Kristalle auf Löffel© Madeleine_Steinbach / iStock / Getty Images

Botanicals

WEIHRAUCH – BEGEHRTES GUT

Gold, Weihrauch und Myrrhe – das waren die drei kostbaren Gaben, die die Heiligen Drei Könige dem Jesuskind als Geschenk mitbrachten. Doch was ist Weihrauch eigentlich genau?

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Weihrauch ist ein Gummiharz, das beim Einschneiden von Stämmen und dicken Ästen aus Boswellia-Arten als milchsaftähnliche Flüssigkeit austritt und an der Luft zu kugeligen wachsartigen Stücken erstarrt. Diese sind honiggelb bis bernsteinfarben, hellgrau bestäubt und weisen einen schwach aromatischen Geruch auf. Die Ernte erfolgt im Frühjahr und Sommer, wobei später gewonnenes Harz als höherwertiger gilt.

Olibanum und Salai Guggal Für die Harzgewinnung werden mehrere Arten der Gattung Boswellia aus der Familie der Balsambaumgewächse (Burseraceae) verwendet, vor allem Boswellia sacra (= Boswellia carteri) sowie Boswellia serrata Roxb. (= Boswellia glabra). Die bis zu zehn Meter hohen, obstbaumähnlichen Bäume sind in kargen Trockengebieten mit wenig Regen und nährstoffarmen Böden beheimatet. Während Boswelllia sacra aus Somalia, Ägypten, Oman und Jemen stammt und dementsprechend Somalischer oder Arabischer Weihrauch genannt wird, ist Boswellia serrata Roxb. in den Bergregionen Nordost-Indiens beheimatet und unter dem Namen Indischer Weihrauch oder Salai- und Salphalbaum bekannt.

Beide Arten besitzen unpaarig gefiederte Blätter, die aus Fiederblättchen mit kerbig-gesägtem Rand bestehen, sowie eine Rinde, die wie Papier vom Stamm abblättert. Boswellia sacra liefert ein langsam verbrennendes Harz, das auch den Namen Olibanum trägt und vorwiegend zum zeremoniellen Räuchern gebraucht wird. Weihrauchextrakte aus der indischen Art haben vor allem medizinisches Interesse gefunden. Als Salai Guggal verfügen sie bereits über eine tausendjährige Tradition in der ayurvedischen Medizin Indiens. In Europa werden sie als Olibanum indicum bezeichnet.

Lange Tradition Weihrauch war bereits im zweiten Jahrtausend vor Christus derart gefragt, dass Dromedare ihn als wertvolles Handelsprodukt von Arabien bis zum Mittelmeer transportierten. Es entstand eine der ältesten Handelsstraßen, die Weihrauchstraße, die vom heutigen Oman über Jemen bis zum Hafen von Gaza und nach Damaskus verlief. Die Städte, am Handelsweg wurden zu reichen Orten. Ein bedeutender Handelsplatz war Petra im heutigen Jordanien. Dort kreuzten sich sechs Karawanenrouten, was die Stadt zu einem der wichtigsten Knotenpunkte für den Weihrauchhandel machte. Heute ist die Ruinenstätte bekannt für ihre in den Fels geschlagenen Tempel.

Geweihter Rauch Die alten Ägypter und Römer nutzten Weihrauch rituell als aromatisches und desinfizierendes Räuchermittel, wofür sie traditionell Boswellia sacra verwendeten. Seit dem vierten Jahrhundert verwendete ihn auch die christliche Kirche als heiliges Räucherwerk (von althochdeutsch Wihrouch, zu wihen = heiligen, weihen). Noch heute gilt der schwere Duft, der sich beim Verbrennen des Harzes entwickelt, als ein Zeichen der Verehrung Gottes. Er begleitet in der katholischen und orthodoxen Liturgie die Gottesdienste, bei denen die Rauchschwaden wie ein Gebet zum Himmel aufsteigen sollen. Allerdings besteht das Räuchermittel inzwischen nicht mehr nur aus Weihrauch, ihm sind noch getrocknete Lavendelblüten, Zimtrinde und andere Harze wie Benzoe, Storax und Tolubalsam beigemischt.

Geschätztes Heilmittel Daneben hat sich bereits früh seine heilkundliche Anwendung etabliert. Die alten Ägypter nutzten den „Schweiß der Götter“, wie sie den Weihrauch nannten, um Salben zur Wundbehandlung herzustellen. Zudem wurden mit ihm wegen seiner antibakteriellen Eigenschaften die Toten balsamiert. Auch griechische Ärzte wie Hippokrates schätzten Weihrauch als ein Mittel zum Reinigen und Verkleben von Wunden. Dafür setzte ihn auch Hildegard von Bingen ein, darüber hinaus bei Verdauungsproblemen und Erkrankungen der Atemwege.

