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FÜR PTA GAB ES NUR EIN REFÖRMCHEN

Jens Spahn hat bei der Modernisierung vieler Gesundheitsberufe Gas gegeben. Doch nach vier Jahren steht fest: Das PTA-Reformgesetz ist aus Sicht der Berufsgruppe kein großer Wurf geworden.

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Zank kurz vor Weihnachten – den will keiner. In der Politik ist das nicht anders als im Familien- und Freundeskreis. Und doch fängt der Bundesrat kurz vor Weihnachten 2019 noch Streit an, und zwar wegen der Modernisierung des PTA-Berufs. Am 20. Dezember soll er dem PTA-Reformgesetz zustimmen, das Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf den Weg gebracht hat. Der Deutsche Bundestag hat es zuvor bereits verabschiedet. Doch der Bundesrat ist unzufrieden mit dem Ergebnis. So sehr, dass die verantwortlichen Ländervertreter sogar überlegen, den Vermittlungsausschuss zur Streitschlichtung anzurufen. Das kommt in der Gesundheitspolitik so gut wie nie vor.

Keine tatsächliche Assistenz Zähneknirschend winkt der Bundesrat das PTA-Reformgesetz am Ende durch. Doch er fasst eine Entschließung, die deutliche Worte enthält: „Dem Gesetz ist es nicht gelungen, einen Ausbildungsberuf zu schaffen, der zukunftsorientiert als tatsächliche Assistenz des Pharmazeuten ausgestaltet ist.“ Es ändere sich zu wenig, „um einer angehenden PTA die erforderlichen Fähigkeiten, Qualifikationen und Handlungskompetenz, insbesondere für eine eigenverantwortliche Arzneimittelabgabe ohne Fachaufsicht durch einen Apotheker, zu vermitteln“.

Außerdem steigere das neue Gesetz nicht die Attraktivität des Berufs, „zum Beispiel durch eine Schulgeldabschaffung und Zahlung einer Ausbildungsvergütung über den gesamten Zeitraum der Ausbildung“. Dabei ist beides für alle Gesundheitsfachberufe erklärtes Ziel, erinnern die Ländervertreter. Auch, damit sich junge Menschen aus Überzeugung entscheiden, PTA, medizinische Fachangestellte oder Krankenpfleger zu werden. Und nicht, weil eine Ausbildung bezahlt wird und eine andere nicht. Der Bundesrat verlangt, dass die Bundesregierung das Ganze bald in einem neuen Gesetzgebungsverfahren nachbessert. In wesentlichen Teilen tritt das PTA-Gesetz erst 2023 in Kraft.

Überblick: Das neue PTA-Gesetz
+ Eine dreijährige Ausbildung konnten weder der Berufsverband noch andere Fachleute durchsetzen.
+ Die Abschaffung von Schulgeld ist nicht verpflichtend vorgesehen.
+ Eine Ausbildungsvergütung wird nur während des halben Jahrs der praktischen Ausbildung bezahlt, nicht durchgängig.
+ Eine echte Vertretungsbefugnis gibt es weiterhin nicht. Regelungen zur eigenständigen Arbeit unter Verantwortung von Apothekern oder Apothekerinnen werden in der ebenfalls geänderten Apothekenbetriebsordnung aufgeführt. Dafür sind mehrere Voraussetzungen nötig (Notenschnitt in der Prüfung, Berufserfahrung, Fortbildungszertifikate etc.).
+ Eine strukturierte Weiterbildung ist nicht vorgesehen. Es gibt also keine Qualifikation, die dokumentiert zu mehr Kompetenz und einem höheren Gehalt führt.
+ Eine Durchlässigkeit vom Beruf zum Studium ist nicht verankert. Die „Akademisierung“ des Berufs wird mit dem Reformgesetz nicht auf den Weg gebracht. Nach wie vor gibt es nur wenig Studienoptionen für PTA, in der Regel an Fachhochschulen.

