Eine Kapsel voller Geldscheine© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
Welchen Preis Medikamente wirklich haben, zeigt sich für gesetzlich Versicherte häufig erst dann, wenn sie aus eigener Tasche aufzahlen müssen. Bei Fiebersaft und Co. halten sich diese Beträge allerdings in Grenzen.

Fiebersaft und Antibiotika

FESTBETRÄGE STEIGEN WIEDER

Die groß angekündigte Festbetragsaussetzung ist schon wieder hinfällig: Ab Mai müssen die Preise für einige Wirkstoffgruppen in der Taxe wieder angepasst werden. Der Grund hierfür findet sich in den langsamen gesetzlichen Mühlen des Gesundheitsausschusses.

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Zum 1. Februar 2023 wurden kurzfristig bestimmte Festbeträge ausgesetzt – so wollte man Lieferengpässen begegnen. 181 PZN waren betroffen, darunter Antibiotikasäfte und Zäpfchen oder Säfte mit Paracetamol und Ibuprofen. Denn vor allem Akutmedikamente für Kinder waren rar, die Beschaffung raubte und raubt noch heute sowohl Eltern als auch dem Apothekenpersonal den letzten Nerv.

Die kurzfristige Änderung sollte für drei Monate gelten, ein anschließendes Gesetz für eine langfristige Regulierung sorgen. So der Plan. Doch die Verabschiedung des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetzes (ALBVVG) kann diese Frist voraussichtlich nicht halten.

Lauterbach sieht`s entspannt

Hochrechnungen zufolge könne man Anfang Juli, vor Beginn der Sommerpause, mit dem finalen Gesetz rechnen. Eine Lösung, die den Übergang regeln soll, ist nicht vorgesehen. Die Lage sei aktuell entspannter als zu Zeiten der Festbetragsaussetzung.

„Ausgelöst durch erhöhte Atemwegsinfektionsraten bei Kindern stieg der Bedarf an diesen Arzneimitteln akut an, so dass die Nachfrage nicht in vollen Umfang kompensiert werden konnte. Die Infektionswelle hat inzwischen nachgelassen. Die Versorgungslage für paracetamol- und ibuprofenhaltige pädiatrische Arzneimittel (Säfte und Zäpfchen) sowie zum Teil für Antibiotika entspannt sich“, antwortet eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) auf Nachfrage. Auch die Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen sehen derzeit keinen Handlungsbedarf. Das bedeutet: Die Festbeträge kommen zum 1.Mai wieder.

Langfristige Lösungen für Lieferengpässe gefragt

Mit steigenden Temperaturen sinkt erwartungsgemäß die Zahl akuter Atemwegsinfekte und dementsprechend die Nachfrage nach Akutmedikamenten. In wie weit die Aussetzung der Festbeträge zu einer Entspannung der Lage beigetragen hat, ist schwer zu beziffern.

Hersteller wie Josip Mestrovic, General Manager von Zentiva, sehen es eher so: „Nicht die Aussetzung des Festbetrages hat zur Entspannung geführt, sondern der massive Einsatz der Zentiva-Produktion. (…) Auch der Einsatz der Ärzte und Apotheken sowie ein Abklingen der Kinder-Erkrankungen führten zur Entspannung der Situation. Es wurde und wird keine Packung des Ibuflam-Kindersaftes von Zentiva ins Ausland verkauft.“

Oder Andreas Burkhardt, General Manager von Teva/Ratiopharm: „Um die strukturellen Probleme zu lösen, die für die anhaltenden Engpässe verantwortlich sind, braucht es eine Reformierung mit Entschlossenheit und Konsequenz. Kurzfristige Maßnahmen, wie das dreimonatige Aussetzen der Festbeträge, verhallen wirkungslos. Ebenso wie ein saisonbedingter Rückgang der Nachfrage die Lage vielleicht kurzzeitig entspannt, aber das grundsätzliche Problem der Verknappung nicht löst.“

Kurzer Kommentar der Redaktion zur sogenannten entspannten Lage
Ich weiß nicht, wie Sie das im Berufsalltag erleben. Aber ich als Mutter kann die aktuell entspannte Lage nicht bestätigen. In unserem Landkreis jagt weiterhin ein Atemwegsinfekt den nächsten, in den Betreuungseinrichtungen wüten munter Scharlach und Magen-Darm-Infekte. Eine Freundin von mir brach vor kurzem fast in Tränen aus, als ihr Mann aus Versehen die Antibiotikasuspension fallen ließ, die daraufhin zerbrach – es handelte sich um die letzte Flasche, die sie in den umliegenden Apotheken auftreiben konnte. Dank struktureller Absprachen unserer Apotheken vor Ort und deren Einsatz in der Arzneimittelbeschaffung landeten nur wenige meiner Bekannten mit ihren Kindern im Krankenhaus. Und nicht, weil Hersteller für kurze Zeit mehr Geld für ihre Produkte von den Krankenkassen verlangen durften.

Vielfalt statt Monopol, Anpassung des Preissystems statt Rabattverträge – dies seien die Punkte, die langfristig verändert werden müssten. Dementsprechend kritisch sehen viele die aktuelle Form des ALBVVG. Und letztlich der Appell nicht erst zu handeln, wenn ein Engpass droht oder bereits besteht. Daraus resultierende Maßnahmen können letztlich nur Pflaster darstellen, die weder mehr Attraktivität für die Herstellung schaffen, noch den Markt langfristig beruhigen.

Quelle: apotheke adhoc

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