Später nutzte man Weihrauch hauptsächlich bei rheumatischen Erkrankungen. Während das Harz aus Boswellia sacra im 19. Jahrhundert wieder aus der abendländischen Heilkunst verschwand, wird der bereits seit Jahrtausenden in der ayurvedischen Medizin verwendete Indische Weihrauch in Indien weiterhin zur Therapie akuter und chronischer Erkrankungen genutzt. Vor allem dient er dort heute zur unterstützenden Behandlung der chronischen Polyarthritis und zur Remissionsbehandlung bei den entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.

Weihrauch Monographie Bis 1953 war Weihrauch im Deutschen Arzneibuch monographiert, geriet dann aber aufgrund fehlender Daten in Vergessenheit und wurde auch nicht von der Kommission E bearbeitet. Inzwischen existiert aber eine Monographie der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP), die den Indischen Weihrauch bei schmerzhafter Gelenkarthritis und zur symptomatischen Behandlung entzündlicher Darmerkrankungen aufführt. Zudem ist die Qualität von Indischem Weihrauch (Olibanum indicum) im Europäischen Arzneibuch festgelegt.

Eingedampft
Medizinisch wird das Olibanum-Harz zweier Weihrauchbaumarten genutzt. Der Somalische Weihrauch war lange in der abendländischen Medizin bekannt, wird heute aber nicht mehr verwendet. Der Indische Weihrauch kommt seit tausenden Jahren im Ayurveda zum Einsatz. Studien bescheinigen ihm positive Eigenschaften bei Arthrose und entzündlichen Darmerkrankungen, denn die enthaltenen Boswelliasäuren hemmen Enzyme der Entzündungskaskade. Für eine Zulassung als Arzneimittel sind aber weitere Untersuchungen nötig.

Entzündungshemmer Indischer Weihrauch enthält etwa 60 Prozent Harz mit verschiedenen Boswelliasäuren, außerdem Schleimstoffe und ätherisches Öl. Boswelliasäuren sind pentazyklische Triterpene, die einen wesentlichen Anteil an der Wirkung haben. In Tierexperimenten und kleinen klinischen Studien konnten die Boswelliasäuren in ausreichend hohen Dosen über verschiedene Angriffspunkte Entzündungsreaktionen beeinflussen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Hemmung entzündungsfördernder Enzymsysteme wie der 5-Lipoxygenase als Schlüsselenzym der Leukotriensynthese.

Zudem hemmen Boswelliasäuren weitere Enzyme wie die Cyclooxygenase-1, die Elastase, Cathepsin G oder NF-kappaB. Die Studien zeigten positive Effekte bei entzündlichen Erkrankungen wie der Arthrose oder Asthma sowie den entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Bei Patienten mit einer Kniearthrose besserten sich die Symptome Schmerzen und Gelenksteifigkeit. Bei Colitis-Patienten waren Boswelliasäuren zur Remissionserhaltung überlegen.

Kein zugelassenes Arzneimittel Auch, wenn es zahlreiche Hinweise für die entzündungshemmende Wirkung von Weihrauch-Extrakten gibt, reichen die Daten noch nicht für eine arzneimittelrechtliche Zulassung in Deutschland aus. Vor allem wird die Qualität der Studien bemängelt; sie ließen kein aussagekräftiges Ergebnis zur postulierten Wirksamkeit zu. Daher existiert bei uns bislang kein zugelassenes Arzneimittel mit Weihrauch und es können lediglich Präparate aus außereuropäischen Ländern auf Einzelverordnung eingeführt werden.

Daneben sind bei uns ohne Rezept weihrauchhaltige Nahrungsergänzungsmittel (NEM) erhältlich, die – laut Werbung – vielfältige gesundheitliche Wirkungen aufweisen sollen. Allerdings lassen sich die vorliegenden Studienergebnisse zu Weihrauch-Extrakten nicht auf diese Präparate übertragen, denn bei den NEM handelt es sich um unterschiedliche Extrakte aus verschiedenen Weihraucharten ohne Standardisierung auf den Wirkstoffgehalt. Auch sind die einzelnen NEM nicht untereinander vergleichbar, die Zusammensetzung der verschiedenen Extrakte weicht stark voneinander ab.

Manchmal fehlen sogar die wirksamkeitsbestimmenden Boswelliasäuren. Die Qualität einzelner NEM gilt somit nicht immer als gesichert und Aussagen zur Dosierung und Indikation sind schwierig. Schließlich finden sich unter den angebotenen Weihrauchpräparaten noch Homöopathika in verschiedenen Potenzen. Sie tragen meist die Bezeichnung Olibanum oder Boswellia serrata.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 106.

Gode Chlond, Apothekerin

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