Ein Mann in weißem Poloshirt sprüht Nasenspray in die Luft, vor dunklem Hintergrund ist der Sprühnebel detailliert erkennbar.© Malikov Aleksandr / iStock / Getty Images Plus
Über die Nasenschleimhaut wirkt Fentanyl schnell, deshalb verschreiben Ärzte es häufig in Form von Nasensprays.

Rezeptur – Mischen possible

SCHMERZ LASS NACH – SPRÜHEN, KLEBEN ODER DOCH SCHLUCKEN?

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Das Thema Schmerz ist ein sehr weites Feld. Es umfasst zahlreiche Indikationen, kann alle Organe betreffen und es gibt viele Behandlungsmethoden. Deshalb wird es  wie kaum ein anderes Thema schon in der PTA-Ausbildung auf das Genaueste und Strengste geschult. Im Handverkauf zählen  die berühmten Fragen der ABDA; wer kennt sie nicht?: „Für wen, wie oft, seit wann, noch andere Medikamente?“

Diese gelten natürlich für alle freiverkäuflichen Arzneimittel, aber wenn wir ehrlich sind, bei Schmerzmitteln fragen wir doch etwas genauer nach, oder? Mir geht es oft so, denn ich habe den Eindruck, dass in diesem Bereich immer noch viel Beratungsarbeit geleistet werden muss. Denn viel hilft eben nicht immer viel, sondern richtet auch Schaden an -  selbst wenn es „nur“ um Paracetamol geht.

Andere Länder, andere Tabletten

Umso spannender finde ich das weltweit unterschiedliche Verhalten gegenüber  Schmerzmitteln. Menschen aus den USA sind oft irritiert, wenn sie erfahren, dass die größte Packung Aspirin® 80 Tabletten enthält und Generika wie ASS ratiopharm® oder ASS Zentiva® maximal 100 Tabletten – und in Deutschland eben keine Flaschen mit mehreren 100 Tabletten verkauft werden. Auch, dass nicht sofort Oxycodon verordnet wird, wenn man sich den Fuß verstaucht hat, sorgte schon für Fragezeichen.

Besucher aus afrikanischen Ländern geht es genau andersherum, sie sind glücklich, dass es Schmerzmittel ohne Verordnung gibt, weniger darüber, dass Antibiotika hier sehr wohl verschreibungspflichtig sind.

Beliebtes Betäubungsmittel

Über das Schmerzmittel, das uns auch in der Rezeptur heimsucht, möchte ich hier berichten. Es geht um Fentanyl. Aus medizinischer Sicht absolut unverzichtbar, vor allem in der Notfallversorgung und bei der Tumorbehandlung.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Bei Fentanylcitrat oder –hydrogencitrat handelt es sich um ein synthetisches Analgetikum, welches sich vom Morphium ableiten lässt. Somit zählt es zu den Betäubungsmitteln und unterliegt sämtlichen Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes und der Betäubungsmittelverschreibungsverordung. Des Weiteren ist es aber auch in fast allen Ländern dieser Erde in der Drogenszene vertreten.

Vor allem manche Staaten in den USA verzeichnen sehr hohe Zahlen, was den Missbrauch von Fentanyl anbelangt. Aber auch hier in Deutschland sind die Fallzahlen alarmierend angestiegen. Experten vermuten, dass zum Beispiel Heroin mit dem günstigeren Fentanyl verschnitten wird. Mit aus diesem Grund weisen Behörden immer wieder darauf hin, Fentanyl-haltige Pflaster sachgemäß zu entsorgen, weil durchaus Mülleimer danach durchwühlt werden, vor allem die von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wie Altenheimen.

Fentanyl in der Rezeptur

Doch kehren wir zurück zur Rezeptur. Wir stellen recht viel Fentanylnasenspray her, da Nasensprays leicht zu handhaben sind und die Wirkung schnell eintritt. Die Verordnungen sind in den meisten Fällen für ältere oder schwerstkranke Kunden.

Bei multimorbiden Kunden muss man auch immer die monatlich erlaubte Höchstmenge im Auge behalten und ob nicht eventuell ein „A“ auf dem Btm-Rezept ergänzt werden muss. Das wird interessant, wenn zusätzlich noch Pflaster verordnet werden.

Achtung, „A“:
Die erlaubte Höchstmenge, die pro Person im Monat an Fentanyl verordnet werden darf, liegt bei 500 Milligramm (mg).

