Grüne Cannabisblätter© IURII BUKHTA / iStock / Getty Images
Cannabis gehört zu den ältesten bekannten Kultur- und Heilpflanzen. In China und Indien wurden Hanfblätter bereits 2000 v. Chr. bei Wunden zur Schmerzlinderung eingesetzt.

Allrounder

VIEL RAUCH UM CANNABIS

Bereits vor Jahrtausenden diente die Hanfpflanze als Rohstofflieferant sowie als Heil- und Rauschmittel. Heute liegt der Fokus des Interesses medizinisch gesehen auf ihren therapeutischen Wirkungen.

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Cannabis, die Hanfpflanze (Cannabis sativa), ist eine der ältesten Kulturpflanzen. Aus den Samen der einjährigen Pflanze aus der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae) wurde schon vor circa 5000 Jahren Hanföl gepresst. Zudem dienten die Stängel zur Fasergewinnung, aus denen man Seile, Kleidung und Papier herstellte. 

Therapeutisch interessant sind die weiblichen Cannabisblüten der zweihäusigen Pflanze. Die unscheinbaren, grünlich gefärbten weiblichen Blüten sind dicht mit Drüsenhaaren überzogen, die ein leicht klebriges Harz absondern. Hauptinhaltsstoff des Harzes ist Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Daneben sind viele weitere Cannabinoide enthalten, vor allem Cannabidiol (CBD).

Altes Allheilmittel

Das Potenzial von Cannabis als Heilmittel wurde schon früh erkannt. Bereits 2000 v. Chr. legten Chinesen und Inder die handförmigen Blätter auf schmerzhafte Wunden. Spätestens ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. wurde in Indien auch ihre psychoaktive Wirkung geschätzt, der man in Europa viele Jahrhunderte später zunächst wenig Bedeutung beimaß. 

Bei uns wurde Hanf im Mittelalter vielmehr als Rohstofflieferant angebaut und fand Eingang in die Klostermedizin, beispielsweise als Mittel gegen Schmerzen oder bei Problemen mit dem Verdauungstrakt. Erst im 19. Jahrhundert wurde Cannabis hier zu einem beliebten Rauschmittel. Zudem galten Cannabisextrakte zu der Zeit als Allheilmittel, das in jeder Apotheke erhältlich war, und in der Schmerztherapie als milder Opiumersatz bei verschiedenen Krankheiten breite Anwendung fand. 

Da man aber bald die Schattenseiten von Cannabis erkannte, wurde 1929 der Konsum, Besitz und Handel von Cannabis gesetzlich verboten. Dennoch ist Cannabis in Deutschland nach Alkohol das am häufigsten konsumierte Rauschmittel.

THC und CBD

Die Cannabinoide der Hanfpflanze wirken auf das im Menschen vorhandene cannabinoide System (Endocannabinoidsystem). Dabei handelt es sich um einen Teil des Nervensystems, das sich im gesamten Körper befindet und mit verschiedenen Cannabinoid-Rezeptoren ausgestattet ist, an die körpereigene Cannabinoide (Endocannabinoide) binden. Diese dienen als Botenstoffe und nehmen unter anderem Einfluss auf Schmerzempfinden, Immunsystem, Entzündungsprozesse, Appetit, Gedächtnisleistung und die Psyche. 

Da Cannabis im Organismus an beide bisher bekannte Rezeptortypen CB1 und CB2 andockt, hat es ein breites Wirkspektrum und damit ein großes therapeutisches Potenzial bei vielen möglichen Anwendungsgebieten. 

THC wirkt berauschend und besitzt zudem entspannende und brechreizhemmende Eigenschaften. Höhere Dosen lösen Wahrnehmungsstörungen, Verwirrtheit, Halluzinationen, Übelkeit, Schwindel und Sprachstörungen aus. Problematisch ist zudem, dass THC zu einer psychischen (keiner körperlichen) Abhängigkeit führt. 

CBD hat hingegen weder eine berauschende Wirkung noch ein Suchtpotenzial. Dafür werden vielfältige andere Effekte im zentralen und peripheren Nervensystem angenommen, beispielsweise angstlösende, schlaffördernde, krampflösende und entzündungshemmende Eigenschaften. Diese sind aber – wie von verschiedenen Experten immer wieder betont wird – noch nicht ausreichend durch klinische Studien gesichert.

Cannabis als Rauschmittel

In der Drogenszene werden die Triebspitzen mit den weiblichen Blütenständen wegen ihrer psychoaktiven Wirkung genutzt. Dafür wird Cannabis vor allem geraucht. Entweder werden die getrockneten harzhaltigen Blüten und blütennahen Blätter zusammen mit Tabak zu einem Joint gedreht (Marihuana, „Gras“) oder es wird das Harz der Pflanze verwendet, das zu goldgelben bis braunen Blöcken und Platten gepresst wird (Haschisch, „Shit“).

