte und Hilfsstoffe Sie zum Herstellen benötigen. Der nächste Beitrag beleuchtet, wie Sie bei der Herstellung Schritt für Schritt vorgehen, welche Kontrollen entscheidend sind, typische Fehlerquellen bei der Herstellung der Rezeptur und wie man sie vermeiden kann, damit die Suspensionen nicht nur wirksam, sondern auch kundengerecht sind.
Definitionen und Größe der Partikel
Suspensionen gehören zu den grobdispersen, mehrphasigen Rezepturen. Sie enthalten immer feste Wirkstoffe, die praktisch unlöslich oder nur schwer löslich sind und in einer flüssigen Phase – dem Dispersionsmittel – fein verteilt vorliegen.
Der Anteil der Feststoffe liegt bei Suspensionen zum Einnehmen meist zwischen 0,5 und 5 Prozent, während er bei äußerlichen Zubereitungen deutlich höher sein kann und bis zu 40 Prozent erreicht. Solche hoch konzentrierten, äußerlich anzuwendenden Suspensionen heißen auch Schüttelmixturen.
Die Partikelgröße suspendierter Stoffe bewegt sich in einem Bereich von etwa 1 bis 100 Mikrometern.
Das Qualitätsziel beim Herstellen von Suspensionen in der Rezeptur ist, eine gleichmäßige Verteilung der Partikel zu erreichen. Sie dürfen sich zwar langsam absetzen, müssen aber durch Aufschütteln wieder vollständig und homogen in Schwebe gebracht werden können. Außerdem sollten weder Aus- noch Umkristallisationen auftreten, da diese die Dosierbarkeit und Wirksamkeit der Suspension beeinträchtigen würden.
Aus pharmazeutischer Sicht ist es also grundsätzlich akzeptabel, wenn sich ein Niederschlag aus feinen Partikeln in der Rezeptur bildet, solange dieser leicht wieder aufgeschüttelt werden kann – und die Teilchen während der Entnahme so lange in Schwebe bleiben, dass eine exakte Dosierung der Suspension durch die Kunden gewährleistet ist. Dafür gibt es spezielle Hilfsstoffe.
Fachbegriffe rund um das Herstellen von Suspensionen
Stokes-Gesetz (vereinfacht): Je größer die Teilchen und je größer der Dichteunterschied zwischen Feststoff und Flüssigkeit, desto schneller sinken die Partikel ab. Umgekehrt gilt: Je höher die Viskosität des Dispersionsmittels und je kleiner die Teilchen der festen Phase, desto langsamer verläuft die Sedimentation.
Benetzbarkeit: die Fähigkeit von Flüssigkeiten, sich gleichmäßig auf einer festen Oberfläche auszubreiten und diese zu umhüllen. Lyophobe (hydrophobe) Pulver binden Wasser in einer Rezeptur schlecht. Sie sind nicht mit Wasser benetzbar und es entstehen Pulvernester und Luftbläschen. Das führt zur Flotation.
Flotation: das unerwünschte Aufschwimmen von festen Partikeln auf der Oberfläche einer Suspension – statt einer gleichmäßigen Verteilung in der Flüssigkeit.
Caking: bezeichnet die Bildung eines harten, festen Sediments am Boden einer hergestellten Suspension, das sich nicht mehr oder nur sehr schwer aufschütteln lässt. Damit geht die wichtigste Qualitätseigenschaft einer Suspension verloren: die gleichmäßige Wirkstoffverteilung vor der Einnahme oder Anwendung.
Ostwald-Reifung(Rekristallisation): Kleine Partikel lösen sich in solchen Suspensionen minimal und größere wachsen daraus. Dadurch entsteht ein erhöhtes Caking-Risiko in der Rezeptur.
Deflokkuliert (ungeflockt): bedeutet eine langsame Sedimentation der Partikel nach dem Herstellen zu einem kleinen kompakten Sediment. Der Überstand ist lange trüb und das Caking-Risiko hoch.
Kontrolliert flokkuliert: führt zu einer schnelleren Sedimentation innerhalb der Suspension und zu einem großen, lockeren Sediment mit klarem Überstand. Das Sediment ist leicht redispergierbar – gewollt in der Rezeptur- Praxis.
Zeta-Potenzial: die elektrische Oberflächenladung der Partikel in einer Suspension. So lange alle Feststoffteilchen die gleiche Ladung haben, stoßen sie sich gegenseitig ab, und der Bodensatz der Rezeptur verklumpt nicht.
