Milchflaschen© DragonImages / iStock / Getty Images

Milchprodukte

FLECKEN AUF DER WEISSEN WESTE

Die Kuhmilch macht`s? Nicht wirklich. Was aus den künstlich prall gemachten Eutern der Hochleistungskühe plätschert, ist in die Kritik geraten. Was die Wissenschaft offenbart, lässt das traditionell gute Image der gesunden Kuhmilch gewaltig bröckeln.

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Kuhmilch ist in den letzten Jahren zum Gegenstand reger Diskussionen geworden. Am weißen Elixier scheiden sich inzwischen die Geister wie an kaum einem anderen unserer Lebensmittel. Denn viele Befunde aus der Forschung zerstören nach und nach den Mythos Milch.

Von wegen Naturprodukt Kuhmilch ist ein natürliches Produkt? Fehlanzeige. Unsere handelsübliche „Konsummilch“ hat nahezu nichts mehr mit jener unserer Vorfahren zu tun. Die Gründe für diesen Wandel liegen in der modernen Landwirtschaft und Viehhaltung sowie vor allem in der Pasteurisierung. Denn sie verändert die Zusammensetzung der Milch und führt zum Verlust wertvoller Inhaltsstoffe. Der Gehalt an Milchfett bleibt zwar weitgehend gleich, nicht jedoch der an Vitaminen, Mineralien und Aminosäuren. Experten stufen den Nährstoffgehalt unserer heutigen Milch inzwischen als fraglich ein.

Das nächste Problem an der Pasteurisierung ist, dass sie nicht nur schädliche Keime zerstört. Zugleich wird ein immens wichtiges Enzym vernichtet: die Lactase, jener fleißige Arbeiter unseres Stoffwechsels, der sich um die Aufspaltung des Milchzuckers kümmert. Wer nun Milchzucker, fachlich Lactose genannt, nicht gut oder gar nicht verträgt, bekommt das Fehlen des Enzyms zu spüren. Kritisch an der Pasteurisierung ist zudem, dass sie das Milcheiweiß, das sogenannte Casein, denaturiert. Diese Veränderung ist mitverantwortlich für eine Allergie gegen Kuhmilcheiweiß, von der inzwischen immer mehr Menschen betroffen sind.

Weitere Schattenseiten Das Ansehen der Kuhmilch hat jedoch auch wegen ihrer möglicherweise nachteiligen Effekte auf unsere Gesundheit gelitten. Die folgenden Erkenntnisse schüren Zweifel: Milchzucker setzt sich aus den beiden Einfachzuckern Glucose und Galactose zusammen. Damit ist Kuhmilch ein wichtiger Lieferant für Galactose - die hat sich jedoch als problematisch entpuppt: Sie fördert entzündliche Prozesse im Körper und erhöht damit den oxidativen Stress.

Zudem begünstigt Galactose entzündliche Hauterkrankungen und kann das Nervensystem schädigen. Was ebenso gegen einen hohen Konsum von Kuhmilch spricht, ist ihr vergleichsweise hoher Gehalt an gesättigten Fettsäuren. Diese haben sich bekanntlich als bedenklich für die Gesundheit erwiesen, besonders jener von Herz und Blutgefäßen. Außerdem gehört Kuhmilch mit zu den Säurebildnern, und zwar zu den starken. Von ihnen sollte man sich möglichst wenig gönnen. Denn zu viele säurebildende Nahrungsmittel bringen das empfindliche Säure-Basen-Gleichgewicht durcheinander.

Kein Schutz für die Knochen Wer reichlich Kuhmilch und Produkte daraus zu sich nimmt, kann sich vor Osteoporose schützen – so die althergebrachte These. Sie kann zu den Akten gelegt werden, wie Studien zeigten: Kuhmilch hat keinen positiven Einfluss auf die Knochengesundheit. Ganz im Gegenteil kann sie das Bruchrisiko sogar erhöhen. Ein Grund dafür ist die vorhin erwähnte Galactose. Denn sie beschleunigt Alterungsprozesse wie auch den Abbau der Knochen. Der weitere Übeltäter an den Knochen ist Übersäuerung.

Sie ist eine Folge häufigen Milchkonsums, da das Milcheiweiß den pH-Wert des Blutes in Richtung sauer verschiebt. Um die Übersäuerung zu neutralisieren und den pH-Wert wieder in sein Gleichgewicht zu bringen, benötigt unser Körper Mineralstoffe. Diese, allen voran Calcium, holt er sich aus seinen Depots wie Zähnen und eben auch Knochen. Indem diesen ihr Baustoff entzogen wird, werden sie geschwächt. Dies erklärt, warum viel Milch der Knochengesundheit schadet und die Anfälligkeit für Osteoporose erhöht.