Nie auf Zuruf

Da wir uns hier in einem dokumentationsintensiven Bereich befinden, stellen wir die Rezeptur nur her, wenn uns das Rezept vorliegt. Sei es im Original, als Fax, Mail oder auch WhatsApp Foto. So können wir die Rezeptur korrekt zu ordnen, haben den Namen des Verschreibenden vorliegen und können kontrollieren, ob das Rezept noch innerhalb seiner Gültigkeit von sieben Tagen liegt. Wurde uns das Rezept vorab übermittelt und liegt nicht im Original vor, muss der Kunde das das zweiteilige Originalrezept natürlich zur Abholung mitbringen. Nur so bekommt er das Nasenspray ausgehändigt.

Fertigarzneimittel statt Rezeptur abgeben?

Vielen Ärzten ist es nicht bewusst, dass es  auch ein Fertigarzneimittel gibt: Instanyl®. Allerdings ist hier die Dosisauswahl nicht so groß, Instanyl® wird mit 50 Mikrogramm pro Hub (µg/Hub), 100 µg/Hub und 200 µg/Hub produziert. Dafür hat es der Preis in sich: Er liegt für alle Stärken bei 491,91 Euro, das Füllvolumen beträgt fünf Milliliter (ml). Wenn wir es  als Rezeptur herstellen, sind wir weit unter diesem Preis, 50 µg/Hub kosten 18,28 Euro, 100 µg/Hub liegen bei 22,03 Euro und 200 µg/Hub bei 27,51 Euro . Zu allen Preisen muss natürlich noch die Betäubungsmittelgebühr (Btm-Gebühr) dazu gerechnet werden, aber die 4,28 Euro reißen es auch nicht heraus. Außerdem haben die meisten Anfertigungen zehn Milliliter.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass man bei den Standartdosierungen nur noch das Fertigarzneimittel abgibt, dann bekommt man aber vermutlich irgendwann Ärger mit der Krankenkasse. Allerdings gibt es eine Ausnahme: wenn die verordnete Gesamtmenge so klein ist, dass kein genaues Einwiegen mehr möglich ist.

Dieser Fall kam vor kurzem in einer unseren Filialen vor, ein Anruf der Kollegin: sie hat ein Rezept vorliegen mit Fentanylnasenspray 50 µg/Hub 1,8 ml. Wie soll das gehen? Selbst die Analysenwaage hat nicht ausreichend Nachkommastellen. In diesem Fall wurde dann Instanyl® 50 µg/Hub 1,8 ml abgegeben und auf dem Rezept eine entsprechende Bemerkung notiert.

Häufige Fentanylrezepturen

Und was stellen wir dann jetzt in der Rezeptur her? Unser Spektrum reicht von 12 µg/Hub bis 400 µg/Hub, mit unterschiedlichsten Konservierungsmitteln. Die Standardgrundlage ist isotonisches konserviertes Wasser, es kommen in besonderen Fällen aber auch isotonische Kochsalzlösung konserviert mit edetathaltiger Benzalkoniumchlorid- Stammlösung 0,1 Prozent pH 4,6 Neues Rezeptur Formularium(NRF)  S.18 vor oder Benzylalkohollösung 150 mg/ml. Diese Ausnahmen bekommen immer die gleichen Kunden verschrieben.

Isotonisches konserviertes Wasser:
100 ml  Lösung enthalten Natriumchlorid 0,9 g,
konserviertes Wasser 99,05 Gramm.

Edetathaltige Benzalkoniumchlorid- Stammlösung 0,1 % pH 4,6 NRF S.18:
100 ml Lösung enthalten Benzalkoniumchloridlösung (500 g/l ) 0,197 g,
Natriumedetat (Dinatriumedetat- Dihydrat) 1,0 g,
Wasser für Injektionszwecke zu 100,0 g.

Wenn ein Arzt anruft oder anrufen lässt, da er sich bei der Verordnung unsicher ist, empfehlen wir immer die Standardvariante mit isotonischem konserviertem Wasser.

Tipps für die Herstellung

Da wir uns mit der Rezeptur im unteren Grammbereich und Mikrogrammbereich bewegen, empfehle ich grundsätzlich die Analysenwaage zu nutzen. Es sei denn, es wird eine so große Menge hergestellt, dass sie außerhalb des Wägebereiches liegt. Der Wirkstoff Fentanylcitrat muss aber grundsätzlich auf der Analysenwaage abgewogen werden, am besten direkt in das Becherglas, das dann mit dem entsprechenden Lösungsmittel aufgefüllt wird – so entstehen keine Verluste.

Auf Vorrat

Kommt diese Rezeptur häufiger vor, bietet es sich an, das eine oder andere als Stammlösung vorrätig zu haben, weil es den Alltag etwas entspannt. Wir haben als Stammlösung immer  isotonisches konserviertes Wasser vorrätig. Nicht zu vergessen ist das korrekte Etikettieren der Stammlösung mit den Chargen der Ausgangsstoffe, dem Herstellungs- und Verwendbarkeitsdatum. Auch sollte man das Gefäß regelmäßig austauschen, um Verunreinigungen zu vermeiden.

