Winzige, bunte Plastikteile rieseln von einer Fingerspitze© wildpixel/iStock/Getty Images
Klein, aber oh-oh: Wir atmen ĂŒberraschend viel Mikroplastik ein.

Lunge

STUDIE: SO VIEL MIKROPLASTIK ATMEN WIR TÄGLICH EIN – VOR ALLEM ZU HAUSE

Was passiert, wenn Menschen tĂ€glich zehntausendfach Mikroplastik einatmen? Besonders in Wohnungen und Autos passiert das stĂ€ndig. Eine neue Studie zeigt, wie groß die Belastung wirklich ist und welche Gefahr durch Mikroplastik besteht.

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Menschen atmen Berechnungen zufolge deutlich mehr Mikroplastik ein, als bislang angenommen. Besonders in InnenrĂ€umen wie Wohnungen und in Autos könnten laut einer Studie tĂ€glich im Schnitt rund 68000 winzige Plastikpartikel in die Atemwege eines Erwachsenen gelangen – bei Kindern sind es etwa 47000. Das bedeutet, dass viele Menschen regelmĂ€ĂŸig Mikroplastik einatmen, ohne sich der potenziellen Folgen bewusst zu sein.

Forschende um Nadiia Yakovenko vom Geowissenschaftlichen Institut der UniversitÀt Toulouse berichten in der Fachzeitschrift PLOS One, dass die Belastung mit besonders kleinen Teilen zwischen einem und zehn Mikrometern Durchmesser weit höher liegt als zuvor vermutet. Die Teilchen sind so klein, dass das Mikroplastik tief in die Lunge eindringen kann.

Mikroplastik in der Lunge

Teilchen dieser GrĂ¶ĂŸe gelten als besonders problematisch, weil sie tief in die Lunge vordringen und dort möglicherweise EntzĂŒndungen, ZellschĂ€den oder andere gesundheitliche Probleme auslösen können. Diese Gefahr durch Mikroplastik war lange unterschĂ€tzt worden. FrĂŒhere SchĂ€tzungen, die auf grĂ¶ĂŸeren Partikeln basierten, lagen rund hundertfach niedriger. „Die tatsĂ€chliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bislang massiv unterschĂ€tzt“, heißt es in der Studie.

„Die tatsĂ€chliche Belastung durch eingeatmetes Mikroplastik wurde bislang massiv unterschĂ€tzt.“

Wo wir Mikroplastik einatmen: InnenrĂ€ume stark belastet – besonders Autos

Gemessen wurde die Belastung unter anderem in Privatwohnungen und in AutoinnenrĂ€umen in SĂŒdfrankreich. WĂ€hrend in WohnrĂ€umen im Schnitt 528 Partikel Mikroplastik pro Kubikmeter Luft nachgewiesen wurden, lag die Konzentration in Autos mit 2238 Partikeln deutlich höher. 94 Prozent dieser gefundenen Teilchen war kleiner als zehn Mikrometer – also fĂ€hig, in die Lunge einzudringen. Wer in solchen Umgebungen lĂ€ngere Zeit verbringt, kann besonders viel Mikroplastik einatmen.

Die Hauptquellen der Gefahr durch Mikroplastik sind laut Studie der Abrieb von Textilien, Kunststoffmöbeln oder der Innenverkleidung von Fahrzeugen. Die Mehrheit der nachgewiesenen Partikel bestand aus Polyethylen und Polyamid – Kunststoffe, die hĂ€ufig in Alltagsprodukten vorkommen und so leicht als Mikroplastik in der Lunge landen können.

Gefahr durch Mikroplastik: Wie der Körper damit umgeht

Die gesundheitlichen Auswirkungen sind bislang kaum erforscht. Einige der winzigen Partikel können tief in die Lunge eindringen und dort möglicherweise EntzĂŒndungsprozesse auslösen. Die Frage, wie unser Organismus mit Mikroplastik in der Lunge umgeht, ist noch weitgehend unbeantwortet.

Was ist schlimmer? Mikroplastik oder Feinstaub?

Eleonore Fröhlich von der Medizinischen UniversitĂ€t Graz und Professorin an der UniversitĂ€t TĂŒbingen weist darauf hin, dass Mikroplastik nach dem Einatmen zwar potenziell gesundheitlich relevant ist – im Vergleich zur deutlich höheren Belastung durch Feinstaub jedoch derzeit als weniger gravierend einzuschĂ€tzen sei. Feinstaub enthalte oft toxischere Substanzen und sei in deutlich grĂ¶ĂŸeren Mengen in der Luft vorhanden. Dennoch stellt auch das Einatmen von Mikroplastik eine potenzielle gesundheitliche Bedrohung dar.

Auch die Form der Partikel spielt eine Rolle: WĂ€hrend Feinstaub meist aus eher runden Partikeln besteht, handelt es sich bei Mikroplastik oft um Fasern oder unregelmĂ€ĂŸige Fragmente. Diese Form begĂŒnstigt, dass Mikroplastik in der Lunge verbleibt – vor allem, wenn es sich an Verzweigungen der Atemwege ablagert. Weil solche Ablagerungen die Funktion der Lunge beeintrĂ€chtigen können, erhöhen sie die Gefahr durch Mikroplastik. Die Lunge kann solche Partikel nur begrenzt abtransportieren, was chronische Probleme begĂŒnstigt.

Forschung steht noch am Anfang

Die Autor*innen der Studie betonen, dass ihre Ergebnisse ein starkes Argument dafĂŒr seien, die gesundheitlichen Folgen des Mikroplastik-Einatmens in InnenrĂ€umen systematisch zu erforschen. Menschen in modernen Gesellschaften verbringen rund 90 Prozent ihrer Zeit in geschlossenen RĂ€umen – potenziell also in einer Umgebung mit erhöhter Belastung durch Mikroplastik in der Luft, die langfristig zu Ablagerungen von Mikroplastik in der Lunge fĂŒhren kann.

Berechnete Werte mit Unsicherheiten

Der direkte Nachweis von Mikroplastik in der Lunge wurde im Rahmen der Studie nicht versucht. Stattdessen wurden Luftproben in InnenrĂ€umen genommen und auf dieser Basis berechnet, wie viele Partikel Mikroplastik beim Einatmen theoretisch aufgenommen werden – etwa im Alltag zu Hause oder im Auto. Dabei legten die Forschenden Standardwerte fĂŒr das Atemvolumen ruhender Personen zugrunde.

Professorin Fröhlich weist darauf hin, dass die Daten auf Messungen aus relativ kleinen Luftvolumina und auf der Analyse nur eines kleinen Teils der Gesamtprobe basieren und deshalb mit Unsicherheiten behaftet sein können: „Jeder kleine Messfehler setzt sich fort.“ Zudem könne körperliche AktivitĂ€t die tatsĂ€chliche Aufnahme deutlich erhöhen – und damit auch die Gefahr durch Mikroplastik und Feinstaub. FĂŒr belastbare Aussagen sei eine breitere Datengrundlage notwendig.

Quelle: dpa

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