Aufnahmen beider Augen aus einer Augenspiegelung nebeneinander. Die Aufnahmen sind kreisrund. Der Sehnervenkopf erscheint als helle Stelle, umgeben von Blutgefäßen. Er sitzt seitlich jeweils etwas außerhalb des Zentrums der Aufnahmen. Etwas innerhalb des Zentrums ist eine dunkle Stelle, das ist die Makula, die Stelle des schärfsten Sehens.© hidesy/iStock/Getty Images Plus
Der Sehnervenkopf, also die Stelle der Netzhaut, auf die der Sehnerv trifft, erscheint bei einer Augenspiegelung als heller Fleck. Sehstörungen durch Diabetes gehen vermutlich auf eine Durchblutungsstörung des Sehnervenkopfes zurück.

Untersuchung

KANN SEMAGLUTID ZU SEHVERLUST FÜHREN?

Semaglutid, der Wirkstoff in Ozempic® und Wegovy®, könnte zu plötzlichem, irreversiblem Sehverlust führen. Das ergaben zumindest Beobachtungsstudien kürzlich. Der Sicherheitsausschuss PRAC der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) will sich das genauer anschauen.

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Der PRAC (Pharmacovigilance Risk Assessment Comittee, der Pharmakovigilanzausschuss der EMA) überprüft Arzneimittel auch nach ihrer Zulassung regelmäßig auf mögliche Risiken. So nun auch Semaglutid im Hinblick auf eine seltene Augenerkrankung, die zu plötzlichem irreversiblem Sehverlust führt. Die sogenannte nicht arteriitische anteriore ischämische Optikusneuropathie (nAION) ist die häufigste Form eines Sehnerveninfarktes.

Ob Semaglutid das Risiko für nAION und damit einhergehende Sehstörungen erhöht, soll geklärt werden. Bisher liefern Studien nur unzureichende Daten. Weil nAION, die auch ohne Behandlung mit Semaglutid auftreten kann, zu irreversiblem Sehverlust führt, prüft der PRAC den Zusammenhang jetzt genau.

Semaglutid könnte Risiko für Sehverlust erhöhen

Zwei Beobachtungsstudien liefern Hinweise, dass unter der Behandlung mit Semaglutid das Risiko für plötzlichen Sehverlust infolge einer nAION erhöht sein könnte. Beweise sind das aber noch nicht, und die Studien haben einige Schwächen. Daher will der PRAC den Sachverhalt nun ganz genau untersuchen.

Beide Studien, in denen Semaglutid das Risiko für Sehverlust erhöhte, sind Beobachtungsstudien, die auf über mehrere Jahre gesammelten Daten beruhen. Die Bostoner Untersuchung umfasste über 16000 Patientendaten aus einer Klinik für Neuroophtalmologie, also einer Spezialeinrichtung für Augenleiden im Zusammenhang mit neurologischen Problemen. Die Daten wurden über drei Jahre rückwirkend betrachtet. Unter Semaglutid war das Risiko für Sehverlust infolge einer nAION signifikant höher als unter alternativen Therapien gegen Diabetes oder Adipositas.

Die zweite Studie stammt aus Dänemark und umfasst die Daten von über 420000 Typ-2-Diabetikern über fünf Jahre, ebenfalls rückwirkend. Hier verdoppelte der Einsatz von Semaglutid das Risiko für Sehverlust durch nAION.

Grund zur Panik besteht aber keinesfalls, meinen Experten. Die Studien zeigen lediglich einen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Semaglutid und einem plötzlichen Sehverlust. Damit ist nicht bewiesen, dass Semaglutid die Ursache für den Sehverlust ist. Vielmehr weisen die Studien Schwächen auf.

Semaglutid nicht schädlich, eher die Grunderkrankung

Die Studien, die den Zusammenhang zwischen einer Behandlung mit Semaglutid und dem plötzlichen Sehverlust nahelegen, beweisen nicht, dass Semaglutid schädlich ist. Zum einen beruht die Bostoner Untersuchung auf Daten aus einer Spezialklinik, in der vermutlich eher schwere Fälle behandelt werden. Die Schwere der Grunderkrankungen, nämlich des Diabetes und der Adipositas, wurden nicht erfasst.

Man weiß aber, dass Diabetiker, ob mit oder ohne Semaglutid-Therapie, ein höheres Risiko für Sehverlust haben. Das liegt an der Grunderkrankung, nicht daran, dass Semaglutid schädlich sei.

Außerdem war die Semaglutid-Gruppe in der Bostoner Untersuchung älter als die andere Gruppe. Ältere Menschen haben auch ohne Anwendung von Semaglutid ein erhöhtes Risiko für Sehverlust durch eine nAION. Semaglutid wird vermutlich auch eher bei schwereren Erkrankungsformen eingesetzt, die ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Sehverlust begründen.

Sehverlust eher durch Diabetes als durch Semaglutid?

Möglicherweise wird der Sehverlust eher durch Diabetes oder Adipositas begünstigt als durch die Anwendung von Semaglutid. Diabetes ist Risikofaktor Nummer eins für eine nAION. Die genauen Ursachen kennt man noch nicht, man vermutet aber eine Durchblutungsstörung des Sehnervenkopfes. Diese führt zu einem plötzlichen Sehverlust auf dem betroffenen Auge, die sich nicht wieder bessert. Eine von 10000 Personen trifft es, die Erkrankung ist also eher selten. Der Sehverlust wird begünstigt durch Diabetes, wahrscheinlich, weil hier die Durchblutung der kleinen Gefäße schlechter ist.

Ob Semaglutid das Risiko für den Sehverlust zusätzlich erhöht, wird der PRAC nun herausfinden.

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/semaglutid-risiko-fuer-ploetzlichen-sehverlust/#
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/ploetzlicher-sehverlust-durch-semaglutid/
https://herzmedizin.de/fuer-aerzte-und-fachpersonal/kardiologie-interdisziplinaer/praevention/zusammenhang-von-semaglutid-mit-naion.html
https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Hinweise-auf-Durchblutungsstoerungen-am-Sehnerv-bei-Behandlung-mit-viel-verordnetem-GLP1-Rezeptoragon-453040.html
https://jamanetwork.com/journals/jamaophthalmology/fullarticle/2820255
https://www.ema.europa.eu/en/news/meeting-highlights-pharmacovigilance-risk-assessment-committee-prac-13-16-january-2025
https://journalretinavitreous.biomedcentral.com/articles/10.1186/s40942-024-00620-x

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