In den letzten zwei oder drei Jahren haben sich auch gewisse „Lieblingswirkstärken“ der Ärzte herauskristallisiert, sodass wir immer ein Vorrat an von uns hergestelltem Fentanyl Nasenspray 50 µg/Hub im Betäubungsmittel-Tresor (BtM-Tresor) lagern haben, denn damit haben wir gleich drei Stärken abgedeckt, die wir nun nur noch schnellabgefüllen müssen: als erstes natürlich 50 µg/Hub selbst, dann aber auch 25 µg/Hub und 12,5 µg/Hub. Bei der letzten Stärke geht das natürlich nur, wenn es die verordnete Gesamtmenge hergibt, und die kleine Menge an höherdosiertem Nasenspray abwiegbar ist. Sonst muss Fentanylcitrat individuell abgewogen werden.

Die Vorratshaltung erleichtert vor allem abends oder auch samstags die Belieferung solcher Verordnungen. Gerade samstags haben wir im Moment ein hohes Kundenaufkommen, welches uns natürlich freut, aber eben auch dafür sorgt, dass nicht mal eben zwei PTA oder eine PTA und eine Apothekerin in der Rezeptur verschwinden können, um Fentanylnasenspray herzustellen.

Vier Augen sehen mehr

Denn Btm-Einwaagen werden bei uns grundsätzlich nach dem Vier-Augen-Prinzip vollzogen. Abfüllungen und Verdünnungen nicht unbedingt, da zeigen wir die dokumentierten Einwaagen vor. Empfehlenswert für die Dokumentation der Einwaagen von BtM ist ein an die Analysenwaage angeschlossener Drucker. So kann alles sofort erfasst werden und macht es der Apothekerin oder dem Apotheker, die für die Dokumentation der BtM zuständig sind, deutlich leichter. Auch ein eventueller Verlust lässt sich damit einfach und schnell dokumentieren.

Organisation und Vorratshaltung

Bitte denken Sie auch hier daran: Das Vorratsgefäß für die Stammlösung oder auch das Nasenspray, aus dem Sie kleinere Mengen abfüllen, müssen ordentlich etikettiert und deklariert sein. Besonderes Augenmerk ist auf das Aufbrauchsdatum zu richten. Alles, was aus dieser Stammlösung hergestellt wird, bekommt besagtes Datum. Wird das Nasenspray dann vom Kunden verwendet, ist eine Haltbarkeit von sechs Wochen vertretbar. Das gibt das NRF für ein konserviertes Nasenspray in einem Mehrdosenbehältnis so vor. 

Apropos Gefäß:Es kann nicht jeder Nasensprühaufsatz verwendet werden. Der Gehalt  an Fentanyl wird in µg/Hub angegeben, dabei muss also genormt sein, wie groß ein Hub ist. Die Berechnung bezieht sich immer auf eine Sprühmenge von 0,14 ml in einem Hub. Das sollten Sie also im Auge haben, wenn Sie Ihre Sprühaufsätze beziehen.

Für die Lagerung des Vorrates gelten natürlich die gleichen Vorschriften wie für alle Betäubungsmittel in der Apotheke: Lagerung im Tresor und, wenn notwendig, ein entsprechendes Vernichtungsprotokoll. Noch ein kleiner Hinweis: Um gute Kontrolle über den Fentanylvorrat zu haben, bietet sich es an, das neue Gefäß samt Inhalt zu wiegen und das Ursprungsgewicht zu dokumentieren.

Identitätstest

Die erste Entnahme aus dem Gefäß sollten die fünf Milligramm für den Indentitätstest sein, der bei Fentanylcitrat mitgeliefert wird. Dieser funktioniert fast wie ein Schwangerschaftstest. Besagte Menge Wirkstoff wird in 50 ml gereinigtem Wasser gelöst und mit beiliegender Pipette werden zwei bis drei Tropfen Lösung auf das entsprechende Testfeld gegeben. Erscheinen die erlaubten Linien, ist der Test positiv und das Ergebnis kann dokumentiert werden.

Dokumentation

Wir dokumentieren vom Identitätstest über das Abwiegen bis hin zur individuellen Rezeptur alles  im Laborprogramm. Generell kann auch bei diesen Rezepturen die Nutzung eines solchen Programmes nur empfehlen, nicht nur, weil es das Arbeiten und die Buchführung deutlich erleichtert, sondern auch Rückfragen von Kunden und Ärzten können deutlich schneller beantwortet werden.

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