Vor Apotheker liegt Medizinalhanf, den er an Kundin weitergibt© Jupiterimages / The Image Bank / Getty Images Plus
Bislang gab es nur Rabattverträge für generische Fertigarzneimittel. Das ändert sich nun, indem es für Medizinalcannabis auch Rabattverträge geben wird.

Rabattverträge

CANNABIS: RABATTVERTRÄGE FÜR REZEPTUR

Das gab es noch nie: Rabattverträge für ein Rezepturarzneimittel. Doch drei Anbieter haben den Coup mit der Krankenkasse gelandet – und zwar mit Medizinalcannabis. Werden die Blüten und Extrakte damit mehr und mehr zum Fertigarzneimittel?

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Adrex macht es vor und schließt nicht nur Verträge mit mehreren Betriebskrankenkassen, sondern auch der AOK Nordost, der IKK classic und der KKH – weitere Krankenkassen befinden sich mit dem Hersteller von Medizinalcannabis aktuell noch in den Vertragsverhandlungen. Cannamedical und Remexian sind ebenfalls in den Open-House-Verträgen mit den BKKen eingestiegen, weitere Hersteller könnten folgen, sollten sie sich den geltenden Bedingungen unterwerfen.

Bislang existieren Rabattverträge nur für generische Fertigarzneimittel. In diesem Fall werden die Konditionen kassenindividuell verhandelt und richten sich beispielsweise nach bestimmten Blüten und Sorten. „Cannabis wird damit wie ein normales Fertigarzneimittel behandelt“, sagt Adrex-Geschäftsführer Mario Eimuth nach Informationen von apotheke adhoc. „Ich glaube, dass damit die allgemeine Akzeptanz von Cannabis als Arzneimittel steigt. Es wird in der Ärzteschaft nochmal einen größeren Vertrauensbonus schaffen, wenn sie sehen, dass die Krankenkassen das auch so anerkennen.“
 

Wirtschaftlich und weniger bürokratisch

Die Hoffnung des Geschäftsführers: Durch die Rabattverträge wird nicht nur Cannabis als Arzneimittel anerkannt, sondern die Krankenkasse spart auch Geld bei der Versorgung ihrer Versicherten und könnte somit eher einem Antrag auf Versorgung mit Medizinalcannabis nachkommen. Aktuell wird durchschnittlich jeder dritte Antrag abgelehnt und vielen Patienten die Anwendung somit verwehrt. 
Eine steigende Akzeptanz sieht Eimuth auch auf Seiten der Apotheken. „Wenn wir die Liefersicherheit nicht gewährleisten könnten, hätten wir diese Verträge nicht abschließen können“, sagt Eimuth. „Anbieter mit einer gewissen Wildwest-Mentalität werden dadurch ausgeschlossen, was wiederum die Versorgungssicherheit erhöht und das Problem verringert, dass Patienten auf eine bestimmte Sorte eingestellt sind und die dann nicht mehr lieferbar ist. Außerdem verringert die höhere Rechtssicherheit die Gefahr, von den Kassen retaxiert zu werden.“
 

Apotheker reagieren verhalten

Astrid Staffeldt, ehemaliges Vorstandsmitglied des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken (VCA) sieht das anders: „Ich halte das für eine Verschlechterung in der patientenindividuellen Versorgung, denn wenn der Rabattvertrag die Sorte vorgibt, haben Arzt und Apotheker keine Therapiehoheit mehr.“ Zudem sieht sie keine rechtliche Grundlage für solche Rabattverträge. Tatsächlich heißt es im relevanten Abschnitt des Sozialgesetzbuches V (SGB V): „Die Krankenkassen oder ihre Verbände können mit pharmazeutischen Unternehmern Rabatte für die zu ihren Lasten abgegebenen Arzneimittel vereinbaren.“ Rezepturausgangsstoffe sind zwar keine Arzneimittel, doch für die Herstellung von Parenteralia existieren Ausnahmen, die Retax-Gefahr wird daher gering eingestuft. 
Umgestellt werden darf allerdings niemand – die Regelung greife erst mit einer Neueinstellung oder Erstversorgung. 
Auch VCA-Geschäftsführerin Dr. Christiane Neubaur äußerte sich kritisch:„Generisch behandelt wurden bisher nur chemische Produkte und keine pflanzlichen, pharmazeutisch erklärt sich mir das also nicht“, sagt sie. „Bei der Therapie mit Medizinalcannabis handelt es sich um sehr spezielle und spezifische Pflanzenheilkunde. Es macht einen Unterschied, ob eine Pflanze aus Kanada oder Israel kommt, unter welchen Anbaubedingungen sie gewachsen ist oder welches Terpenprofil sie aufweist. Da kann man nicht einfach austauschen. Ich bin sehr gespannt, wie sie sich das vorstellen.“
 

Regelung wirft weitere Fragen auf

Wer Medizinalcannabis auf Rezept erhält, blickt in der Regel bereits auf andere, gescheiterte Therapieversuche zurück. „Cannabis ist für viele Patienten die letzte Chance auf eine bessere Lebensqualität, deshalb ist es schlicht nicht fair“, so Neubaur. Wie sich also verhalten, wenn ein Austausch aus therapeutischen Gründen nicht in Frage kommt? „Was passiert dann? Bricht der Arzt dann die Therapie ab? Oder er müsste anfangen, Aut-idem-Kreuze zu setzen. Dafür muss eine Regelung getroffen werden!“, fordert Neubaur. Für pharmazeutisch vertretbare Regelungen müssten weitere Daten her, mehr Studien zu den Einflüssen der unterschiedlichen Terpenprofile her und generell mehr Wissen gesammelt werden. So schließt Neubaur: „Da müssten noch viel mehr Daten gesammelt werden, um pharmazeutisch vertretbare Regelungen zu treffen.“

Quelle: Apotheke adhoc
 

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