Der charakteristische Geruch von Cannabis geht auf die in den Cannabisblüten enthaltene ätherische Öl mit seinen flüchtigen Terpenen zurück.

Seltener kommt Haschisch- oder Cannabisöl (nicht zu verwechseln mit Hanföl!), ein Extrakt des Cannabis-Harzes, als ein Rauschmittel mit den höchsten THC-Konzentrationen zum Einsatz.

Medizinisches Cannabis

Die blühenden, getrockneten Triebspitzen der weiblichen Pflanzen (Cannabisblüten – Cannabis flos) finden auch arzneiliche Verwendung. Möglich ist dies aufgrund des im Frühjahr 2017 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften. 

Das Cannabis-Gesetz erlaubt Ärzten zusätzlich zu den bereits verfügbaren Fertigarzneimitteln und Dronabinol-Rezepturen Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen bei fehlenden Therapiealternativen Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität auf einem Betäubungsmittel (BtM)-Rezept zu verordnen. Die Kunst dabei ist, dass Medizinisches Cannabis, das zur Behandlung oder Linderung einer Krankheit verschrieben und konsumiert wird, bei der therapeutischen Verwendung keine rauschartigen Nebenwirkungen auslöst.

CBD-Produkte

Es tummeln sich auch freiverkäufliche CBD-Produkte auf dem Markt. Ihr rechtlicher Status ist weiterhin unklar, es existieren unterschiedliche Rechtsauffassungen. Geregelt ist aber, dass sie nur aus Hanfsorten (Nutz- oder Industriehanf) gewonnen werden dürfen, die maximal 0,2 Prozent THC enthalten und somit keine psychoaktive Wirkung besitzen.

Hanfpflanzen in verschiedenen Varietäten

Cannabisblüten werden vor allem als Teezubereitung oder zur Inhalation nach Verdampfen verschrieben. Der Arzt kann unter Cannabisblüten verschiedener Sorten wählen. Sie weisen einen unterschiedlichen Gehalt an THC und CBD auf. Auf dem BtM-Rezept muss immer die genaue Sorte angegeben sein. Selbst bei Lieferengpässen ist es der Apotheke untersagt, eigenständig eine andere Sorte abzugeben. Nur der Arzt darf die alternative Sorte bestimmen. 

Seine Auswahl richtet sich individuell nach den Bedürfnissen seines Patienten. Er wählt die Sorte, die dieser am besten verträgt und die bei ihm am besten – ohne Nebenwirkungen – wirkt. Das kann selbst beim Vorliegen gleicher Symptome bei dem einen Patienten eine THC-reiche Sorte (z. B. Bedrocan) und bei einem anderen wiederum eine Sorte mit einem hohen Anteil an CBD und wenig THC (z. B. Bedrolite) sein. Selbst sehr ähnliche Sorten scheinen unabhängig vom THC-CBD-Verhältnis bei einzelnen Patienten besser oder schlechter zu wirken. Daher muss auch die Dosierung immer individuell ermittelt werden.

Cannabisblüten oder Cannabisextrakt

Die Wirkung von Cannabis ist zudem von der Darreichungsform abhängig. Cannabinoide zeigen bei inhalativer Applikation ihre volle Wirksamkeit bereits innerhalb weniger Minuten, die bis zu vier Stunden anhält. Daher können vaporisierte Blüten Schmerzspitzen gut kupieren. 

Bei der oralen Einnahme eines Cannabisextraktes dauert es hingegen bis zu 90 Minuten bis zur ersten spürbaren Wirkung, die dann aber bis zu acht Stunden anhält, sodass sich ein oral applizierter Extrakt besser bei chronischen Schmerzen eignet. Ebenso fluten Dronabinol-Zubereitungen langsam an, sodass auch sie eine gute Alternative zur Therapie chronischer Schmerzen sind.

Frage der Evidenz

Chronische Schmerzen zählen ebenso wie Spastiken und Übelkeit oder Erbrechen durch Zytostatika zu den anerkannten Indikationen, für die aussagekräftige Studienergebnisse vorliegen. Eine mögliche Wirksamkeit wird zudem für Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust bei HIV-AIDS, Schizophrenie, Morbus Parkinson, Tourette-Syndrom, Epilepsie, Kopfschmerzen sowie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen diskutiert. Zudem geht man davon aus, dass wahrscheinlich noch Patienten mit anderen Krankheitsbildern von einer Cannabistherapie profitieren können. Hier besteht aber noch großer Forschungsbedarf.

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