Ein kränkelnder Junge bekommt eine flüssige Arznei aus einem dunklen Fläschchen auf einem Esslöffel serviert. © ElenaNichizhenova / iStock / Getty Images Plus
Um die Versorgung zu sichern, lockern immer mehr Bundesländer die Einfuhrregeln für Kinder-Antibiotika-Säfte.

Versorgungsengpass

SONDERREGELN FÜR ANTIBIOTIKA-SÄFTE

Die Lieferschwierigkeiten um Antibiotika und Fiebersäfte für Kinder spitzen sich zu. Einzelne Bundesländer schaffen Ausnahmeregeln, um die Versorgung zu sichern. Aber damit nicht genug: Apotheken sehen die Politik in der Pflicht, weitere Maßnahmen durchzusetzen.

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Der Mangel bei Antibiotika-Säften für Kinder besorgt nicht nur Eltern, er sorgt auch in den Apotheken für Frust. „Die Apothekenteams müssen für die Politik nun also erneut den Karren aus dem Dreck ziehen und auf Basis der Behördenentscheidungen alternative Arzneimittel aus dem Ausland beschaffen, um die Patientinnen und Patienten schnell versorgen zu können“, sagt die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA), Gabriele Regina Overwiening.

„Die Apothekenteams müssen für die Politik nun also erneut den Karren aus dem Dreck ziehen.“

Der Chef des Apothekerverbands Nordrhein, Thomas Preis, forderte in der Rheinischen Post den Aufbau einer nationalen Antibiotika-Reserve.

Versorgungsengpass: Ausnahmeregelung beim Import

Immer mehr Bundesländer lockern inzwischen die Regeln für Kinder-Antibiotika-Säfte, damit die Versorgung nicht gefährdet wird. Auch

  • Rheinland-Pfalz,
  • Niedersachsen,
  • Sachsen,
  • Sachsen-Anhalt und
  • Mecklenburg-Vorpommern

kündigten am Mittwoch an, den Import von Antibiotika-Säften aus dem Ausland zu erlauben. Andere Länder hatten das bereits angekündigt.

Lieferengpass oder Versorgungsengpass: Was ist der Unterschied?
Möglich ist das, weil das Gesundheitsministerium in der vergangenen Woche offiziell einen Versorgungsengpass bei Antibiotika-Säften für Kinder festgestellt hatte. Damit dürfen bestimmte Regeln des strengen Arzneimittelgesetzes befristet umgangen werden. So könnten beispielsweise Medikamente ausgegeben werden, die keine deutschsprachige Verpackung haben oder Arzneimittel mit einer älteren Version der Packungsbeilage, die noch nicht die neuesten Informationen zum Medikament enthält.

…und wenn die Importregelung nicht ausreicht?

Ob sich die Lage durch die Notmaßnahmen spürbar entspannt, ist aber fraglich. Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) dämpfte die Erwartungen. „Wir haben es bei Antibiotika mit einem weltweiten Mangel zu tun“, sagte er. Das betreffe auch die Wirkstoffe als Rezeptursubstanz, aus denen die Apotheken bei Bedarf Säfte herstellen könnten. Im Sozialministerium in Sachsen ging man dagegen davon aus, dass die Medikamente „in wenigen Wochen“ verfügbar sein werden.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte dem Sender Welt zur Idee einer nationalen Antibiotika-Reserve, man müsse das grundsätzlich auf jeden Fall prüfen. „Wir müssen jetzt auf jeden Fall alles tun, was unbürokratisch und pragmatisch hilft.“ Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums verwies in Berlin auf das von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG). Dieses sieht bei bestimmten Medikamenten auch eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung vor. Das Gesetz muss noch vom Bundestag beschlossen werden.

Produktion in Europa als Mittel gegen Lieferengpässe?

Weitgehend Einigkeit besteht darin, die Arzneimittelproduktion wieder verstärkt nach Europa zu holen. „Wir sind abhängig von China“, sagte Holetschek. Das Thema Medikamente im eigenen Land sei systemrelevant. Wenn die Produktion aus Ländern wie China und Indien zurück nach Europa geholt werden solle, müsse dafür aber auch mehr Geld in die Hand genommen werden, sagte Laumann. Das werde höhere Krankenkassenbeiträge nach sich ziehen.

Auch die Apotheken sind dafür, wieder mehr in Europa zu produzieren, „um allzu komplexe und damit leicht anfällige Lieferketten aus Fernost zumindest bei wichtigen Arzneimitteln zu vermeiden“, wie ABDA-Präsidentin Overwiening sagte.

ABDA fordert Entscheidungsfreiheit beim Austausch und Vergütung

Kurzfristig bräuchten die Apotheken einen größtmöglichen Entscheidungsspielraum, um vorrätige gegen nicht-lieferbare Medikamente auszutauschen, ohne zusätzlichen bürokratischen Dokumentationsaufwand oder Retaxationen durch die Krankenkassen. „Im Gegenteil: Für den hohen Arbeits- und Zeitaufwand von mindestens sechs Stunden pro Woche brauchen die Apotheken einen Engpass-Ausgleich von 21 Euro pro nicht-lieferbarem Präparat.“

Quelle: dpa

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