So kommen wir nicht weiter Auch der Bundesverband PTA war und ist unzufrieden mit zentralen Inhalten. Es bleibt bei 2,5 Jahren für die Ausbildung anstelle der geforderten drei Jahre. Das Schulgeld wird nicht verbindlich abgeschafft. Eine Ausbildungsvergütung wird weiter nicht durchgängig bezahlt. „Damit sind keine wesentlichen Schritte für PTA gemacht worden“, findet dessen Bundesvorsitzende Carmen Steves. „So kommen wir nicht weiter, die schwierige Lage des Berufs in den Griff zu bekommen.“ Der Bundesverband hält es für notwendig, in Zukunft eine geregelte Weiterqualifizierung für PTA zu entwickeln. Eine Option wäre ein Fachhochschul-Angebot.

Dann würde sich die Frage nach einer Vergütung aber noch einmal neu und ganz anders stellen. Zwar werden qualifizierte PTA gesucht. Doch weil sie oft schlecht bezahlt werden und wenig Aufstiegschancen haben, entscheiden sich viele junge Menschen für andere Berufe. Ein Teil der PTA-Schulen musste schon schließen. Andere haben ihre Anforderungen abgesenkt, was fürs Image des Berufs erst recht schädlich ist. Aus dem zentralen Projekt für PTA in dieser Legislaturperiode ist also keine Reform, sondern allenfalls ein Reförmchen geworden. Dabei hatte alles so hoffnungsvoll angefangen. Im Koalitionsvertrag legten CDU/CSU und SPD am 7. Februar 2018 fest, die Ausbildungen in den Gesundheitsfachberufen neu zu ordnen und zu stärken.

Das Schulgeld sollte durchgängig abgeschafft, die Aufgabenverteilung der Gesundheitsberufe neu ausgerichtet und mehr Verantwortung an sie übertragen werden. Der neue Bundesgesundheitsminister wartete nicht ab, bis ein ebenfalls vereinbartes Gesamtkonzept für die Modernisierungen stand. Er legte los: Für die Pflege gab es unter anderem ein Stärkungsgesetz und eines zur Lohnverbesserung. Für die Hebammen eine Reform, die ein praxisnahes Studium für alle vorsieht. Für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten wurden Modernisierungen ihrer Approbationsordnungen auf den Weg gebracht.

Entwurf 1: Mehr Verantwortung Am 18. April 2019 legte Jens Spahn den Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Weiterentwicklung des Berufsbildes der Ausbildung der Pharmazeutisch-Technischen Assistentinnen und Assistenten (PTA)“ vor. Und erklärte: „Wir brauchen Ausbildungen, die auf der Höhe der Zeit sind.“ Künftige PTA könnten „auch mehr Verantwortung in der Apotheke übernehmen“. Doch der Entwurf sah weder eine Verlängerung der Ausbildung, eine durchgehende Vergütung, deutlich mehr Kompetenzen noch eine Klausel zu Weiterbildungen mit Kompetenzerweiterung vor. „Enttäuschend kurz gesprungen“, befand der BVpta. Andreas May, Vorstand der Apothekengewerkschaft ADEXA, kritisierte: „Wir haben den Eindruck, dass die Weiterentwicklung des PTA-Berufs vom Ministerium im Wesentlichen an den finanziellen Folgen festgemacht wird.“

Berufspolitische Forderungen des BVpta
+ Ausbildungsinhalte erweitern, damit PTA ihr Wissen vertiefen können und sich stärker an der pharmazeutischen Praxis ausrichten (u. a.: Modular wählbare Themengebiete, beispielsweise Heimversorgung, Industrie, Krankenhauspharmazie)
+ Ausbildung verlängern, Befreiung von Schulgeldzahlungen und Zusatzkosten
+ Ausbildung staffeln: Berufsfachschulteil + Option auf ein (berufsbegleitendes) Studium an einer Fachhochschule oder Hochschule
+ Verbindliche, anerkannte Weiterbildungsmöglichkeiten schaffen, denn: Heute gibt es eine Vielzahl von Weiterbildungsmöglichkeiten. Doch ihre Qualität ist unterschiedlich. Und sie führen nicht geregelt zu mehr Kompetenzen oder einer besseren Bezahlung analog zum erweiterten Wissen und Können.
+ Geregelte Qualifizierung für alle, die wieder einsteigen wollen
+ Qualifizierungsmöglichkeit zur Praxisanleitung von Auszubildenden in der Apotheke

Entwurf 2: Dicker, nicht besser Am 28. August 2019 präsentierte Spahn eine stark überarbeitete Version des Entwurfs. Sie war viel umfangreicher, weil nun detaillierte Änderungen an drei Gesetzen vorgesehen waren: Erstens am alten Gesetz über den PTA-Beruf, zweitens an der Apothekenbetriebsordnung und drittens an der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Aber sonst ähnelte alles dem ersten Entwurf. Spahn stellte klar: In der Apothekenbetriebsordnung wird vorgesehen, dass erfahrenen PTA unter bestimmten Voraussetzungen erweiterte Kompetenzen übertragen werden können.

