Holzregal einer alten Apothekenrezeptur mit vielen hübschen Standgefäßen. An einer verzierten Halterung hängen drei verschiedene Balkenwaagen.© Wlad74/iStock/Getty Images Plus
So viele Hilfsstoffe für die Rezeptur – aber wofür sind die alle eigentlich?

Galenische Ăśbungen

HILFSSTOFFE MIT FUNKTION: LĂ–SUNGSVERMITTLER, KONSERVIERUNGSMITTEL UND ANTIOXIDANZIEN

Wirkstoffe allein reichen oft nicht aus, um eine stabile und wirksame Rezeptur herzustellen. Hier kommen pharmazeutische Hilfsstoffe ins Spiel – unverzichtbare Helfer. In diesem Artikel erfahren Sie mehr über Lösungsvermittler, Konservierungsmittel und Antioxidanzien.

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Das Wichtigste an Rezepturen sind natĂĽrlich die Wirkstoffe. Ohne Hilfsstoffe geht es aber nicht. Sie bringen den Wirkstoff in eine Form, die man anwenden kann. AuĂźerdem stabilisieren Hilfsstoffe das Rezeptur-Arzneimittel oder machen die Anwendung angenehmer, erhöhen also die Compliance.

Wir betrachten nun die verschiedenen Arten von Hilfsstoffen und ihren Funktionen. In diesem Artikel geht es um Lösungsvermittler, Konservierungsmittel und Antioxidanzien. Es folgt Teil 2 mit Viskositätserhöhern, Gelbildnern, pH-Korrigenzien und Puffersystemen. Teil 3 schließt dann mit Feuchthaltemitteln, Süßungsmitteln und Aromastoffen. Los geht’s.

Lösungsvermittler – bei Löslichkeitsproblemen gefragt

Zunächst zu den Lösungsvermittlern: Diese Hilfsstoffe werden benötigt, um schlecht wasserlösliche Wirkstoffe in einer Rezeptur in Lösung zu bringen.

Ein wichtiger Mechanismus ist die Mizellenbildung. Mizellen sind kleine kugelförmige Strukturen, die aus Tensiden (oberflächenaktiven Substanzen) gebildet werden und lipophile (fettlösliche) Substanzen im Inneren aufnehmen können.

Daneben gibt es auch hydrotrope Substanzen, also Hilfsstoffe, die durch Veränderung der Wechselwirkungen zwischen Wasser und Wirkstoff dessen Löslichkeit erhöhen, wie beispielsweise Ethanol oder Propylenglykol. Diese hydrotropen Substanzen wirken als sogenannte Strukturbrecher in den Cluster-Strukturen des Wassers. Denn sie verändern WasserstoffbrĂĽckenbindungen und verbessern so die Löslichkeit hydrophober Wirkstoffe verbessern.

Eine weitere Gruppe der Lösungsvermittler sind die Solubilisatoren. Diese amphiphilen Hilfsstoffe besitzen sowohl einen wasser- als auch fettliebenden Anteil und können schwer lösliche Wirkstoffe in Mizellen einbetten. Dabei entstehen kolloidale oder klare Lösungen, je nach Größe der Mizellen. Beispiele für Solubilisatoren sind Polysorbate (z. B. Tween® 20 oder Tween® 80) und Macrogolfettsäureester. Aufgrund ihres oft unangenehmen Geschmacks und möglicher Wechselwirkungen mit dem Wirkstoff ist der Einsatz dieser Hilfsstoffe jedoch sorgfältig abzuwägen.

Der Einsatz von Solubilisatoren ist sorgfältig abzuwägen.

Auch Komplexbildner können zur Löslichkeitsverbesserung beitragen. Sie sind in der Lage, mit bestimmten Wirkstoffen wasserlösliche Komplexe zu bilden – ein bekanntes Beispiel ist die Kombination von Iod mit Kaliumiodid. Weitere komplexbildende Hilfsstoffe sind Weinsäure, Citronensäure und Natrium-EDTA. Weinsäure wirkt zum Beispiel in der Aluminiumacetat-Tartrat-Lösung als Lösungsvermittler und verhindert die Bildung unlöslicher Nebenprodukte.

