Eine Frau nimmt eine kalte Dusche: Sie kneift die Augen zusammen, hat den Mund zu einem O geformt, den Kopf eingezoge und verkreuzt die Arme vor dem Oberkörper.© LarsZahnerPhotography / iStock / Getty Images Plus
Aktuell ist Kälte die einzige Methode, das braune Fettgewebe zu aktivieren.

Adipositas-Forschung

BRAUNES FETTGEWEBE ZUM ABNEHMEN NUTZEN – ABER WIE?

Braunes Fettgewebe könnte eine Rolle für die Bekämpfung von Adipositas und verwandten Erkrankungen spielen. Es speichert keine Energie wie das weiße Fett, sondern verbrennt sie. Forschende untersuchen Funktion und Aufbau genauso wie mögliche Wirkstoffe, die es aktivieren können.

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Auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie fasst Privatdozent Dr. Tim Hollstein von der Universität Kiel die aktuellen Forschungsergebnisse zum Thema braunes Fettgewebe zusammen. Die gute Nachricht: Es lässt sich ganz einfach aktivieren.

Bis es Arzneistoffe gibt, die das auch gezielt tun, könnte es aber noch etwas dauern. Die Forscher stoßen hier auf immer das gleiche Problem. Aber von vorne – was ist braunes Fettgewebe eigentlich?

Spezielle Mitochondrien in braunem Fettgewebe

Alle Säugetiere besitzen zwei Arten von Fettgewebe: weißes, das als Energiespeicher dient, und braunes, das wie eine Art Körperheizung funktioniert und dabei Energie verbrennt. Das weiße Fett macht bis zu 50 Prozent des Körpergewichts aus und befindet sich in erster Linie unter der Haut und im Bauchbereich. Das braune Fettgewebe (Brown Adipose Tissue, BAT) liegt im Bereich des Schlüsselbeins und entlang der Wirbelsäule.

Seine Farbe kommt von seinem hohen Anteil an Mitochondrien. Diese kleinen Energiekraftwerke des Körpers stellen im BAT aber, anders als Mitochondrien in anderem Gewebe, kein Adenosin-Triphosphat (ATP) her. ATP ist der universelle Energieträger unseres Körpers. Nein, ein besonderes Protein, das nur Mitochondrien in braunem Fettgewebe besitzen, sorgt dafür, dass sie Fett und Zucker fast komplett in Wärmeenergie umwandeln.

BAT verbrennt Energie und macht satt

Diesen Mechanismus nutzen vor allem Babys, die ihre Körpertemperatur noch nicht so gut regeln können. Mit dem Alter sinkt die Menge an BAT, die des weißen Fettes nimmt hingegen zu. Die Menge an BAT ist individuell sehr verschieden. Sie liegt zwischen 50 und 300 Gramm bei Erwachsenen.

Schon 50 Gramm aktives BAT können bis zu 300 Kilokalorien am Tag verbrennen. BAT schüttet auch Botenstoffe aus, die sogenannten Batokine. Diese haben vielfältige Wirkungen auf den Stoffwechsel und das Körpergewicht, betont Hollstein. Unter anderem können sie das Sättigungsgefühl beeinflussen. Daher forscht man schon länger an Möglichkeiten, das BAT zu aktivieren oder zu vermehren.

Wirkstoffe zur Gewichtsreduktion

Wir wissen bereits, erklärt Hollstein, dass das BAT spezielle β-Adrenorezeptoren besitzt, über die die Wärmegewinnung aktiviert wird. Versuche mit dem β3-Rezeptoragonisten Mirabegron, zugelassen bei überaktiver Harnblase, aktivierten zwar das BAT. Doch die erforderlichen Dosen führten bei den Behandelten auch zu erhöhtem Puls und Blutdruck. Auch mit dem β2-Agonisten Salbutamol waren die Ergebnisse ähnlich, erklärt Hollstein.

Die Forschung sucht also gezielt nach Wirkstoffen, die das BAT aktivieren, ohne die typischen Herz-Kreislauf-Nebenwirkungen zu verursachen. Diese könnten dann, so hofft der Endokrinologe, in Kombination mit Semaglutid und Tirzepatid zur erfolgreichen Gewichtsreduktion bei Adipositas zum Einsatz kommen. Während Semaglutid und Tirzepatid in erster Linie die Nahrungsaufnahme bremsen, erhöht die Aktivierung von BAT zusätzlich den Energieverbrauch.

Kälte fördert braunes Fettgewebe

Der bisher einzige sichere Weg, das BAT zu trainieren und zu vermehren, ist übrigens Kälte. Dabei muss es nicht unbedingt ein Eisbad sein, meint Hollstein. Schon 16 bis 19 Grad reichten bereits aus. Wichtig sei lediglich, dass man nicht zittere. Bei körperlicher Aktivität bildet das BAT zudem Stoffe, die die den Energieverbrauch der Muskeln steigert. Bewegung unterstützt das Abnehmen also auch auf diesem Weg.

Auch Capsaicin, der Wirkstoff aus Chilischoten, aktiviert das BAT. Allerdings ist der Effekt Hollstein zufolge nur sehr klein. Transplantationen von BAT zeigten im Mausmodell ebenfalls nicht den gewünschten Erfolg, das BAT wandelte sich teilweise in weißes Fett um.

Bis die Forschung also weitere Erkenntnisse gewinnt, bleibt zur BAT-Aktivierung bisher nur die kalte Dusche. Generell sei es hilfreich, mehr Kälte zuzulassen, betont Hollstein. Das habe langfristig unter Umständen Auswirkungen auf die Insulinempfindlichkeit und die Blutfettwerte. Und zu guter Letzt möglicherweise auf das Gewicht.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/abnehmen-mit-aktivatoren-des-braunen-fettgewebes-145983/
https://www.aerzteblatt.de/archiv/215741/Gewichtsreduktion-Braunes-Fett-der-Kalorienkiller
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/47413-adipositas-fett-fuer-die-schlanke-linie

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