Aber: „Eine Vertretung der Apothekenleiterin oder des Apothekenleiters ist weiterhin nicht vorgesehen.“ Dieser zweite Entwurf wird, mit einigen kleineren Änderungen, zum heutigen PTA-Reformgesetz, trotz umfangreicher Kritik in den Ausschüssen von Bundestag und Bundesrat. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) und die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft verteidigen die bisherige Ausbildungsdauer. Die ABDA sieht aus Gründen der Patientensicherheit weitgehende Kompetenzübertragungen kritisch. Es nutzt nichts, dass Sabine Pfeiffer vom BVpta darauf verweist, dass der PTA-Beruf ohne konkurrenzfähige Ausbildung und Kompetenzsteigerungen nicht attraktiv bleiben wird.

Streit ums Geld Der Reformprozess wird allerdings auch von einem ungelösten Problem überschattet: Bund und Länder können sich monatelang nicht auf das vereinbarte „Gesamtkonzept Gesundheitsfachberufe“ einigen, vor allem wegen des Geldes. Spahn packt dennoch Reform um Reform an. Doch seine Macht ist begrenzt. Bei der Modernisierung der Gesundheitsfachberufe müssen Bund und Länder am Ende kooperieren, damit sich etwas bewegt. Der Bund darf nur einen bestimmten Rahmen für Ausbildungen und deren Inhalte festlegen. Für die genaue Umsetzung wie auch die Finanzierung sind in erster Linie die Länder zuständig. Sie befürworten Schulgeldfreiheit und ordentliche Vergütungen durchaus, müssen aber zusehen, woher das Geld dafür kommt.

Am 5. März 2020, als das PTA-Reformgesetz bereits verabschiedet ist, einigt man sich endlich auf ein Gesamtkonzept. Darin steht auch, dass Schulgeld und vergleichbare Geldzahlungen für die Ausbildung abgeschafft werden sollen. Auch dass angemessene Ausbildungsvergütungen gezahlt werden sollen, wird festgelegt. Doch Fristen dafür werden nicht vereinbart. Im Detail soll die umstrittenen Finanzierungsfragen eine Arbeitsgruppe aus Staatssekretären lösen. Das ist ihr bis heute nicht gelungen. Für den BVpta ist das alles kein Grund zu resignieren. Verbandsgeschäftsführerin Bettina Schwarz unterstreicht: „Es hat sich etwas bewegt. Sonst hätten wir gar keine Novellierung des Berufsgesetzes bekommen.“ Steves verweist darauf, dass es auch Fortschritte gibt. So enthält das PTA-Reformgesetz ein ausformuliertes Berufsbild. Die Tätigkeiten von PTA werden aufgelistet – auch solche in der pharmazeutischen Industrie, bei Krankenkassen oder anderen Arbeitgebern. Fächer, Unterricht, Prüfungen – „inhaltlich ist vieles besser gefasst“.

Weitere Reformen will der Bundesverband nach und nach anstoßen. Vorstand und Geschäftsführung engagieren sich in einer Arbeitsgruppe mit weiteren Mitgliedern aus der Apothekerschaft und von PTA-Schulen. Wichtige Stichworte: Weiterbildung zur Praxisanleiterin, strukturierte Weiterbildung, (berufsbegleitende) Studiengänge für PTA. Steves weist darauf hin, dass dies auch dem Bedürfnis einer immer größeren Zahl von Apothekerinnen und Apothekern entgegenkommt. Sie wünschen sich PTA mit mehr Kompetenzen. Seine berufspolitischen Positionen hat der Verband unlängst in einer eigenen Agenda zusammengefasst (siehe Kasten). Seine Überzeugung: PTA mit beruflichen Ambitionen brauchen Perspektiven – inhaltlich und finanziell.

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 09/2021 ab Seite 50.

Sabine Rieser, freie Journalistin

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