Darüber hinaus sind zahlreiche weitere Hilfsstoffe als Lösungsvermittler im Einsatz. Dazu gehören:

  • ethoxyliertes (hydriertes) Rizinusöl wie Cremophor® RH 40
  • Macrogole
  • Lecithin
  • Glycocholat
  • Natriumbenzoat
  • Natriumsalicylat
  • mittelkettige Triglyceride (Miglyol® 812 / Neutralöl)

Auch moderne Hilfsstoffe wie Dermofeel® G 10 LW finden vereinzelt Anwendung. NatĂĽrliche Alternativen wie Zuckerderivate (z. B. Decylglucosid) oder pflanzliche Tenside spielen in der Naturkosmetik zunehmend eine Rolle.

Lösungsvermittler sind keine Emulgatoren
Wichtig ist, Lösungsvermittler von Emulgatoren zu unterscheiden: Während Lösungsvermittler die Löslichkeit eines Stoffes in einer Phase erhöhen, stabilisieren die Emulgatoren als Hilfsstoffe Emulsionen, also Mischungen aus zwei nicht mischbaren Phasen.

Konservierungsmittel – Schutz vor unerwünschten Keimen

Die nächste Gruppe der Hilfsstoffe sind die Konservierungsmittel. Wasserhaltige Rezepturen sind anfällig für mikrobielle Kontamination, weshalb Konservierungsmittel unbedingt erforderlich sind, wenn keine sterile Herstellung möglich ist. Sie ersetzen jedoch nicht die hygienische Herstellung oder die korrekte Lagerung der Zubereitung.

Die Aufgabe der Konservierungsmittel ist es, durch Zugabe in niedriger Konzentration das Wachstum von Mikroorganismen zu hemmen (bakteriostatisch) oder diese abzutöten (bakterizid). Unterdosierungen dieser Hilfsstoffe sind problematisch, da die Wirkung dann ausbleibt.

Selbst bei ausreichender Konzentration können Wirkverluste auftreten, wenn sich das Konservierungsmittel an Gefäßwänden, Gummistopfen oder Tenside bindet oder in lipophile Phasen abwandert – insbesondere bei Emulsionen. In solchen Fällen stehen die Konservierungsmittel nicht mehr als Hilfsstoffe in der wasserhaltigen Phase zur Verfügung, wo sie eigentlich wirken sollen.

Da Mikroorganismen auf Wasser als Lebensgrundlage angewiesen sind, müssen nur solche Zubereitungen konserviert werden, die Wasser enthalten. Wasserfreie Gele oder lipophile Grundlagen benötigen keine Konservierungsmittel. Emulsionen hingegen – vor allem vom Typ Öl-in-Wasser – sind besonders empfindlich, da Mikroorganismen in die äußere, wässrige Phase eindringen können. Deshalb ist dort ein geeigneter Hilfsstoff essenziell.

Zu den gebräuchlichen Konservierungsmitteln zählen Sorbinsäure und deren Salz Kaliumsorbat, Benzoesäure sowie Natriumbenzoat. Diese Hilfsstoffe sind jedoch nur bei niedrigem pH-Wert ausreichend antimikrobiell wirksam. Daher enthalten viele Rezepturen zusätzlich Citronensäure zur pH-Korrektur.

Auch Parabene wie Methyl-4-hydroxybenzoat (Nipagin®) und Propyl-4-hydroxybenzoat (Nipasol®) sind als Konservierungsmittel weit verbreitet. Während Nipagin® allgemein als unbedenklich gilt, steht Nipasol® aufgrund seiner möglichen hormonellen Wirkung insbesondere bei Säuglingen in der Diskussion.

Weitere gebräuchliche Konservierungsmittel sind Benzalkoniumchlorid, Chlorhexidin-Digluconat und Thiomersal. Die Auswahl unter diesen Hilfsstoffen richtet sich nach der Anwendungsform, dem pH-Bereich und Inkompatibilitäten – so sind viele kationische Konservierungsmittel mit anionischen Bestandteilen inkompatibel. Auch die Verarbeitbarkeit (z. B. als Stammlösung) ist praxisrelevant.

Antimikrobiell wirksam, wenn auch keine klassischen Konservierungsmittel, sind Ethanol, Isopropanol und Propylenglykol – allerdings erst ab Konzentrationen von 15 bis 20 Prozent. Sie sind pH-unabhängig wirksam, können jedoch hautreizend sein. Enthält eine Rezeptur bereits solche Hilfsstoffe, kann die konservierende Wirkung gegebenenfalls ausreichen – etwa bei hydrophilen Gelen oder MundspĂĽllösungen.

