Silvia Haddaji ist vom Kopf bis etwa zur Taille zu sehen. Sie hat kurze blonde Haare, ein Herz-Tattoo am Schlüsselbein und trägt eine runde Brille und ein schwarzes Top. Sie lächelt.© Syna – Die Gewerkschaft
Silvia Haddaji, Präsidentin des Berufsverbands Schweizerische Interessengemeinschaft Pharma-Assistent*in, spricht über Rollen und Möglichkeiten von PTA in der Schweiz.

Interview

„WIR HABEN IN DER SCHWEIZ GENAU WIE DIE PTA IN DEUTSCHLAND KEINE ANERKANNTEN AUFSTIEGSMÖGLICHKEITEN.“

In der Schweiz bieten Apotheken schon seit 2015 Impfungen an. Unter Aufsicht setzen auch PTA den Piks, der Kanton Zürich erlaubt das bei Corona-Impfungen sogar selbstständig. Silvia Haddaji, Präsidentin des Berufsverbands Schweizerische Interessengemeinschaft Pharma-Assistent*in, spricht über den PTA-Beruf in der Schweiz.

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DIE PTA IN DER APOTHEKE: Frau Haddaji, in Deutschland haben viele Ärzteverbände schon verärgert reagiert, als auch Apothekerinnen und Apothekern das Impfen erlaubt wurde. Erst wurde das für Coronaimpfungen gestattet, im Juni dann noch für Grippeimpfungen. War das in der Schweiz anfangs auch so? Dort wird ja mittlerweise in circa 1100 Apotheken gegen Grippe, Frühsommer-Meningoenzephalitis und Corona geimpft.
Silvia Haddaji: Ja, wir hatten damals dasselbe Problem. Es gab einen Aufschrei. Aber die Corona-Pandemie hat sehr dabei geholfen, Impfungen in Apotheken zu akzeptieren. Corona-Impfungen waren für Ärztinnen und Ärzte nicht besonders lukrativ, der Aufwand durch die verschiedenen Impfstoffe hoch. Deshalb schossen in kurzer Zeit viele Impfzentren aus dem Boden. Dann stiegen die Apotheken ein. Das war aus meiner Sicht der Durchbruch fürs Impfen in Apotheken.

Was hat die Schweizerinnen und Schweizer überzeugt?
Es gilt als Pluspunkt der Apotheken, dass man fürs Impfen normalerweise spontan und ohne lange Wartezeit ein Zeitfenster bekommt. Und die Krankenversicherungen befürworten es, weil es etwas günstiger kommt fürs Gesundheitswesen, wenn man Impfungen aus den Praxen auslagert.

Zur Person
Silvia Haddaji (56) ist Pharma-Assistentin und seit 2018 Präsidentin der Schweizerischen Interessengemeinschaft Pharma-Assistent*in (deutschsprachiges Kürzel: SIPA). Ihr Verband setzt sich für die Weiterentwicklung des Berufsbilds und verbesserte Rahmenbedingungen ein.

„Aber die Corona-Pandemie hat sehr dabei geholfen, Impfungen in Apotheken zu akzeptieren.“

Sind Impfungen denn für die Patienten beziehungsweise Kunden kostenfrei?
Das kommt darauf an. Impfungen in der Apotheke müssen die Versicherten meist vorfinanzieren. Manche Krankenkassen übernehmen dann die Kosten des Impfstoffs, andere auch noch das Honorar für die Dienstleistung. Wenn man das Hausapothekenmodell bei der Krankenversicherung gewählt und eine Stammapotheke hat, kann man in der Regel die Quittung für die gesamten Impfkosten zur Erstattung einsenden. Manche Schweizer reichen die Impfkosten aber auch gar nicht ein zur Erstattung, weil siebei der Franchisenbeteiligung, also Selbstbeteiligung, einen hohen Betrag wählen, um dadurch eine Prämienverbilligung zu erwirken. Impfungen beim Arzt sind meist teurer als in Apotheken, weil er die Dienstleistung drumherum anders abrechnen kann.  

Pharmazeutisch-Technische Assistentinnen in Deutschland dürfen nicht impfen. Sie dürfen nur „bei der Vorbereitung und Dokumentation der Impfung unterstützen“. Ist es richtig, dass das in der Schweiz teilweise anders ist und PTA selbst impfen dürfen?
Auch in der Schweiz gilt grundsätzlich, dass Pharma-Assistentinnen (PA) Impfungen nur unter der Aufsicht eines Apothekers durchführen dürfen. Aber während der Pandemie standen die Leute für eine Impfung Schlange. Da impften eben auch PA persönlich, wenn der Apotheker ihnen das zutraute. In der Apotheke, in der ich arbeite, war das zumindest so. Wir sind doch meistens am Empfang, und die Kunden kennen uns. PA müssen dafür aber über mindestens zwei Jahre Berufserfahrung verfügen und erfolgreich einen entsprechenden Kurs absolviert haben. Wie so oft in der Schweiz gilt zudem, dass die Regelungen zum Impfen mit Unterstützung von PA in Apotheken von Kanton zu Kanton unterschiedlich sind.