Mehr zu kindergerechten Rezepturen:
Benötigte Geräte und wichtige Hinweise
- Porzellanmörser und Pistill (rau für die Pulverisierung der festen Phase)
- Glas-Fantaschale und Glas-Pistill für die Herstellung
- Rezeptursiebe (z. B. 90 µm; Ziel: über 95 % der Substanz unter 90 µm)
- Spatel/Kartenblätter
- Dreiwalzenstuhl oder Salbenmühle (Homogenisierung großer/viskoser Ansätze, z. B. bei äußerlich anzuwendenden Suspensionen mit hohem Feststoffgehalt)
- Evtl. Mixer (z. B. für die Herstellung der Hydrocortison-Suspension 1 mg/ml oder 10 mg/ml (NRF 34.2); Vorsicht vor Schaum/Lufteintrag)
- pH-Meter/Indikatorpapier
- Rezeptur- und Analysenwaage
- Messzylinder
- Reinigungs- & Desinfektionsmittel (z. B. 70 % Isopropanol)
Glas-Fantaschalen sind blickdichten Fantaschalen vorzuziehen, um Pulvernester oder Caking der feinen Partikel frühzeitig erkennen zu können.
Besser suspendieren durch Wärme?
Verzichten Sie unbedingt auf unnötige Wärmezufuhr beim Herstellen von Suspensionen in der Rezeptur. Denn eine erhöhte Temperatur fördert die Löslichkeit der Wirkstoffe und es kann beim anschließenden Abkühlen zu einer unerwünschten Rekristallisation kommen.
Wichtige Hilfsstoffe in Suspensionen
Damit Suspensionen nach dem Herstellen physikalisch stabil bleiben und ihre Dosiergenauigkeit beihalten, setzen Sie geeigneteHilfsstoffegezielt ein.
Eine zentrale Rolle spielen Netzmittel wie Polysorbate (z. B. Tween® 20 oder 80), Lecithin oder bestimmte Celluloseether. Sie sorgen dafür, dass auch schwer benetzbare Pulverpartikel gleichmäßig in der Flüssigkeit der Suspensionen verteilt werden.
Alternativ können sogenannte Peptisatoren, meist Elektrolyte, in der Rezeptur eingesetzt werden. Diese Hilfsstoffe beeinflussen das Zeta-Potenzial. Solange die Ladung der suspendierten Partikel ausreichend hoch und gleichartig verteilt ist, stoßen sich die Partikel gegenseitig ab. Das verhindert, dass sie beim oder nach dem Herstellen verklumpen und verbessert ihre Aufschüttelbarkeit. Sinkt das Zeta-Potenzial hingegen ab, können sich Partikel aneinanderlagern, sodass sich Flocken bilden können oder sogar ein irreversibel verfestigtes Sediment entsteht.
Zur besseren Benetzung hydrophober Substanzen wird der Wirkstoff häufig zunächst mit viskosen Hilfsstoffen angerieben, etwa mit 85-prozentigem Glycerol, Propylenglycol oder Sorbitollösung. So lassen sich Pulvernester in den Suspensionen vermeiden und die Partikel verteilen sich gleichmäßiger innerhalb der Rezeptur. Pädiatrischen Suspensionen zur Einnahme sollten Sie allerdings ohne Propylenglycol als Hilfsstoff herstellen.
Die Sedimentationsgeschwindigkeit können Sie zusätzlich über Viskositätserhöher steuern. Dazu gehören Hydroxyethylcellulose (HEC), Hydroxypropyl- oder Hydroxypropylmethylcellulose, Xanthan, Kombinationen aus mikrokristalliner und Carboxymethylcellulose, hochdisperses Siliciumdioxid oder Bentonit. Diese Hilfsstoffe verdicken die äußere Phase der Suspension, wodurch die Partikel langsamer absinken. Auch Glycerol oder Zucker- beziehungsweise Sirup-Lösungen dienen diesem Zweck. Eine geringere Dichtedifferenz zwischen Feststoff und Flüssigkeit führt automatisch zu einer langsameren Sedimentation innerhalb der Rezeptur.
Eine geringere Dichtedifferenz zwischen Feststoff und Flüssigkeit führt automatisch zu einer langsameren Sedimentation innerhalb der Rezeptur.
