Paragraphen-Symbol und Schriftzug „Arbeitsrecht“© Rocco-Herrmann / iStock / Getty Images Plus
Michael van den Heuvel von der ADEXA klärt die Leser*innenfrage, ob Krankentage mit Überstunden verrechnet werden dürfen.

Arbeitsrecht

BEIM ÜBERSTUNDENABBAU KRANK: DÜRFEN KRANKHEITSTAGE MIT ÜBERSTUNDEN VERRECHNET WERDEN?

Eine neue Zusendung hat die Redaktion erreicht: Dürfen bisher geleistete Überstunden mit Krankentagen verrechnet werden? Und was passiert eigentlich, wenn man ausgerechnet während des Überstundenabbaus krank wird? Michael van den Heuvel von der ADEXA hat Antworten für Sie.

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In vielen Apotheken gehören Überstunden zum Alltag. Ob durch plötzliche Ausfälle im Team, durch unerwartet hohen Kund*innenandrang oder durch Notdienste: Die reguläre Arbeitszeit reicht oft nicht aus, um alles zu bewältigen.

Apothekenleitungen vergüten Mehrarbeit in Form von Freizeit oder Geld. Doch was sollten PTA wissen, die beim Überstundenabbau krank werden? Verfällt ihr Freizeitausgleich? Oder was passiert, wenn sie bei von der Apothekenleitung geplanten Überstunden krank werden?

Was ist bei PTA ohne Tarifbindung, die Überstunden leisten, wichtig?

Ein Blick auf die Details: Der Umgang mit Überstunden bei PTA ohne Tarifbindung wird durch den individuellen Arbeitsvertrag geregelt. Einen Anspruch auf Freizeitausgleich haben sie nur, falls dies vertraglich vereinbart wurde oder falls sich Angestellte und Chefin oder Chef darüber einig sind. Andernfalls müssen Überstunden grundsätzlich bezahlt werden.

Bei vereinbartem Freizeitausgleich gilt: Falls Sie beim Überstundenabbau krank werden, ist Ihr Zeitguthaben „verbraucht“, auch wenn Sie krank im Bett liegen. Anders als beim Urlaub gibt es hier keinen Anspruch darauf, den Ausgleich nachzuholen.

Welche Besonderheiten gelten bei PTA mit Tarifbindung?

Tarifbindung besteht, wenn Sie als PTA Mitglied bei ADEXA und Ihre Chefin oder Ihr Chef Mitglied beim jeweiligen Arbeitgeberverband sind. In Apotheken regeln der Bundesrahmentarifvertrag (BRTV) oder die Rahmentarifverträge in Nordrhein beziehungsweise Sachsen Details zu Überstunden. Gemäß § 7 des BRTV kann die Apothekenleitung in begründeten Ausnahmefällen Mehrarbeit im gesetzlichen Rahmen verlangen. Dies umfasst Situationen wie unerwartete Personalausfälle oder ein plötzlich erhöhtes Arbeitsaufkommen.

Für geleistete Mehrarbeit haben Sie Anspruch auf eine Grundvergütung sowie entsprechende Zuschläge. Die Grundvergütung berechnet sich bei einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden mit dem Faktor 1/169 des monatlichen Tarifgehalts. Die Zuschläge staffeln sich wie folgt:

  • Von der 1. bis zur 10. Überstunde: 15 % Zuschlag auf die Grundvergütung.
  • Ab der 11. Überstunde: 25 % Zuschlag auf die Grundvergütung.

Der Ausgleich von Mehrarbeit kann entweder durch finanzielle Vergütung oder durch Freizeit erfolgen – in Absprache mit der Apothekenleitung. Kommt innerhalb von zwei Wochen keine Einigung zustande, entscheiden Chefin oder Chef über die Art des Ausgleichs. Wichtig zu wissen:

Werden Sie beim Überstundenabbau krank, sind diese Tage verloren – auch bei Tarifbindung.

Krank beim Überstundenabbau? Dann verfällt Ihr Freizeitausgleich

Ein Fazit: Wird der Überstundenabbau als Freizeit gewährt und wird der oder die Mitarbeitende beim Überstundenabbau krank, besteht in der Regel kein Anspruch auf eine Nachgewährung der ausgefallenen freien Zeit. Das bedeutet: Krankheit beim Überstundenabbau unterbricht den Freizeitausgleich nicht. Die Tage gelten als genommen – selbst, wenn eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorliegt. Diese Regelung unterscheidet sich vom Erholungsurlaub.