„Da impften eben auch PA persönlich, wenn der Apotheker ihnen das zutraute. In der Apotheke, in der ich arbeite, war das zumindest so. Wir sind doch meistens am Empfang, und die Kunden kennen uns.“

Das ist von Deutschland aus im Einzelnen schwer nachzuvollziehen. Aber Berichten zufolge hat der Kanton Zürich das Impfen durch PA forciert.
Ja, Zürich ist der größte Kanton, und er leidet unter einem akuten Apothekermangel. Deshalb war es dort schon wichtig für die Apotheken, dass man unsere Berufsgruppe auch zulässt zum direkten Impfen. Der dortige Apothekerverband hat sich darum auch sehr bemüht. Seit dem Frühjahr 2021 dürfen qualifizierte PA Impfungen gegen Grippe, FSME sowie Diphtherie und Tetanus durchführen. Vorher waren PA nur Impfungen gegen Corona erlaubt. Aber wie gesagt: Formal gilt immer der Verantwortungsvorbehalt des Apothekers.  

Die Vorsitzende des Berufsverbands der PTA in Deutschland, Carmen Steves, findet, dass qualifizierte PTA grundsätzlich impfen können sollten. Ihr Argument: Es fehlt überall Personal. Das würde die Apothekenteams entlasten. Wie sehen Sie das?
Dem stimme ich absolut zu. Die Pandemie hat uns die Augen geöffnet, wie schnell man eine Bewilligung dafür erhalten kann. Das war ein Türöffner, zumindest in Zürich.  

„Formal gilt immer der Verantwortungsvorbehalt des Apothekers.“

Erreicht man bei den Grippeimpfungen in Schweizer Apotheken andere Menschen als in Arztpraxen? Und führt das dazu, dass die Ärzteverbände bei Ihnen nicht mehr dagegen sind?
Ja, das ist so. Für eine Zeckenimpfung entscheiden sich viele, wenn sie die entsprechenden Hinweise oder eine Werbung dafür in der Apotheke sehen. Einige bringen auch ihr Impfbuch mit und wir schauen in der Apotheke, was fehlt. Das betrifft vor allem Jüngere, die nicht regelmäßig zum Arzt gehen. Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen lassen sich meist beim Arzt impfen, und das finde ich auch richtig so. Wir fragen bestimmte Dinge ab, wenn sich so jemand in der Apotheke impfen lassen möchte, und verweisen dann auch lieber zum Arzt.

Was bedeutet es in berufspolitischer Hinsicht, dass PA in der Schweiz impfen dürfen? Ist es ein Fortschritt auf dem Weg zu mehr Kompetenzen und mehr Eigenständigkeit?
Das wird diskutiert. Aber wir haben in der Schweiz genau wie die PTA in Deutschland keine anerkannten Aufstiegsmöglichkeiten. Man macht die Ausbildung, und dann bleibt man PA. Einzig der Lehrgang zur Pharma-Betriebs-Assistent*in bietet eine Aufstiegschance, welche jedoch heutzutage von den Apothekern nicht mehr groß gefördert und in vielen Fällen nicht angemessen honoriert wird. Einen größeren Sprung gibt es nicht. Manche Apothekenketten bieten ihren PA eine kleinere Führungsposition an. Oder ein innovativer Apotheker sagt: Du übernimmst jetzt als PA die Verantwortung für diesen oder jenen Bereich. Aber verbindliche Aufstiegsoptionen sind das nicht. Und die Bezahlung dafür könnte besser sein. Deshalb ist das Interesse daran eher gering. Warum soll man mehr machen, wenn es nicht entsprechend entlohnt wird? An dem Thema sind wir dran. Wir wollen diese Problematik aufbrechen. Es gibt schließlich Kolleginnen und Kollegen, die wollen sich weiterentwickeln.

„Manche Apothekenketten bieten ihren PA eine kleinere Führungsposition an. Oder ein innovativer Apotheker sagt: Du übernimmst jetzt als PA die Verantwortung für diesen oder jenen Bereich. Aber verbindliche Aufstiegsoptionen sind das nicht.“

