Demenz
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Die Demenz ist eine bislang nicht heilbare, fortschreitend verlaufende Erkrankung, die Betroffene, ihre Angehörigen und das Pflegepersonal vor große Herausforderungen stellt. Aber es ist nicht immer gleich Alzheimer.

19 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. März 2021

Unterschiedliche Demenzformen Viele verbinden mit Demenz die Alzheimer-Krankheit. Aber nicht jeder, der an Demenz erkrankt ist, leidet automatisch an Alzheimer, auch wenn dieser die häufigste der Demenzerkrankungen darstellt. Es gibt aber nicht nur diverse Demenzerkrankungen, denen unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Selbst identische Demenzformen zeigen verschiedene Symptome und weichen im Krankheitsverlauf ab. Gemeinsam ist allen Formen ein Nachlassen der geistigen Fähigkeiten. Bei der Mehrzahl aller Demenzen beruht dies auf einem fortschreitenden Untergang von Nervenzellen, die in eine Pflegebedürftigkeit münden und mit einer reduzierten Lebenserwartung einhergehen.

Prinzipiell kann zwischen primären (hirnorganisch) und sekundären (nicht-hirnorganisch) Demenzen unterschieden werden. Während primäre Formen ihren Ursprung im Gehirn haben, entwickeln sich letztere aufgrund einer anderen Erkrankung. Beispielsweise können Schilddrüsenfunktionsstörungen (Hypo- oder Hyperthyreose), ein Mangel an Vitaminen (von Folsäure, Vitamin B1, B6 und B12) oder Sauerstoff (Hypoxie, z. B. durch Schädel-Hirn-Trauma), Hirnblutungen oder Hirntumore sowie Intoxikationen (Alkoholsucht, Leber- und Niereninsuffizienz) eine sekundäre Demenz verursachen. Zu den primäre Demenzformen zählen die Alzheimer Demenz, die gefäßbedingte (vaskuläre) Demenz, die Lewy- Körperchen-Demenz sowie die Frontotemporale Demenz (FTD).

Vaskuläre Demenz Circa 10 bis 15 Prozent der Demenzen sind vaskulär bedingt. Das Nervengewebe geht also infolge von Durchblutungsstörungen des Gehirns (z. B. durch einen Schlaganfall) zugrunde. Je nach betroffenem Hirnareal und Ausmaß der Durchblutungsstörung zeigen sich unterschiedlich stark ausgeprägte Symptome, die auch im Krankheitsverlauf variieren können. Kognitiv sind vor allem Gedächtnisstörungen (insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses), eine allgemeine Verlangsamung und schnelle geistige Ermüdbarkeit sowie eine Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung zu verzeichnen.

Außerdem bestehen Motivationsdefizite bis hin zur Apathie und eine Stimmungslabilität. Zu den Risikofaktoren zählen beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes mellitus oder Rauchen, also alles Faktoren, die generell das Risiko für arteriosklerotische Gefäßveränderungen und damit das Schlaganfallrisiko erhöhen. Bei einer vaskulären Demenz ist zumeist eine stufenweise Verschlechterung zu beobachten. Die Symptome können aber auch über lange Phasen stabil bleiben oder sich sogar zeitweise leicht verbessern. Tritt die vaskuläre Demenz gemeinsam mit einer Alzheimer-Krankheit auf, spricht man von einer gemischten Demenz.

Kreuzworträtsel trainieren das Gehirn. © perfectlab / iStock / Getty Images Plus
Kreuzworträtsel trainieren das Gehirn. © perfectlab / iStock / Getty Images Plus

Lewy-Körperchen-Demenz Weitere circa 15 Prozent aller Demenzerkrankungen lassen sich auf die Lewy-Körperchen-Demenz zurückführen. Bei dieser Demenzform, die ihren Namen nach dem Neurologen Friedrich H. Lewy trägt, kommt es durch Ablagerung winziger Eiweiß-Aggregate aus dem Protein alpha-Synuklein (Lewy-Körperchen) zu einem Dopaminmangel und damit zu einer Kombination von Bewegungsstörungen und kognitiven Einschränkungen, wie sie auch bei einer Parkinson-Erkrankung auftreten. Da sich auch im Rahmen eines Morbus Parkinson eine Demenz entwickeln kann, bei der die Lewy-Körperchen die Hauptursache der kognitiven Defizite sind, wird jede Demenz vor oder innerhalb eines Jahres nach Beginn einer Parkinson-Erkrankung als Lewy- Körperchen-Demenz definiert.

