Ein Mann in Schutzanzug und mit Gasmaske besprüht Orangenbäume mit Pestiziden.© Worledit / iStock / Getty Images Plus
In Frankreich ist Parkinson bei Menschen, die beruflich Pestiziden ausgesetzt waren, als Berufskrankheit anerkannt.

Glyphosat

TRIGGERN PESTIZIDE PARKINSON?

Kürzlich hat die EU die Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat um weitere zehn Jahre verlängert. Davor hatte unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Neurologie im Vorfeld eindringlich gewarnt. Denn: Glyphosat ist ein Nervengift.

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Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie hatte sich deutlich dagegen ausgesprochen, die Zulassung von Glyphosat zu verlängern. Der Grund dafür: Die Zahl der Parkinson-Erkrankungen steigt weltweit stark an. Allein mit dem demographischen Wandel ist das wohl nicht zu erklären, sondern Umweltgifte wie Pestizide scheinen dazu beizutragen.

Auch niederländische Wissenschaftler warnen vor den Auswirkungen von Glyphosat. Speziell dessen neurotoxische Langzeitwirkung sei unzureichend untersucht.

Experten: EU beruft sich auf mangelhafte Daten

Professor Dr. Bastiaan Bloem von der Universität Nijmegen und Dr. Tjitske Boonstra von der Universität Delft bemängeln die mangelhaften Untersuchungsmethoden, die der Entscheidung der EU-Kommission zugrunde liegen. Die derzeitigen Verfahren für die Regulierung von Pestiziden ermöglichen ihrer Meinung nach keine sichere Abschätzung der Risiken in Bezug auf Parkinson und andere neurologische Erkrankungen.

Im vorgeschriebenen Tierversuch würden zu geringe Dosen angewandt, um auf die tägliche Exposition beim Menschen übertragbar zu sein. Zudem sind keine Untersuchungen des Hirngewebes der Versuchstiere vorgeschrieben, was bedeuten kann, dass zwar keine Symptome einer Vergiftung äußerlich erkennbar, trotzdem aber Schädigungen aufgetreten sind.

Viele Pestizide sind Nervengifte

Die Niederländer weisen darauf hin, dass viele Pestizide neurotoxische Wirkungen aufweisen. Auch für andere Erkrankungen wie Alzheimer oder geistige Behinderungen bei Kindern sehen die Forscher einen Zusammenhang.

Forscher verwenden bestimmte Pestizide, um in Tiermodellen Parkinson-Symptome auszulösen.

Auch Professorin Dr. Daniela Berg, Direktorin der Klinik für Neurologie an der Universität Kiel und stellvertretende Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), gibt zu bedenken, dass die neurotoxischen Wirkungen vieler Pestizide lange bekannt ist. Einige Substanzen, die außerhalb der EU teilweise noch zugelassen sind, verwenden Forscher, um in Tiermodellen Parkinson-Symptome auszulösen.

Nicht nur verändert Glyphosat nachgewiesenermaßen die Neurotransmitter-Konzentrationen im Gehirn und wirkt so direkt neurotoxisch, auch indirekte Wirkungen sind der DGN zufolge möglich. Beispielsweise kann das Darm-Mikrobiom Schaden nehmen und so indirekt eine Rolle bei der Entstehung von Parkinson spielen. In Frankreich, so die DGN, werde Parkinson bei Personen, die beruflich Pestiziden ausgesetzt waren, als Berufskrankheit anerkannt.

Auch andere Substanzen neurotoxisch

Als wäre das alles nicht bedenklich genug, warnt die DGN auch vor einer Reihe weiterer Umweltgifte. Alle stehen im Verdacht, zu dem überproportionalen Anstieg an Parkinson-Erkrankungen beizutragen. Hier nennt Berg

  • das Lösemittel Trichlorethylen,
  • aber auch neurotoxische Metalle wie Mangan und Quecksilber,
  • Schwefeldioxid
  • und Feinstaub,
  • Bisphenol A
  • und sogenanntes Nanoplastik. Damit sind Partikel gemeint, die mit einer Größe von unter einem Mikrometer noch kleiner sind als Mikroplastik, das bis zu fünf Mikrometer groß ist.

Gerade Nanoplastik hat in jüngsten Untersuchungen unter Leitung von Dr. Zhiyong Liu von der Universität Durham, USA, bewiesen, dass es mit dem Protein α-Synuclein interagiert. Dieses Eiweiß in seiner fehlgefalteten Form bildet die typischen Ablagerungen in bestimmten Hirnregionen, die zum Absterben von Nervenzellen und dem Ausbruch von neurodegenerativen Erkrankungen führen.

Nanoplastik-Teilchen, speziell Polystyrol-Partikel, verstärken die Verklumpung von α-Synuclein in vitro und tragen im Mausmodell zur Ausbreitung der Ablagerungen auf benachbarte Hirnregionen bei.

Politik gefordert

Zusammengefasst verdichten sich der DGN zufolge Hinweise, dass Umweltgifte die Parkinson-Inzidenz erhöhen. Dieser Effekt könnte ein möglicher Grund für den überproportionalen Anstieg der Erkrankungen sein. Die DGN fordert Politik und Gesellschaft auf, die Belastung durch Umweltgifte zu reduzieren und die Forschung zu stärken.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/was-pestizide-mit-parkinson-zu-tun-haben-143799/
https://dgn.org/artikel/parkinson-krankheit-durch-umwelttoxine
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.adi8716
https://www.thelancet.com/journals/lanplh/article/PIIS2542-5196(23)00255-3/fulltext 

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