ein Bluttropfen als Puzzle dargestellt und drei Hände halten je ein fehlendes Teil in der Hand© SvetaZi / iStock / Getty Images Plus
Erythrozyten künstlich herzustellen ähnelt einem kleinem Puzzle.

Erste Erfolge

BLUT AUS DEM LABOR

Unfälle, schwere Operationen oder Erkrankungen – All dies sind Gründe für Bluttransfusionen. Doch die Zahl der Blutspenden reicht nicht aus, zudem hat Spenderblut einige Nachteile. Künstliche Blutzellen aus dem Labor könnten helfen.

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An der Universität Bristol erhielten im November 2022 erstmals zwei Patienten künstlich hergestellte Erythrozyten. Eine größere Studie dazu läuft gerade an, die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Rund um den Globus sind weitere Forschungsgruppen dabei, Blutzellen im Labor zu kultivieren. Vor allem konzentriert sich die Forschung auf die lebenswichtigen Erythrozyten und Thrombozyten. Doch leider ist das alles nicht so einfach.

Komplizierte Herstellung, kleine Mengen

Forschenden der Universität Dresden um den Transfusionsmediziner Torsten Tonn ist es gelungen, Erythrozyten im Labor herzustellen. Allerdings ist das Verfahren nicht sehr ergiebig, es handelte sich um die Menge eines Fingerhutes. In Bristol sprechen die Forschenden von fünf bis zehn Millilitern. Eine große Hürde bildet die Entfernung des Zellkerns als letzten Reifungsschritt, der im Labor schwer nachzuahmen ist.

Die Entwicklung der Erythrozyten und Thrombozyten im Knochenmark ist generell ein sehr aufwendiger Prozess. Aus Stammzellen bilden sich unter dem Einfluss verschiedener Faktoren zunächst Vorstufen, die dann über mehrere weitere Zwischenschritte ihren Zellkern und die Zellorganellen verlieren und schließlich zu reifen Blutkörperchen und Blutplättchen werden. Zellkern und Organellen benötigen die Erythrozyten und Thrombozyten nicht für ihre Funktion, und sie können sich ohne Zellkern auch durch kleinste Gefäße bewegen.

Vorstufen statt fertige Zellen

Da die Ausbeute an reifen Zellen bisher so gering ausfiel, wird an einem anderen Ansatz geforscht. An der Medizinischen Hochschule in Hannover züchten Rainer Blascyk und Constanza Figueiredo sogenannte Megakaryozyten, die Vorläuferzellen von Thrombozyten. Die Herstellung ist wesentlich effizienter. Im Tierversuch konnten die Hannoveraner bereits nachweisen, dass der Organismus die Vorläuferzellen in reife Thrombozyten umwandeln kann. Derzeit werden erste klinische Studien vorbereitet.

Für die Herstellung der Blutzellen im Labor braucht man Stammzellen. Erst seit einigen Jahren können Forscher normale Gewebezellen genetisch in diese umprogrammieren. Aus den entstandenen Zellkulturen lässt sich praktisch jede Zelle des Körpers züchten.

Kompliziert wird die Herstellung von künstlichen Blutbestandteilen auch dadurch, dass auf der Oberfläche unserer Blutzellen eine Vielzahl von Antigenen zu finden ist, die zum Beispiel die unterschiedlichen Blutgruppen ausmachen.  Im Labor wird dieses Problem gelöst, indem man bei der Herstellung der Vorläuferzellen gezielt die Gene für alle derartigen Antigene ausschaltet. Die gebildeten Blutzellen lösen dann keine Immunreaktion mehr aus.

Eine gute Lösung – und mehr?

Die Haltbarkeit von Spenderblut ist kurz, die Gewinnung und Lagerung aufwendig, und ganz ausschließen kann man auch eine Infektion nie. Die verschiedenen Blutgruppen erschweren die Anwendung. Außerdem kann es bei Patienten, die langfristig Transfusionen benötigen, zu einer schädlichen Eisenüberladung aus dem Hämoglobin des Spenderblutes kommen.

Die künstlichen Zellen haben eine längere Lebensdauer als die körpereigenen und können seltener verabreicht werden. Patienten, die dauerhaft auf Transfusionen angewiesen sind, könnten hiervon profitieren. Nach Chemotherapien, schwerem Blutverlust oder bei bestimmten Erkrankungen sind oft Bluttransfusionen die einzige Therapie. Gerade für Menschen mit seltenen Blutgruppen fehlt es an Spenderblut. Hier könnten die neuen Ansätze helfen. Und es geht noch weiter: Forschungsgruppen untersuchen derzeit auch, ob die künstlich hergestellten Zellen als Transportmittel für Arznei- oder Botenstoffe nutzbar sind.

Quellen:
https://www.researchgate.net/publication/355669875_Generation_of_HLA_Universal_Megakaryocytes_and_Platelets_by_Genetic_Engineering
https://www.bristol.ac.uk/research/impact/stories/red-blood-cells/
http://www.etm-dresden.com/research/blood-pharming-regulating-of-blood-group-antigen-expression/
https://www.nzz.ch/wissenschaft/kuenstliche-blutzellen-transportieren-sauerstoff-und-medikamente-ld.1565704
https://www.bristol.ac.uk/news/2022/november/labblood-study.html
Tagesschau

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