Fragezeichen.© yestock / iStock / Getty Images Plus

Was wäre die Welt ohne ...

... ANTIFALTEN-CREME?

Ach, was wäre die Welt wohl ohne Luxus? Nicht zum Aushalten, befindet die Kosmetikindustrie – und stellte jetzt die teuerste Creme der Welt vor. Im Nachfüllpack. Für schlappe 1900 Euro.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Wir Journalisten bekommen ja immer viele Pressemeldungen direkt aufs Laptop, und eine fiel mir besonders auf. Ich möchte sie Ihnen nicht vorenthalten. Eine Schweizer Beauty-Marke entsandte die Nachricht, dass ihre Nobelcreme N°1 wieder zu haben ist. Man habe sich jetzt dem Nachhaltigkeitstrend angepasst und bietet das Ganze, mit Svarowski-Kristallen besetzte Behältnis, zum Supersonderpreis an, weil’s ja nur Refill ist. Ansonsten, sozusagen im Urzustand, kostet das Döslein 3900 Franken, was ungefähr demselben Wert in Euro entspricht.

Ein Schweizer Dermatologe sprach dazu folgende Worte: „Luxus und Nachhaltigkeit lassen sich super vereinen.“ Man erwähnt Rekordumsätze in Amerika, China, Russland und Arabien (aha!). Für die W/O-Emulsion (oder ist es eine O/W?) wurden extra pflanzliche Stammzellen der Alpenrose „über mehrere Jahre aufwendig gezüchtet“ und mittels eines besonderen Verfahrens „in das Produkt integriert“.

Außerdem enthalten: Der Inhaltsstoff Snow Algae. Das ist wohl eine Alge, die sogar auf Gletschern in der Antarktis wächst. Das dazugehörige Fotomodell sieht folgerichtig aus wie die Schneekönigin, so weiß und kalt – brrrr! Kein Wunder: „Die Haut wird resistenter gegen schädliche Umwelteinflüsse und kann Feuchtigkeit langfristig speichern. Dadurch werden Falten und lichtbedingte Veränderungenminimiert und die Kollagenproduktion aktiviert“. Snow Algae, liebe Leserin, kann sogar im Weltall überleben!

Sie ist damit meines Wissens die einzige Creme, die man auch beim gebuchten Raumfahrtflug nutzen kann, denn bei der Kälte da oben fällt einem ja sonst die Haut aus dem Gesicht. Diese Creme ist also eine Antifaltencreme, sie wird im Pressetext auch so benannt, und es scheint Menschen zu geben, die bereit sind, dafür viel Geld zu bezahlen. Innerhalb des letzten Jahres verzeichnete der Hersteller Rekordumsätze, sagt er, und die Creme sei in den erwähnten Ländern „ein beliebtes Geschenk – zum Geburtstag, zu Weihnachten oder einfach als kleine Aufmerksamkeit.“

Ich sehe Schreckliches auf die Branche zukommen, denn nicht mal Oligarchen kommen ja heute noch so ohne weiteres an ihre Penunzen ran, da fällt dieser Einnahmezweig schon mal weg. Wir andern sollten uns vielleicht die Frage stellen, ob Falten wirklich so furchtbar sind oder ob sie dazugehören zu einem gelebten Leben. Damit die Gräben nicht so tief werden, sollte man natürlich seine Haut pflegen und es gibt dazu ja wirklich hübsche Sachen aus der Apotheke, jede PTA weiß das.

Wahrscheinlich geht es hier aber gar nicht um Falten, sondern um Zugehörigkeiten. Und wissen Sie, wer den Grundstein dazu gelegt hat? Helena Rubinstein war das. Die tuckerte um 1900 über den großen Teich und hatte ein paar Döschen Kräutercreme im Gepäck, von ihrem apothekernden Onkel eigenhändig zusammengerührt. Die Zwanzigjährige bot sie den Farmersfrauen ihrer neuen Heimat an – und fand reißenden Absatz.

Der Onkel konnte gar nicht so schnell nachproduzieren und Helena erfand den Schönheitssalon, wurde steinreich, aber leider nicht richtig glücklich. Falls sie jetzt doch ein Döschen der teuersten Creme der Welt ordern wollen: keine Chance. Die gibt es nur in der Schweiz und hier auch nur in ausgewählten Kosmetikstudios und speziellen Fachgeschäften. Können Sie schade finden, müssen es aber nicht.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 auf Seite 146.

Alexandra Regner, PTA und Medizinjournalistin

×