Die Wahl eines geeigneten Konservierungsmittels hängt immer auch von der Kundengruppe ab. FĂĽr Säuglinge gelten strengere MaĂźstäbe: Während Sorbinsäure und Kaliumsorbat als gut verträglich gelten, sind Benzoesäure und deren Salze wegen langsamer Verstoffwechselung in den ersten Lebensmonaten nur eingeschränkt geeignet.

Alle eingesetzten Konservierungsmittel müssen als Hilfsstoffe auf dem Etikett deklariert werden – ebenso wie Zuckeraustauschstoffe.

Konservierungsmittel im Ăśberblick

Einige bewährte Konservierungsmittel aus der Praxis:

  • Kaliumsorbat: 0,14 % (zusammen mit 0,07 % wasserfreier Citronensäure)
  • Natriumbenzoat: 0,15 %
  • Methyl-4-hydroxybenzoat: 0,075 %
  • Kombination aus 0,05 % Methyl-4-hydroxybenzoat + 0,025 % Propyl-4-hydroxybenzoat

Antioxidanzien – der Sauerstoffschutz

Die dritte Klasse der hier beschriebenen Hilfsstoffe sind die Antioxidanzien. Viele Wirkstoffe reagieren empfindlich auf Sauerstoff und oxidieren leicht, wodurch sie an Wirksamkeit verlieren oder sogar toxische Abbauprodukte bilden können. Besonders oxidationsempfindlich sind Substanzen mit ungesättigten Fettsäuren. Sie verderben rasch und erzeugen dann ranzige Gerüche und einen unangenehmen Geschmack.

Die Oxidation erfolgt häufig als sogenannte Autoxidation – eine Kettenreaktion, die durch Luftsauerstoff ausgelöst und durch Licht, Wärme oder Spuren von Schwermetallen zusätzlich beschleunigt wird. Hilfsstoffe wie Antioxidanzien können diese Reaktion entweder verhindern oder unterbrechen.

Man unterscheidet präventive Antioxidanzien, die die Entstehung freier Radikale unterbinden, und kettenabbrechende Antioxidanzien, die bereits gebildete Radikale neutralisieren.

Typische Vertreter lipophiler Antioxidanzien – also für fetthaltige Rezepturen – sind:

  • Vitamin E (Tocopherol)
  • Butylhydroxytoluol (BHT)
  • Butylhydroxyanisol (BHA)

FĂĽr wasserhaltige Zubereitungen eignen sich als Hilfsstoffe hydrophile Antioxidanzien wie:

  • Ascorbinsäure (Vitamin C)
  • Natriummetabisulfit.

Zur Verstärkung der Wirkung von Antioxidanzien können als Hilfsstoffe auch Synergisten wie Citronensäure, Weinsäure oder Natrium-EDTA zugesetzt werden. Diese wirken selbst nicht antioxidativ, aber sie binden Schwermetalle, die sonst als Katalysatoren für die Oxidation wirken könnten.

Auch die Herstellungsweise beeinflusst neben den genannten Hilfsstoffen die Stabilität: Hochdrehende automatische RĂĽhrer homogenisieren zwar effizient, schlagen aber Luft in die Zubereitung ein – was die Oxidation beschleunigt. Der Hubboden sollte daher vor der Verarbeitung so weit wie möglich nach oben geschoben werden.

Bei empfindlichen Wirkstoffen wie Lebertran oder fettlöslichen Vitaminen sollte auf solche Verfahren ganz verzichtet werden. Ideal ist in diesen Fällen die Herstellung unter Luftabschluss oder die Verwendung von Spendergefäßen mit verschiebbarem Boden, da diese das Lufteinschlussvolumen minimieren und die Zugabe von Hilfsstoffen wie Antioxidanzien unnötig machen.

Ein bewährter Tipp aus der Praxis ist es zudem, in Emulsionen ein lipophiles mit einem hydrophilen Antioxidans zu kombinieren – zum Beispiel Tocopherol mit Ascorbinsäure. Mit diesen Hilfsstoffen schĂĽtzt man beide Phasen der Zubereitung wirksam.

Quellen:
Iris Cutt: “Wurm: Galenische Übungen“, Govi, 20. überarbeitete Auflage 2019.
https://www.dac-nrf.de/

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