Endlich entschlüsselt
DARUM TRÄNEN DIE AUGEN BEIM ZWIEBELSCHNEIDEN WIRKLICH
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Mit Taucherbrille ausgerüstet klappt Zwiebelschneiden auch ohne Tränen. Oder: Vor dem Zwiebelschneiden unbedingt Messer und Brett mit kaltem Wasser abspülen. Einige setzen auch auf einen Schluck Wein im Mund, um ohne Tränen eine Zwiebel fachgerecht zu zerschneiden. Ob der Grund beim letzten Trick nicht im betäubenden Effekt des Alkohols liegt, bleibt offen.
Jede*r hat seine Tricks beim Zwiebelschneiden. Doch richten diese sich womöglich gegen das falsche Ziel? Die früher verdächtigten flüchtigen Schwefelverbindungen scheinen nicht der (alleinige) Grund für tränende Augen beim Zwiebelschneiden zu sein. Zixuan Wu von der Cornell University und ihr Team kramten vor kurzem eine alte Theorie hervor, nach der beim Schneiden einer Zwiebel winzige Flüssigkeitströpfchen explosionsartig ins Auge spritzen, wodurch diese tränen. Für ihre Untersuchungen mussten einige Zwiebeln unter die Guillotine.
Zwiebelschneiden: Austretender Saft mit Autobahn-Geschwindigkeit
Stahlklingen unterschiedlicher Schärfe sausen mit verschiedenen Geschwindigkeiten auf arme Zwiebeln herunter und der Saft spritzt in alle Richtungen. Was wie ein Gemüse-Splatter klingt, stellt lediglich den Versuchsaufbau von Wu und ihrem Team dar. Die Flüssigkeitströpfchen, die beim Zerschneiden der Zwiebel entstanden, wurden mit einer Hochgeschwindigkeitskamera registriert. Ähnlich einem Blitzer auf der Autobahn registrierten die Forschenden dabei Geschwindigkeiten von über 140 Kilometern pro Stunde.
Doch nicht nur das: Der augenreizende Zellsaft wurde dabei in fadenartigen Fontänen freigesetzt, die sich innerhalb von Millisekunden in Tausende Tröpfchen zerteilten. Die Wahrscheinlichkeit, von diesem großflächigen feinen Regen aus reizenden Schwefelverbindungen im Auge getroffen zu werden, ist höher, als wenn lediglich einzelne Tropfen beim Zwiebelschneiden entstehen würden.
Zwiebeln schneiden ohne Tränen: So klappt’s
Aus den Erkenntnissen des Teams lassen sich praktische Tricks fürs Zwiebelschneiden ohne Tränen ableiten. Wu und ihre Kolleg*innen schreiben:
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass stumpfe Klingen sowohl die Geschwindigkeit als auch die Anzahl der ausgestoßenen Tröpfchen erhöhen, was die weitverbreitete Annahme experimentell bestätigt, dass das Schärfen von Messern das Tränen der Augen beim Schneiden von Zwiebeln reduziert“,
Vergessen Sie also alle vermeintlichen Tricks fürs Zwiebelschneiden und schneiden Sie langsam mit einem scharfen Messer. Dann gelingt es auch ohne Tränen, Zwiebeln fein zu schneiden.
Achtung, giftig!
Sind die Erkenntnisse vom Zwiebelschneiden auf andere Lebensmittel übertragbar?
Es ist zwar ganz nett zu wissen, wie Zwiebelschneiden auch ohne Tränen funktioniert, aber wo bleibt da die Wissenschaft? Das Team denkt die These weiter: Was ist mit der Küchenhygiene und dem Arbeitsschutz, wenn die Ausbreitung analog auch bei anderen Lebensmitteln wie etwas rohem Fleisch auftritt? Hierbei könnten beim Zerschneiden nicht nur reizende Stoffe, sondern auch potenzielle Krankheitserreger ins Auge gelangen oder sich durch die Luft auf Küchenoberflächen unbemerkt verteilen.
„Es ist bekannt, dass lebensmittelbedingte Krankheitserreger in Küchen durch Tröpfchenspritzer beim Waschen und durch direkten Oberflächenkontakt verbreitet werden“,
erklären Wu und ihr Team. „Eine Studie über Großküchen berichtete, dass 33 bis 100 Prozent der Schneide- und Waschbereiche mit Campylobacter kontaminiert waren, einem häufigen Verursacher von Durchfall. Die aktuelle Arbeit zeigt einen alternativen Weg für die Verbreitung von Bakterien über Brüche beim Schneiden von rohen Lebensmitteln auf: in fragmentierten Lebensmitteltröpfchen.“
Künftige Studien sollen daher keine weiteren Tricks zum Zwiebelschneiden liefern, sondern klären, inwieweit keimbelastete Lebensmittel auf unterschiedliche Schneidetechniken reagieren und wie sich die dadurch ausgelöste Tröpfchenbildung kleinhalten lässt.
Quellen:
Zixuan Wu, Alireza Hooshanginejad, and Sunghwan Jung: “Droplet outbursts from onion cutting”, Proceedings of the National Academy of Sciences, 7. Oktober 2025. doi: 10.1073/pnas.2512779122)
https://www.scinexx.de/news/biowissen/wie-zwiebeln-uns-zum-weinen-bringen/












