Durch viele leere, farblose PET-Flaschen ohne Deckel scheint Licht.© Albert_Karimov/iStock/Getty Images Plus
Ein Haufen Paracetamol in spe?

Syntheseverfahren

WIE AUS PLASTIKMÜLL PARACETAMOL WIRD

Plastikmüll ist ein wachsendes Problem unserer Zeit. Die Herstellung von Medikamenten ist genauso eine Belastung für die Umwelt, denn die Ausgangsstoffe werden, genau wie Plastik, meist aus Erdöl gewonnen. Möglicherweise kann man Plastikmüll aber bald zur Herstellung von Medikamenten gebrauchen.

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Plastikmüll, speziell alte PET-Flaschen, werden teilweise schon zu neuen Flaschen, anderen Verpackungen, Kleidung oder Baumaterial recycelt. Aber Polyethylenterephthalat, wie PET mit vollem Namen heißt, kann möglicherweise noch viel mehr. Es wird aus Erdöl gewonnen, ebenso wie viele Ausgangsprodukte zur Herstellung von Medikamenten.

Auch das Startsubstrat für Paracetamol stammt aus Erdöl. Forschende haben nun ein Verfahren gefunden, diese Substanz aus Plastikmüll herzustellen. Ganz perfekt ist die Technik noch nicht. Aber sie könnte ein Anfang sein, denn wenn das Erdöl versiegt, brauchen wir neue Ideen.

Plastikmüll als Futter für Escherichia coli

Plastikmüll, speziell PET, lässt sich gut recyceln. Schottische Forschende um Stephen Wallace, Professor für chemische Biotechnologie an der Universität Edinburgh, haben es geschafft, einen Schritt weiter zu gehen. Dazu nutzten sie veränderte Escherichia-coli-Bakterien.

Paracetamol aus PET-Flaschen: So funktioniert es

In einem ersten Schritt entsteht durch einfache Hydrolyse von PET, zum Beispiel als Plastikmüll, Terephtalsäure. Das ist der Grundbestandteil des Kunststoffes. Aus einer veränderten Form dieser Säure können präparierte Escherichia coli-Bakterien Para-Aminobenzoesäure (Paba) herstellen. Paba ist die Startsubstanz für die Herstellung von Paracetamol.

Diese Reaktion, der sogenannte Lossen-Abbau, findet normalerweise unter hohen Temperaturen und unter Zusatz starker Säuren statt. Wallace und sein Team schafften es, den Abbau bei Raumtemperatur, unter milden Bedingungen und in weniger als 24 Stunden ablaufen zu lassen. Interessant: Escherichia coli brauchen Paba zum Wachsen.

Um aus dem Plastikmüll schließlich Paracetamol herzustellen, wurden anschließend zwei Stämme von Escherichia coli gentechnisch verändert. Der eine Stamm erhielt ein Gen des Pilzes Agaricus bisporus, der zweite eines aus Pseudomonas aeruginosa. Die aus diesen Genen abgeleiteten Enzyme machten schließlich aus Paba, gewonnen aus Plastikmüll, den Wirkstoff Paracetamol.

Dient Plastikmüll bald zur Herstellung von Medikamenten?

Plastikmüll in Ausgangsstoffe zur Herstellung von Medikamenten zu verwenden, klingt erst einmal sehr logisch. Ganz so einfach ist die Sache aber leider nicht. In diesem Fall gelang es Wallace und seinem Team zwar, die Ausbeute an Paracetamol von anfänglich 29 auf 92 Prozent zu steigern und die gesamte Reaktion in nur einem Gefäß ablaufen zu lassen.

Allerdings ist das Verfahren zur Herstellung von Medikamenten im großen Maßstab nicht geeignet, denn Paba ist in hohen Konzentrationen für die kleinen Paracetamol-Produzenten giftig. In der Herstellung von Medikamenten bestimmt die Konzentration der eingesetzten Startsubstanz aber letztlich die Ausbeute einer Reaktion.

Um bald wirklich Plastikmüll zur Herstellung von Medikamenten nutzen zu können, muss das Verfahren also noch verfeinert werden. Ein Weg dafür könnte die Entwicklung von Escherichia-coli-Stämmen sein, die gegenüber Paba tolerant sind.

Auf jeden Fall beweist das neue Verfahren einmal mehr, dass Plastikmüll zum Wegwerfen zu schade ist. Ob er zur Herstellung von Medikamenten dienen kann, muss die Zukunft zeigen.

Quellen:
https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/schmerzmittel-bakterien-verwandeln-plastik-in-paracetamol-a-0c5c23fc-b01c-4fa5-86fd-9b07e87bb37f
Johnson, N.W., Valenzuela-Ortega, M., Thorpe, T.W. et al.: “A biocompatible Lossen rearrangement in Escherichia coli”, Nature Chemistry, 23. Juni 2025. https://doi.org/10.1038/s41557-025-01845-5
https://www.forum-pet.de/recycling-kreislauf/

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