Sägepalme© Oze Creatives / iStock / Getty Images

Evidenzbasiert

KLEINE PALME MIT GROSSEM POTENZIAL

Die Behandlung einer gutartigen Prostatavergrößerung leichten bis mittleren Schweregrades ist die Domäne von Phytotherapeutika mit Extrakten aus Sägepalmfrüchten. Was gilt es zu beachten?

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Die dekorativen Fächer der Sägepalme (Serenoa repens (W. Bartram) Small, Syn. Sabal serrulata (Michx.) Nutt.) zieren das Staatswappen Floridas, einem der Bundesstaaten der USA, wo die bis zu vier Meter hohe Zwergpalme aus der Familie der Palmengewächse (Arecaceae) beheimatet ist. Ebenso zählen die küstennahen Südstaaten Mississippi und South Carolina zur Heimat der mehrstämmigen, buschförmig wachsenden Palmenart. Dort gedeiht sie auf sandigen Böden in Dünen und Kiefernwäldern. Zudem findet sie sich in anderen Regionen mit mildem, sonnigem Klima, wie im tropischen Mittel- und Südamerika oder wildwachsend in Mittelmeerländern wie Südspanien und auf Mallorca.

Wirksame Früchte Arzneilich werden die reifen, getrockneten Früchte der Sägepalme, auch Sabalfrucht genannt, genutzt. Es handelt sich um eiförmige einsamige Steinfrüchte, die als Hauptbestandteile fettes Öl, freie Fettsäuren und Sterole (Phytosterole wie beta-Sitosterol und dessen Glucosid) enthalten. Beim Trocknen verfärben sich die Früchte von dunkelrot nach schwarz und sehen dadurch wie Oliven aus. Sabalfrüchte kommen bereits seit dem 19. Jahrhundert gegen diverse Frauen- und Männerleiden zur Anwendung.

Die Behandlung von Regelschmerzen oder Blasenentzündungen sowie der Einsatz als Aphrodisiakum sind nur einige der volksmedizinisch verbreiteten Indikationen. Im 20. Jahrhundert erkannte man ihr Potenzial bei Beschwerden des unteren Harntrakts aufgrund einer gutartig vergrößerten Prostata (benigne Prostata-Hyperplasie, BPH). Daher verfasste die Kommission E des ehemaligen Bundesgesundheitsamtes 1989 eine positive Monographie, in der sie aus den Früchten hergestellte Sägepalmextrakte als Indikation bei einer BPH aufführte.

Wirkmechanismus Heute haben Sägepalmextrakte einen festen Platz in der Therapie der BPH Stadium I bis II nach Alken oder Stadium II und III nach Vahlensieck. Sie führen zu einem Rückgang der Beschwerden beim Wasserlassen, verbessern den Harnstrahl durch Erhöhung des Harnflusses und reduzieren die Bildung von Restharn.

Ihre Wirksamkeit beruht vor allem auf einer Hemmung der 5-alpha-Reduktase, die eine wesentliche Bedeutung bei der Entstehung der BPH besitzt, indem sie die Umwandlung von Testosteron in das androgen wirksame und für das Prostata-Wachstum notwendige Dihydrotestosteron katalysiert. Zudem geht man von spasmolytischen Effekten auf die glatte Muskulatur von Blasenboden, Harnröhre und Prostata aus, was den Druck auf die Harnröhre reduziert. Auch werden entzündungshemmende und antioxidative Wirkungen angenommen, die positiv auf entzündlich-irritative Veränderungen des Prostata-Gewebes Einfluss nehmen.

Extrakt ist nicht gleich Extrakt Bei den eingesetzten Sägepalmextrakten ist allerdings zu unterscheiden, ob diese mit Hexan oder Ethanol ausgezogen wurden. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (Commitee on Herbal Medicinal Produkts, HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde (European Medicines Agency‘s, EMA) bestätigt nur einem Dickextrakt mit dem Droge-Extrakt-Verhältnis (DEV) von 7 bis 11:1, der unter der Verwendung des Auszugsmittels Hexan hergestellt wird, aufgrund der guten Studienlage eine belegte Wirksamkeit.

So zeigten derartige Hexan-Extrakte in den Dosierungen 320 mg/Tag und zweimal 160 mg/Tag bei BPH-Patienten mit moderaten bis schweren Miktionsbeschwerden eine vergleichbare Wirksamkeit wie der Alphablocker Tamsulosin bei besserer Verträglichkeit. Die Hexan-Extrakte haben vom HPMC dementsprechend den Status „Well-established Use“ erhalten. Derartige Sägepalmextrakte sind allerdings nur in Frankreich, der Schweiz, Italien und Polen erhältlich. In Deutschland werden Hexan-Extrakte nicht vertrieben.

Unsere Sägepalmextrakte, deren DEV sich zwischen 7,5 bis 14,3:1 bewegt, sind mit Ethanol 90 oder 96 Prozent hergestellt. Diesen ethanolischen Extrakten hat das HMPC lediglich den Status „Traditional Use“ zugesprochen, da sie eine schwächere Studienlage aufweisen. Ihnen wird damit nur eine plausible Wirksamkeit aufgrund von vorhandenen Literaturdaten bestätigt. Basierend auf langjähriger Erfahrung können diese unter ärztlicher Kontrolle in einer täglichen Dosierung von 320 mg zur Linderung der Symptome der BPH angewendet werden.

Praxistipps 

Eine Therapie mit Sägepalmpräparaten sollte immer ärztlich begleitet werden. Der Hinweis darauf ist bei der Abgabe sehr wichtig. Da Sägepalmextrakte nur die Symptome verbessern, aber nicht in der Lage sind, Einfluss auf das Wachstum der Prostata zu nehmen, sollten sich Patienten mit einer vergrößerten Prostata regelmäßig Kontrolluntersuchungen unterziehen.

Der Arzt muss unkontrolliertes Wachstum der Prostata aufgrund eines bösartigen Tumors ausschließen beziehungsweise rechtzeitig erkennen und behandeln. Zudem sollten nur zugelassene Phytotherapeutika abgegeben werden. Unter der Vielzahl an ebenfalls verfügbaren Nahrungsergänzungsmitteln finden sich etliche, die Sägepalmextrakte in einer nicht ausreichend hohen Konzentration beinhalten. Ebenso ist eine Teezubereitung nicht sinnvoll, da der Anteil an fettlöslichen Inhaltsstoffen im Tee zu gering ist.

Kombipartner Brennnesselwurzel In Deutschland sind zudem noch Präparate auf dem Markt, die eine Kombination aus Sägepalmfrüchte- und Brennnesselwurzelextrakt enthalten (160 mg Dickextrakt aus Sägepalmfrüchten, DEV 10 bis 14,3:1, Auszugsmittel Ethanol 90 Prozent und 120 mg Trockenextrakt aus Brennnesselwurzeln, DEV 7,6 bis 12,5:1, Auszugsmittel Ethanol 60 Prozent).

Für diese kombinierten Phytotherapeutika konnte eine klinische Evidenz in mehreren Studien gezeigt werden. Die Pflanzenextrakte wurden mit dem Alphablocker Tamsulosin oder dem 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid verglichen und waren in ihrer Wirksamkeit den chemisch-synthetischen Arzneistoffe nicht unterlegen. Als wirksame Tagesdosis gelten 320 mg Extrakt aus Sägepalmfrüchten mit 240 mg Trockenextrakt aus Brennnesselwurzeln.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 66.

Gode Chlond, Apothekerin

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