Was mit Urlaub im Krankheitsfall passiert

Arbeitsrechtlich gibt es große Unterschiede, ob Sie beim Urlaub oder beim Überstundenabbau krank werden. Im Bundesurlaubsgesetz (BurlG, § 9) heißt es: „Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs und weist er dies durch ein ärztliches Zeugnis nach, so werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Krankheitstage nicht auf den Jahresurlaub angerechnet.“

Die Tage, die krankheitsbedingt nicht als Urlaubstage zählen, werden dem Urlaubskonto wieder gutgeschrieben. Sie haben Anspruch darauf, diesen Urlaub zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Erkranken Sie so lange, dass Sie den Urlaub im laufenden Kalenderjahr nicht mehr nehmen können, verlängert sich der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Tage bei einer Fünf-Tage-Woche) bis zum 31. März des übernächsten Jahres. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden. Voraussetzung ist aber, dass Sie durchgehend krankgeschrieben waren und daher keine Möglichkeit hatten, den Urlaub zu nehmen.

Die Quintessenz: Während der gesetzlich geschützte Urlaub bei Krankheit nicht verloren geht, ist das nicht der Fall, falls PTA beim Überstundenabbau krank werden. Der Freizeitausgleich verfällt.

Auf einen Blick: Urlaub oder Freizeitausgleich – kennen Sie den Unterschied?
Während der Erholungsurlaub auf gesetzlichen Regelungen beruht, insbesondere auf dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG), ist der Überstundenausgleich durch Freizeit in der Regel eine vertragliche oder betriebliche Vereinbarung. Das bedeutet: Der Urlaub dient ausdrücklich der Erholung und ist gesetzlich geschützt, während der Freizeitausgleich für Überstunden lediglich dem Ausgleich geleisteter Mehrarbeit dient und nicht denselben Schutz genießt. Der Freizeitausgleich verfällt, wenn PTA beim Überstundenabbau krank werden – der Urlaub jedoch nicht.

Überstunden mit bestehenden Krankentagen verrechnen – ist das rechtens?

Doch in der Rechtsberatung stellt sich aber nicht nur die Frage, was passiert, wenn PTA bei Überstundenabbau krank werden. Das Thema, ob man Überstunden mit bereits bestehenden Krankentagen verrechnen darf, taucht immer wieder auf.

Arbeitsgerichte haben hierzu mehrfach entschieden:
● Eine Verrechnung von Krankentagen mit Überstunden ist grundsätzlich nicht zulässig, weil die Krankheit bereits durch das Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt ist.
● Beschäftigte haben während der Krankheit Anspruch auf Lohnfortzahlung (§ 3 EntgFG).
● Überstunden dürfen nur dann abgebaut werden, wenn Angestellte arbeitsfähig sind und der Freizeitausgleich mit ihnen vereinbart wurde.

Ein Beispiel aus der Praxis: Die Hausärztin hat eine PTA drei Wochen krankgeschrieben. In dieser Zeit darf ihr Chef nicht sagen, dass er Überstunden mit Krankentagen verrechnen will.

Krank während geplanter Überstunden: Was gilt?

Werden Sie als PTA krank, entfällt die Verpflichtung zur Arbeitsleistung vollständig – und zwar auch dann, wenn in diesem Zeitraum Überstunden geplant oder angeordnet waren. Es gelten die Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG). Das heißt: Die geplanten Überstunden müssen nicht nachgearbeitet werden.

Ihre Chefin bzw. Ihr Chef muss im Krankheitsfall den Lohn weiterzahlen – allerdings nur auf Basis der vertraglich vereinbarten Regelarbeitszeit. Für geplante, aber nicht geleistete Überstunden gibt es kein zusätzliches Entgelt.

Ein Beispiel: Eine PTA ist an einem Freitag regulär bis 14 Uhr eingeteilt, sollte aber ausnahmsweise bis 18 Uhr bleiben. Am Freitagmorgen meldet sie sich krank. Sie erhält Lohnfortzahlung auf Basis der regulären Arbeitszeit bis 14 Uhr, die geplanten Überstunden entfallen.

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