Vier Sprechblasen in unterschiedlichen Farben und Formen© nadia_bormotova / iStock / Getty Images Plus
Zum Austausch von Biosimilars sind noch immer Details offen. Die verschiedenen Standpunkte wurden kürzlich bei einer Podiumsdiskussion deutlich.

Diskussion

BIOSIMILAR-AUSTAUSCH BLEIBT BIS JUNI UNSICHER

Seit 15. März sind Apotheken, die Zubereitungen zur parenteralen Anwendung herstellen, zum Austausch von sechs biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln gegen günstigere Biosimilars verpflichtet. Das hatte der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschlossen. Doch die Details sind immer noch unklar.

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Im Gegensatz zu Generika enthalten Biologika nicht nur einen chemischen Wirkstoff, sondern der Inhalt ist auch abhängig vom Herstellungsverfahren und anderen Faktoren. Das macht den Austausch kompliziert. In Zubereitungen zur parenteralen Anwendung sollen Apotheken sie seit Mitte März dennoch durch preisgünstigere Biosimilars ersetzen.

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) verhandelt derzeit noch über die genauen Regeln mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV). Eine Einigung auf konkrete Verträge und die Umsetzung in der Lauer-Taxe ist dem Vernehmen nach wohl bis zum 1. Juni in Sicht. Doch es gibt nach wie vor einige Bedenken.

Kassen wollen bei Biologika sparen

Ein Zusammenschluss von neun Herstellern biotechnologischer Arzneimittel namens ProBiosimilar hatte kürzlich zu einer Podiumsdiskussion mit Vertretern der Krankenkassen, der Apothekerverbände und des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) geladen. Dabei kamen die unterschiedlichen Positionen gut ans Licht.

Bei der Veranstaltung ging es in erster Linie um die kürzlich in Kraft getretene Austauschpflicht bei biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln, sogenannten Biologicals beziehungsweise Biologika. Vom Beschluss des G-BA sind sechs Originalprodukte betroffen, und das auch bisher nur für die Herstellung parenteraler Zubereitungen zur unmittelbaren ärztlichen Anwendung. Apotheken sollen hier wirkstoffbezogen ein preisgünstiges Produkt auswählen, das in mindestens einem Anwendungsgebiet und den Applikationsarten übereinstimmt. Existiert ein Rabattvertrag (dies ist aktuell nicht der Fall), ist keine weitere Wirtschaftlichkeitsprüfung nötig. Kalkuliert werden sollen die Zubereitungen aber wohl nach der Hilfstaxe.

BMG: Lieber Kosten drücken als Leistungen streichen

Thomas Müller, Abteilungsleiter der Abteilung für Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im BMG, wies darauf hin, dass Gesundheitsminister Lauterbach keine Leistungskürzungen anstrebe. Daher müsse man „weitere Potenziale“ ausschöpfen. Die Entscheidung, für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel nun auch eine Austauschpflicht einzuführen, sei richtig gewesen, betont Müller. Die aktuellen Lieferengpässe bei Generika führt Müller auch auf globale Gründe zurück.

Konkret hofft er, durch die im kommenden Gesetz geplante Stärkung der Hilfstaxe einen Preiswettbewerb zu schaffen. Rabattverträge wie bei Generika hält er für eher unwahrscheinlich, denn herstellende Apotheken könnten nicht von einem Tag auf den anderen das Produkt wechseln. Rabattverträge in Verbindung mit festen Preisen in der Hilfstaxe lehnt auch der DAV nachdrücklich ab.

Biologika sind nicht Generika

Dr. Christopher Kirsch von Sandoz/Hexal, stellvertretender Vorsitzender von ProBiologicals, warnt dagegen vor den möglichen Folgen des G-BA-Beschlusses. Er sei „handwerklich wirklich schlecht gemacht“ und es sei „bedauerlich, dass wir Biologika in ein System gießen, das für Generika nicht funktioniert“.

Die Entwicklungskosten für Biologicals, so Kirsch, lägen etwa 30-mal höher als die bei Generika. Dazu käme die energie- und personalaufwendige Herstellung. Der Zwang zum Austausch befördere „ein Modell, das zwangsläufig dafür sorgt, dass der günstigste Hersteller nicht mehr in Europa ist“.

Offene Fragen, fehlende Sicherheit

Kirsch bemängelt, dass entscheidende Fragen im Beschluss offen blieben: der G-BA habe die Wirkstoffdefinition nicht geliefert und auch keine Definition, was „preisgünstig“ genau bedeutet. Es gebe keinen Vertrag und keine Regelungen zur Übergangszeit.

Stefan Fink, Vorstandsmitglied des DAV, fordert einen in der Hilfstaxe festgelegten angemessenen Arbeitspreis, der Arbeit und Aufwand honoriert und die Strukturen sichert. Rabatte dagegen sollten seiner Meinung nach abgeschafft werden, damit keine Lieferengpässe wie bei Generika entstünden. Bei den Preisen sei man sich aber noch nicht einig, und auch die Übergangszeit ohne rechtssichere Lösungen gleiche einem „Flug im Nebel“.

Christiane Müller, Geschäftsführerin des Verbandes der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), betont: Eine Einigung auf für die Kassen günstigere Preise sei möglich, wenn die Apotheken abgesichert seien für den Fall, dass das Arzneimittel nicht zu dem festgelegten Preis verfügbar ist. Ab dem 1. Juni, wenn das Verhandlungsergebnis in Kraft treten soll, sieht sie eine „neue Welt“. Bis dahin müssen die Apotheken damit leben, dass es keine rechtssichere Lösung gibt.

Wer verliert im Preiswettbewerb?

Erwartet wird ein fester Milligramm-Preis für alle Wirkstoffe, der dann auch für die Originalprodukte gilt. Aktuelle Preisabfragen bilden anschließend die Grundlage für die Preise der Hilfstaxe. Die Hoffnung: ein Preiswettbewerb, der den Kassen die erhofften Einsparungen bringt, die Apotheken aber absichert. Es bleibt abzuwarten, ob das gelingt. Denn Thomas Müller vom BMG räumt ein: Der gewollte Preiswettbewerb bedeutet auch, dass am Ende einer verliert.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/beim-biosimilar-austausch-sind-noch-viele-fragen-offen-146338/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/03/22/bmg-will-hilfstaxe-staerken
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/biosimilars-werden-generika-20/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2023/07/20/apotheken-im-pharmagold-rausch

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