PTA in der Schweiz
Ab dem Sommer 2022 gibt es zwei verschiedene Berufsbezeichnungen: Die bisherige Pharma-Assistent*in und die neue Fachfrau/Fachmann Apotheke. Wer ab dem Sommer 2022 in der Schweiz eine Ausbildung beginnt und nach drei Jahren erfolgreich mit der Lehrabschlussprüfung beendet, wird Fachfrau/Fachmann Apotheke.
Basis der neuen Berufsbezeichnung ist eine reformierte Ausbildung. Auf deren Inhalte hatten sich zuvor der Apothekerverband pharmaSuisse und die zuständige Schweizerische Kommission für Berufsentwicklung und Qualität (SKBQ) verständigt.
Die neue Ausbildung wird von Schulen in den einzelnen Kantonen angeboten. Die angehenden Fachfrauen und -männer Apotheke arbeiten in einer öffentlichen Apotheke und besuchen im ersten Lehrjahr an zwei Tagen pro Woche die Berufsfachschule, im zweiten und dritten Lehrjahr dann jeweils an einem Tag pro Woche. Zusätzlich findet pro Jahr ein überbetrieblicher Kurs statt für ergänzende Wissensvermittlung.
Bislang besteht die Möglichkeit, sich nach einigen Jahren Berufserfahrung zur Pharma-Betriebsassistent/in mit eidgenössischem Fachausweis weiterzubilden. Es können auch Weiterbildungen im Bereich Ernährungsberatung, Kosmetik oder Marketing absolviert werden.
Pharma-Assistent*innen verdienen nach der Lehrzeit in der Schweiz 3400 bis 4500 Franken. Während der Ausbildung variert das Gehalt zwischen 600 und 1200 Franken, je nach Lehrjahr. Je nach Berechnungsansatz liegen die Lebenshaltungskosten in der Schweiz im Vergleich mit denen in Deutschland aber auch um 50 bis 75 Prozent höher.
Ob die neue Qualifikation zu höheren Löhnen führen wird, ist umstritten. In einer Information von pharmaSuisse heißt es: „Der Lohn liegt weiterhin in der Kompetenz des Arbeitgebers. Die neue Ausbildung ergänzt aber die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker und bietet einen Mehrwert für die Apotheke, welcher auch honoriert werden sollte.“

„Das Problem ist: Was macht man mit solch einem Abschluss? Weiterqualifizierte PA oder Fachfrauen und -männer Apotheke dürften nach der bisherigen Gesetzeslage beispielsweise nie alleine eine Apotheke führen.“

Bedeutet die neu gestaltete Ausbildung zur künftigen Fachfrau beziehungsweise zum Fachmann Apotheke denn eine Verbesserung?
Ein Stück weit ja. Denn es wurden neue Kompetenzen in der Grundausbildung verankert. Das ist schon ein Fortschritt. Bestimmte Kompetenzen wie die kapilläre Blutentnahme oder eine differenzierte Wundversorgung sind nun allgemein enthalten. Die geplante Impfkompetenz wurde aber leider momentan auf Eis gelegt. Denn zwei Kantone zögerten bei der Eingabe der Revision noch länger, PA beziehungsweise die künftigen Fachleute Apotheke grundsätzlich impfen zu lassen. Etliche der vorgesehenen neuen Skills sind auch wichtig, um verschiedene neue pharmazeutische Dienstleistungen anbieten zu können in Apotheken.

Aber?
Wir haben im Zuge der Reform auch über eine Ausweitung der Lehrzeit auf vier Jahre gesprochen. Und über eine Fachhochschulqualifikation. Das Problem ist: Was macht man mit solch einem Abschluss? Weiterqualifizierte PA oder Fachfrauen und -männer Apotheke dürften nach der bisherigen Gesetzeslage beispielsweise nie alleine eine Apotheke führen. Dabei studieren in der Schweiz viele Pharmazie und gehen dann in die Industrie. Der Personalmangel in Apotheken ist deshalb ziemlich stark, übrigens auch an Pharma-Assistentinnen. Die Revision des Berufsbilds wurde vonseiten der Apotheken vom Verband pharmaSuisse übernommen. Die Apothekerschaft hat damit die Hoheit über die Entwicklung unseres Berufs. Das möchten wir ändern.  

Wie könnte das gehen?
Das müssen wir noch überlegen. Die nächste Berufsrevision soll es in fünf Jahren geben. Aber bei unseren Themen kommen viele Partner ins Spiel, es braucht Gesetzesänderungen. Das wird schwierig. Wissen Sie, beim neuen Berufsnamen Fachfrau oder Fachmann Apotheke, da geht es auch ein bisschen ums Psychologische, um eine Aufwertung schon im Namen. Aber das allein macht es nicht. Wenn ein Beruf heute nicht attraktiv ist und keine Aufstiegschancen bietet, dann sind die Leute weg. Für die Jungen gibt es ja genug andere Möglichkeiten.

Das Interview führte Sabine Rieser, freie Journalistin.

Quellen:
https://www.pharmasuisse.org/data/docs/de/46763/Flyer-Fachfrau-Fachmann-Apotheke-f%C3%BCr-A4-Druck.pdf?v=1.2
https://www.pharmasuisse.org/data/docs/de/46089/Fragen-und-Antworten-zur-neuen-Ausbildung-Fachfrau-Fachmann-Apotheke-EFZ-FaApo.pdf?v=1.1
https://www.pharmasuisse.org/data/docs/de/47766/Ausbildungs%C3%BCbersicht-%C3%BCber-die-drei-Lernorte.pdf?v=1.2
https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder-dokumente/themen/gesundheit/gesundheitsberufe/pharmazie/MKB_40708_Impfen_in_Apotheken_D.pdf
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2021/12/13/bislang-keine-komplikationen-bei-covid-impfungen-in-apotheken-bekannt
https://syna.ch/aktuell/ich-und-meine-arbeit-der-gav-ist-mein-ding 

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