Jemand liest in einem Sherlock-Holmes-Roman© francescoch / iStock / Getty Images Plus
Seien Sie der Sherlock Holmes Ihrer Rezeptur!

Rezeptur – Mischen possible

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Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In unserer Serie „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Egal wie lange man schon in der Apotheke arbeitet, früher oder später entdeckt man sie, die Stammkunden. Dabei ist es unerheblich, ob es die ältere Dame ist, die sich ihre Creme schon immer in der Apotheke anrühren lässt oder die Mutter, deren Kind immer Dosierungen außerhalb der Fertigarzneimittel-Range benötigt.

Doch egal wie oft man den gleichen Namen auf ein Rezepturetikett schreibt, man darf nie aufhören aufmerksam zu sein und zu hinterfragen, was besser gemacht werden könnte. Das gilt auch für Rezepturen, die man im Schlaf herstellen könnte. Über genauso einen „Wiederholungstäter“ möchte ich berichten. Diese Rezeptur bringt einen zu den Wurzeln des pharmazeutischen Handwerks: mit Fantaschale und Pistill Flüssigkeiten einarbeiten, Gel herstellen, ordentlich emulgieren, homogenisieren – der Traum vieler Ausbilder*innen und der Graus mancher Berufsanfänger*innen.

Altes mit neuen Augen sehen

Das Spannende an diesem Fall: Wir stellen diese Rezeptur schon seit mindestens 2009 her und immer für die gleiche Person. Mittlerweile ist diese Person ein junger Erwachsener, der immer auf Hilfe angewiesen sein wird. Ich erwähne dies, weil die Rezeptur nichts Verschreibungspflichtiges enthält, sie aber trotzdem sehr wichtig für das körperliche Wohlbefinden dieser Person ist.

Zusammensetzung Lavasept Gel 0,2% in Macrogolsalbe

Ursprünglich kommt diese Rezeptur wohl aus dem Uniklinikum Münster in Westfalen (UKM) und stammt von einem Professor Traupe, dies konnte ich einer Randnotiz in unseren „alten“ Dokumentationen entnehmen. Folgende Inhaltsstoffe und Substanzen brauchen wir:

  • Ringer® Infusionslösung 440,25 Gramm (g)
  • Glycerin 85% 42,50 g
  • Polihexanid-Lösung 20% 1 g
  • Hydroxyethylcellulose 250 16,25g
  • Macrogol 400 100g
  • gereinigtes  Wasser 50g
  • Unguentum Cordes® 350g

Wer mitgerechnet hat, stellt fest, dass es sich hier um einen Ansatz von einem Kilogramm handelt. Dem ist auch so, dies ist die exakte Menge, die wir jedes Mal herstellen.

Geheime Zutat: Zeit

Für diese Rezeptur planen wir grundsätzlich anderthalb Tage ein, denn als Erstes wird das Polihexanid-Gel hergestellt. Dafür nehmen wir eine riesige Fantaschale, wobei es eher ein Topf ist, etwas größer als die handelsübliche Rührschüssel für Kuchenteig. Nachdem sie tariert ist, wiege ich als erstes die Hydroxyethylcellulose ein und reibe sie mit Glycerin an, bis sie eine leicht beige, pastenartige Masse gebildet hat. Dann füge ich anteilig die Ringer® Lösung dazu und löse den Gelbildner darin auf. Zum Schluss kommt die Polihexanid 20% Lösung dazu.

Je sorgfältiger hier gerührt und suspendiert wird, umso glatter und homogener wird das Resultat sein. Dann wird das Ganze abgedeckt und für mindestens sechs Stunden quellen gelassen. Wir haben den Ansatz auch schon einmal mit dem Topitec® hergestellt, aber das Ergebnis war nie wirklich befriedigenden: Quellstoff setzte sich ab, Klümpchen waren auch nach mehrmaligem Rühren noch vorhanden und das so hergestellte Gel schien immer flüssiger zu sein als das handgerührte Gel.

Tag zwei: Der zweite Topf

Am nächsten Tag wird als erstes das Gel noch einmal sorgfältig durchgerührt. Hat man am Vortag ordentlich gearbeitet, liegt jetzt ein transparentes Gel ohne Pulvernester vor.

In einer zweiten großen Fantaschale werden nun gereinigtes Wasser und Macrogol 400 gemischt und im Anschluss portionsweise Unguentum Cordes® eingearbeitet. Nach jeder Zugabe wird so lange gerührt, bis die Oberfläche der Creme glatt und glänzend ist. Erscheint sie rau und irgendwie rissig, muss weiter gerührt werden. Man kann natürlich auch alles direkt zusammengeben, aber 500 g Creme rühren ist anstrengend. Zudem besteht die Gefahr, dass sich Totzonen bilden und das Ergebnis nicht homogen wird.

Die Zusammenführung

Wenn beide Ansätze zur Zufriedenheit hergestellt sind, wird nun das Gel in mehreren Portionen zur Cremegrundlage gegeben und eingearbeitete. Das Endprodukt ist ein fettig glänzendes, milchiges Creme-Gel von weißlicher Farbe.

Nun die letzte große Herausforderung, das Abpacken. Sehr einfach wäre das Abfüllen in zwei große Topitec®-Defekturdosen, die Entnahme der Rezeptur für den Kunden aber absolut unpraktisch. Mit der Zeit hat sich das Abfüllen in Tuben als die angenehmste und praktischste Verpackung etabliert. Also wir das Creme-Gel in zehn 120-Milliliter-Tuben abgefüllt, Tuben verschlossen, etikettiert und zur leichteren Übergabe schon in der Rezeptur in eine Tüte verpackt.

Abschließend der Hash-Code produziert, das Rezept bedruckt und der Kunde verständigt, dass seine Bestellung abholbereit ist. Ich mag diese Rezeptur irgendwie. Wahrscheinlich, weil man so viel sehen kann und so den Erfolg jedes Schritts kontrollieren kann. Und genau das ist bei dieser Rezeptur so wichtig: aufmerksam bleiben, die eigenen Handlungen zu hinterfragen und Zwischenergebnisse zu beurteilen. Trotzdem bin ich sehr dankbar, dass wir den größten Teil unsere Creme-Rezepturen mit dem Topitec® herstellen können. Dennoch lohnt es sich, immer einmal zu überlegen, ob man nicht etwas an der Herstellungsweise ändern könnte – auch oder gerade, wenn man die Dinge „schon immer so gemacht hat“.

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