Neben der physikalischen Stabilität muss auch die chemische Stabilität der Suspensionen gewährleistet sein. Hilfsstoffe wie Puffer und Antioxidanzien tragen hierzu bei, indem sie den pH-Wert stabilisieren und den Geschmack verbessern. Bei der Auswahl sollte immer die pH-Anforderung des eingesetzten Wirkstoffs berücksichtigt werden.
Schließlich spielt auch die mikrobielle Stabilität in der Rezeptur eine Rolle: Für Suspensionen zum Einnehmen eignen sich Konservierungsmittel wie Kaliumsorbat in Kombination mit Citronensäure (pH-abhängig wirksam) oder Parabene als Hilfsstoffe. Natriumbenzoat kann eingesetzt werden, ist bei Kindern unter zwei Jahren jedoch kritisch zu bewerten. Von Propylenglycol und Ethanol als Konservierungskomponenten sollte in der Rezeptur für die Pädiatrie gänzlich abgesehen werden.
Mögliche Grundlagen für orale Suspensionen
Bei Suspensionen zum Einnehmen ist neben den genannten Faktoren auch der Geschmack der Rezeptur zu berücksichtigen, wie gut sie sich schlucken lassen und gegebenenfalls, ob sie sondengängig sind. Einige Grundlagen sind gut erprobt.
- Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC (CAELO): HEC-basiert, mit Glucose, Kaliumsorbat und Citronensäure als zugesetzte Hilfsstoffe. Sie kann in der Rezeptur hergestellt (NRF S. 25), aber auch fertig über den Großhandel bestellt werden.
- Syrspend® SF (Fagron): stärke-basierte Grundlage, die mit verschiedenen pH-Werten verfügbar ist. Es gibt sie sowohl mit pH-4 als auch als alkalische Varianten, teilweise ohne Konservierung. Sie ist auch für Kinder unter 2 Jahren einsetzbar und wird als Pulver und als fertige Grundlage angeboten. Cave: Jod-Interaktionen sind möglich.
- Ora-Plus®/Ora-Sweet®/Ora-Blend® (Fagron): Hier gibt es viele Stabilitätsdaten (pH ~ 4 - 4,5) und sie wird auch in zuckerfreien Varianten angeboten. Häufig in der Krankenhaus- Rezeptur verwendet.
- Inorpha® (Inresa): zucker-/alkoholfrei, pH 4,7 gepuffert, mit Bitterblocker als Hilfsstoff. Besonders bei Schluckbeschwerden geeignet.
- Sirup-Grundlagen: z. B. Zuckersirup (Sirupus simplex DAB) oder Himbeersirup (CAELO): Geschmack/Compliance gut; die passende Konservierung ist zu beachten. Cave: hohe Osmolarität, die bei kleinen Kindern oder Sondenpatienten problematisch sein kann. Himbeersirup ist wegen seines Eigen-pH-Werts und möglichen Wechselwirkungen (z. B. mit Oxidations-empfindlichen Wirkstoffen) kritisch zu prüfen.
In Sirup-basierten Grundlagen kann es eher zu Kristallisation oder chemischer Instabilität der Rezeptur kommen, während HEC-basierte Grundlagen oft eine stabilere Sedimentation der Partikel bieten.
Keine Grundlage ist für alle Wirkstoffe gleichermaßen geeignet. Die Auswahl sollte sich nach der Wirkstoffstabilität, der Kundengruppe (z. B. Kinder, Kunden mit Schluckstörung, Sondenpatienten), Geschmacksakzeptanz, den zugesetzten Hilfsstoffen und der Haltbarkeit richten.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/suspensionsgrundlagen-im-vergleich-127576/seite/alle/?cHash=6bd03e1876c8bd7be58b5ac3e235841b
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
Claudia Peuke, Martina Dreeke-Ehrlich: „Rezeptur für die Kitteltasche: Leitlinien für die Herstellung“, Deutscher Apotheker Verlag, 4. Auflage 2013.
Komission Deutscher Arzneimittel-Codex: „Deutscher Arzneimittel-Codex® / Neues Rezeptur-Formularium® (DAC/NRF)“, Govi, Werk 2024/2.
Andreas S. Ziegler: „Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß § 7 ApBetrO“, Deutscher Apotheker Verlag, 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2019.












