menschliche Silhouette greift sich an die Brust. Eine haelfte des Bildes ist blau hinterlegt, die andere rot. Vor der menschlichen Silhouette läuft eine EKG Linie© wildpixel / iStock / Getty Images Plus
Überschüssiges Niacin kann möglicherweise über seine Abbauprodukte die Gefäßwände schädigen und so das Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte erhöhen.

Warnung vor Überdosierung

NIACIN KÖNNTE HERZINFARKTE FÖRDERN

Niacin, auch als Nicotinsäure oder Vitamin B3 bekannt, ist in vielen Nahrungsergänzungsmitteln enthalten. Die Werbung verspricht unter anderem einen Anti-Aging-Effekt. Doch eine aktuelle Studie warnt: eine Überdosierung kann schaden.

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In den USA muss Niacin allen Getreideprodukten laut Gesetz zugesetzt werden, um Mangelerscheinungen vorzubeugen. In einer Gemeinschaftsarbeit stellt ein internationales Forschungsteam das nun in Frage. 

Überschüssiges Niacin kann möglicherweise über seine Abbauprodukte die Gefäßwände schädigen und so das Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte erhöhen. Und das, obwohl Niacin nachweislich die Cholesterinwerte verbessert.
 

Abbauprodukte schaden Gefäßen

Die kürzlich veröffentlichte Studie ist eine Kooperation von deutschen und US-amerikanischen Forschern um Professor Dr. Arash Haghikia, der zu dem Thema an der Berliner Charité geforscht hat. Die Wissenschaftler wollten wissen, warum manche Menschen ein erhöhtes Risiko für schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) aufweisen, obwohl die klassischen Risikofaktoren fehlen. Damit ist in erster Linie gemeint, dass Grunderkrankungen wie ein erhöhter Chlolesterinspiegel, Diabetes oder Rauchen bei den Betroffenen entweder nicht vorhanden oder aber gut eingestellt waren. 

Die Wissenschaftler suchten nun gezielt im Nüchternplasma von 1162 stabil eingestellten Herzpatienten nach kleinen Molekülen, deren erhöhte Spiegel im Zusammenhang mit Herzinfarkt oder Schlaganfall standen. Dabei stießen sie auf Abbauprodukte von überschüssigem Niacin.

Eines dieser Moleküle, 4PY genannt, war besonders auffällig. In weiteren Untersuchungen bestätigte sich der Zusammenhang zwischen erhöhten Serumspiegeln von 4PY mit einem deutlich erhöhten Risiko für MACE. Grundlage dafür scheint eine entzündungsfördernde Wirkung auf die Gefäßwände zu sein. Es ergab sich weiterhin der Verdacht, dass genetische Besonderheiten hier eine Rolle spielen. 
 

Zusatz in Lebensmitteln sogar gefährlich?

Das Problem könnte große Kreise ziehen: In den USA ist der Zusatz von Niacin zu allen Getreideprodukten Pflicht. Niacin ist ein wichtiger Nährstoff, der als Cofaktor bei zahlreichen Enzymreaktionen im menschlichen Stoffwechsel benötigt wird. Ein Mangel ist selten, da unser Körper Niacin aus L-Tryptophan selbst herstellen kann. Vor allem in Wild, Geflügel, Fisch sowie Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten kommt es vor, wobei pflanzliches Niacin nicht so gut verwertet werden kann wie tierisches. Während der großen Wirtschaftskrise in den USA ab 1929 litten viele Menschen unter einem Pellagra genannten Niacin- und L-Tryptophanmangel. Dieser macht sich bemerkbar durch Durchfall, Schleimhautentzündungen, Nervenschäden und Demenzen. Seit dieser Zeit zwingt das Lebensmittelrecht Hersteller von Getreideprodukten in den USA zum Zusatz von Niacin. Eine tägliche empfohlene Aufnahme von 15 Milligramm pro Tag für einen Erwachsenen wird aber auch in Europa schon bei normaler Ernährung überschritten. Grund dafür sind unsere modernen Ernährungsgewohnheiten. Die Substanz ist wasserlöslich. Bisher wurde vermutet, dass ein Überangebot einfach über die Nieren ausgeschieden wird.

Zusätzlich ist Niacin in vielen Nahrungsergänzungsmitteln frei verkäuflich. Der Stoff ist in der Lage, den Cholesterinspiegel zu senken, weshalb in diese Richtung auch schon Studien durchgeführt wurden. Es zeigte sich allerdings entgegen der Erwartungen trotz gesenkter Cholesterinwerte keine Risikoreduktion für MACE. Daher wurden die Forschungen nicht weitergeführt. Die Arbeiten von Haghikia und seinem Team könnten nun eine Erklärung für die scheinbar paradoxen Ergebnisse dieser Untersuchungen liefern.
 

Weitere Untersuchungen nötig

Erschreckend in diesem Zusammenhang: Einer von vier Teilnehmern der Studie von Professor Haghikia und seinen Kollegen wies einen Niacin-Überschuss auf. Dieser, so die Forscher, verdoppelt das Risiko für MACE. Damit steht den Wissenschaftlern zufolge der Überkonsum von Niacin auf einer Stufe mit Diabetes oder einem früheren Herzinfarkt, was das Risiko für MACE betrifft. 

Nicht alle Wissenschaftler teilen diese Bewertung, frühere Studien hatten den Nutzen von Niacin zur Reduktion des MACE-Risikos lediglich nicht belegt. Schädliche Einflüsse seien allerdings auch nicht aufgetreten. Es wird weitere Forschung nötig sein, um den Nutzen und potenzielle Risiken von Niacin umfassend zu bewerten. 

Quellen:
https://idw-online.de/de/news829560
https://www.doccheck.com/de/detail/articles/47145-news-bites-niacin-herzinfarkt-statt-glatter-haut
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/niacin-ueberschuss-koennte-die-gefaesse-schaedigen-145643/
https://www.statnews.com/2024/02/19/niacin-cardiovascular-disease-heart-health-study/
 

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