Der beste Calciumlieferant? Irrtum
Spitzenreiter sind vielmehr Sonnenblumensamen, darauf folgen grünes Blattgemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse. Was weiterhin gegen Kuhmilch als gute Calciumquelle spricht, ist die geringe Resorption: Aus ihr kann weniger an Calcium in unseren Körper aufgenommen werden als aus anderen Quellen.

Voller Hormone und Medikamente Auch die Warnungen vor einem erhöhten Gehalt an Hormonen sowie Rückständen von Medikamenten haben sich leider bewahrheitet. Denn damit die heutigen Turbokühe jene enormen Milchmengen produzieren können, die von der Natur nie vorgesehen waren, bedarf es Nachhilfe. Diese beinhaltet unter anderem Antibiotika und Geschlechtshormone. So sind männliche Geschlechtshormone, die Androgene, in Milch viel zu reichlich vorhanden.

Kuhmilch macht auch im Hinblick auf andere Hormone keine gute Figur. Denn sie enthält auch hohe Mengen an dem bei Menschen und Rindern identischen Wachstumshormon IGF-1. Dieses birgt ebenfalls so einige gesundheitliche Risiken. Unter anderem deshalb, weil es die Ausschüttung von Insulin ankurbelt. Weiterhin werden erhöhte IGF-1-Konzentrationen mit einem höheren Risiko für hormonbedingte Krebsarten wie etwa Brust- oder Prostatakrebs in Verbindung gebracht.

Warum Milch weiß ist Nach all diesen schwerverdaulichen Fakten noch etwas Nettes. Nämlich die Antwort auf die Frage, weshalb Milch eigentlich weiß und nicht grün ist. Schließlich verdauen die tierischen Milchlieferanten überwiegend Grünfutter. Nun, das Phänomen der weißen Milch liegt in dieser selbst begründet. Was blütenweiß wie Pulverschnee aus den Eutern plätschert, ist kein Ausscheidungsprodukt, sondern ein Drüsensekret. Es besteht zu mehr als 85 Prozent aus Wasser und zu fünf Prozent aus Milchzucker. Den Rest machen Milchfett und Eiweiß, Vitamine und Mineralstoffe aus. Bereits Fett und Eiweiß sorgen für die weiße Färbung. Alles Weitere erledigen Fett und Wasser, indem sie sich zu einer Emulsion verbinden. In ihr schwimmen zahllose winzige Fetttropfen. Sie streuen das einfallende Licht und lassen so die Milch weiß erscheinen.

Übrigens: Es muss nicht Kuhmilch sein Schließlich ernährt jede Säugetiermama ihren Nachwuchs mit Milch. Und auch im Pflanzenreich gibt es so einige Alternativen zur Kuhmilch. Letztere haben noch den enormen Vorteil, dass sie frei von Milchzucker sind. Auch bei einer bestehenden Allergie gegen Milcheiweiß sind die meisten pflanzlichen Milcharten gut verträglich. Hier ein paar Vorschläge zum Umsatteln.

Büffelmilch auf Platz zwei
Schon gewusst? Die Milch dieser Huftiere wird weltweit nach Kuhmilch am meisten genutzt.

Ziegenmilch Der berühmte antike Arzt Hippokrates nannte sie einst „wahres Lebenselixier“. Logisch: Ziegenmilch ist vollgepackt mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen. Dazu addiert sich ihre sehr gute Verdaulichkeit, denn sie enthält mehr kurz- und mittelkettige Fettsäuren als Kuhmilch, die besser in körpereigene Stoffe umgewandelt werden können.

Stutenmilch In ihrer Zusammensetzung ist sie der menschlichen Muttermilch weitaus ähnlicher als die Kuhmilch. Zudem sorgt die gehaltvolle Stutenmilch für einen regelrechten Vitaminschub.

Mandelmilch Zu ihren Vorzügen gehört allen voran ihr geringer Fett- und damit Kaloriengehalt. Im Gegenzug hat Mandelmilch einiges an Vitalstoffen zu bieten: B-Vitamine, Vitamin C und E, Magnesium, Calcium, Eisen und Zink.

Sojamilch Hergestellt aus Sojabohnen und Wasser hat diese fettarme Milch ein großes Plus: einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren, die für unseren Körper sehr wichtig und gesund sind.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 66.

Birgit Frohn, Diplombiologin und Medizinjournalistin

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