Bundestag in Berlin© dstaerk / iStock / Getty Images Plus
Das viel diskutierte Lieferengpass-Gesetz ist im Bundestag verabschiedet worden. Ist es in der Lage, die Versorgungssituation bei Medikamenten zu verbessern?

ALBVVG

LIEFERENGPASS-GESETZ ENDLICH VERABSCHIEDET

Lange wurde diskutiert. Seit Freitag ist es nun beschlossen: Der Bundestag hat das Lieferengpass-Gesetz verabschiedet – mit all seinen Änderungsanträgen. Doch neben lang ersehnten Erleichterungen birgt der Gesetzesbeschluss auch Schattenseiten für die Apotheken. 

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Das Arzneimittel-Lieferengpass-Bekämpfungs- und Versorgungs-Verbesserungsgesetz (ALBVVG) kommt. Mit im Gepäck hat das Lieferengpass-Gesetz mehr Freiheiten für Apotheken bei der Bewältigung der Arzneimittelknappheit. Von einer angemessenen Wertschätzung oder Honorierung weiterhin keine Spur.

Gabriele Overwiening, Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), fand in einem Video-Statement daher klare Worte zum Gesetz der Ampel-Koalition, welches die Opposition übrigens geschlossen ablehnte. Doch was steckt eigentlich drin im viel diskutierten und mehrfach überarbeiteten ALBVVG? 

Was bringt das Lieferengpass-Gesetz?

Gut 490 Meldungen zu Arzneiengpässen sind aktuell amtlich bekannt. Die Lage entschärfen soll das ALBVVG. Wie genau? Das Lieferengpass-Gesetz besteht aus mehreren Kernpunkten. Zum einen sieht es eine verpflichtende Lagerhaltung vor. Hersteller müssen Medikamente mit Rabattverträgen der Krankenkassen stets für sechs Monate vorrätig haben. Zum andern sind generische Kinderarzneimittel künftig von Rabattverträgen ausgeschlossen. Krankenkassen müssen zusätzlich bei den Ausschreibungen der Rabattverträge auch EU-Hersteller berücksichtigen.

Apotheken bekommen endlich die nötige Austauschfreiheit bei nicht verfügbaren Präparaten zugesprochen und eine Engpass-Vergütung von 50 Cent pro Arzneimittelaustausch.

Zukunftsängste statt Zukunftsperspektiven

Zugegeben, das ALBVVG bringt einige Verbesserungen mit sich. Gleichzeitig sende das Gesetz der Ampel-Koalition „widersprüchliche Signale“, sagte ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in Bezug auf den Gesetzesbeschluss. „Wir sehen einerseits, dass die Bundestagsabgeordneten den Belastungsstand in unseren Teams erkannt und anerkannt haben.“

„Aber hier gibt es Nachbesserungsbedarf.“

Eine komplette Streichung der Nullretaxationen bei formellen Fehlern wäre das richtige Signal gewesen. Auch den Austausch von Darreichungsformen hätte man den Apotheken einräumen müssen.„Extrem bitter ist, dass die Bundesregierung nicht verstanden hat, dass die Apotheken vor Ort finanziell unterstützt werden müssen. Die nun beschlossenen 50 Cent für das Engpass-Management sind und bleiben eine Beleidigung und eine Missachtung unserer Arbeit.“

Dass der zuständige Minister Karl Lauterbach zeitgleich Pläne für millionenschwere Gesundheitskioske schmiede, erzeuge in der Apothekerschaft Irritationen und große Sorgen. „Für eine angemessene und anerkennende Honorierung der Apothekerinnen, Apotheker und ihrer Teams werden wir weiterkämpfen“, verspricht die ABDA-Präsidentin. Das sei man sowohl den Patientinnen und Patienten als auch dem Apothekennachwuchs schuldig. Man sei weiterhin gesprächsbereit, dennoch werde es im Sommer und Herbst erneut Aktionen und Proteste geben, kündigte Overwiening an.

Gesetz mit Placeboeffekt

Nicht nur die ABDA ist vom Lieferengpass-Gesetz enttäuscht. Auch die Opposition stimmte vereint gegen den Gesetzesentwurf. Laut Georg Kippels (CDU) sei das Gesetz ein Placebo, welches keine wirkliche Lösung zur Beseitigung der Engpässe biete. Er kritisiert unter anderem, dass die für Apotheken ärgerliche Nullretaxation nicht komplett gestrichen wurde. „Es verbleiben noch eine Reihe von Fallstellungen, wo weiterhin Nullretax möglich ist, dabei wäre eine grundsätzliche Regelung vonnöten gewesen“, so Kippels. Auch stärke das Gesetz nicht die Arzneimittelproduktion in Europa.

Paula Piechotta (Grüne) konterte, dass man eher den Pharmadialog (eine regelmäßige Gesprächsrunde zwischen Bundesregierung, Bundesoberbehörden und Fachkreisen; seit 2020 „Beirat zu Liefer- und Versorgungsengpässen“) als Placebo bezeichnen könne als das ALBVVG. Die Abgabeerleichterungen seien „enorme Verbesserungen für Apotheken“. Das Gesetz regle hinsichtlich der Arzneiengpässe das, was auf nationaler Ebene regelbar sei. Sie pocht daher für das Pharmapaket der EU-Kommission.

Lars Lindemann (FDP) hingegen sieht im ALBVVG einen Kompromiss, auf den weitere Schritte folgen müssten. „Ja, es gibt nur bedingt mehr Geld für die Apotheker“, sagte Lindemann, aber mit den Vereinfachungen bei Retaxationen, Präqualifizierung und Abgeerleichterungen habe man einiges für sie getan.

Das ALBVVG muss noch am 7. Juli im Bundesrat beraten werden. Da es aber nicht zustimmungspflichtig ist, wird es voraussichtlich im August in Kraft treten.

Quellen:

dpa

https://www.youtube.com/watch?v=u953WlTiFbI

https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bundestag-beschliesst-lieferengpass-gesetz-140847/

https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/albvvg-ist-durch-viel-lob-fuer-apotheken/

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