Die Demenzform kann aber auch als eigenständige Erkrankung auftreten. Charakteristisches Merkmal der Lewy- Körperchen-Demenz ist die Funktionseinschränkung im Alltag, wobei anfangs die Gedächtnisfunktion noch erhalten ist. Kennzeichnend sind starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit und der Aufmerksamkeit, optische Halluzinationen sowie leichte Parkinsonsymptome (unwillkürliches Zittern der Hände, Steifigkeit der Bewegungen). Hinzu kommen vegetative Störungen wie Schwindel und orthostatische Dysregulation mit Sturzgefahr sowie Harninkontinenz.

Frontotemporale Demenz Diese ist mit etwa drei bis neun Prozent aller Demenzen die seltenste Demenzform. Sie ist durch einen regionalen Rückgang von Nervenzellen im Stirnbereich im Frontallappen (Stirnlappen) und im Schläfenbereich im Temporallappen (Schläfenlappen) gekennzeichnet und wird nach ihrem Entstehungsort als Frontotemporale Demenz (FTD) oder nach ihrem Entdecker, dem Neurologen Arnold Pick, auch als Pick-Krankheit bezeichnet. Als Ursache werden genetische Mutationen vermutet, die Zusammenballungen von zwei verschiedenen Proteinen (Tau und TDP-43) auslösen. Die Symptome variieren individuell nicht nur nach der Art der Verklumpung, sondern auch nach dem betroffenen Abschnitt der Hirnrinde (Stirn- oder Schläfenbereich).

Typischerweise tritt diese Demenzform bei etwa drei Viertel der Betroffenen schon vor dem 65. und selten erst nach dem 75. Lebensjahr auf. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt zwischen 50 und 60 Jahren. In der Regel überleben die Patienten die Demenz lediglich 8 bis 14 Jahre nach Diagnosestellung. Bei jüngeren Erkrankten wird sogar häufig ein schnellerer Verlauf beobachtet. Durch die Veränderung des Frontallappens kommt es beim Betroffenen zu Persönlichkeits- und Verhaltensauffälligkeiten, wie „Witzelsucht“ oder Verlust von Umgangsformen oder Anstand. Teilnahmslosigkeit, Apathie, Trägheit und sozialer Rückzug sind ebenfalls typisch bei allen an FTD-erkrankten Personen. Die meisten entwickeln zudem Sprachstörungen und Gedächtnisprobleme.

LERNEN UND GEDÄCHTNIS Damit der Mensch in seiner Umwelt kommunizieren und sinnvoll handeln kann, muss er in der Lage sein, Informationen im Gehirn in verschiedenen Zeitskalen zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt wieder abzurufen. Das wird durch verschiedene Gedächtnisformen gewährleistet, die als sensorisches Gedächtnis (oder Ultrakurzzeitgedächtnis), Kurzzeitgedächtnis (oder Arbeitsgedächtnis) und Langzeitgedächtnis bezeichnet werden.

+ Sensorisches Gedächtnis: Hier wird ein Sinnesreiz nur sehr kurz (< 1 Sekunde) in den verschiedenen Arealen der Großhirnrinde (Kortex) unbewusst festgehalten. Nur ein Bruchteil davon gelangt ins Kurzzeitgedächtnis.

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Kurzzeitgedächtnis: Nur die Informationen, die unsere Aufmerksamkeit erregen, dringen für einige Sekunden bis Minuten ins Bewusstsein und damit ins Kurzzeitgedächtnis vor. In der Regel werden circa sieben verschiedene Inhalte gemerkt. Der präfrontale Kortex (Stirnhirn, Teil des Frontallappens) ist der Hirnbereich, der für die Funktion des Kurzzeitgedächtnisses eine wichtige Rolle spielt. Außerdem sind die medialen Teile des Temporallappens (Schläfenlappen) aktiviert.

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Langzeitgedächtnis: Die jahre-, teilweise lebenslange Speicherung der Informationen im Langzeitgedächtnis erfolgt über Lernprozesse. Dafür sind verschiedene Hirnbereiche zuständig. Von zentraler Bedeutung sind Teile des limbischen Systems, vor allem der Hippocampus als Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis sowie die Amygdala (Mandelkern). Daher kann man sich Ereignisse, die mit Gefühlen (positive wie negative) verbunden sind, besser merken. Beim Erlernen komplexer motorischer Fertigkeiten, also von Handgriffen des täglichen Lebens, die automatisch ablaufen, wie Fahrradfahren oder Schnürsenkel binden, sind die Basalganglien wichtig.

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Die verschiedenen Hirnbereiche sind über ein großes Netzwerk von Nervenzellen miteinander verschaltet. Der Kommunikationsfluss zwischen ihnen erfolgt über elektrische und chemische Reize. Dabei durchfließt eine Information in Form von Aktionspotenzialen das Axon der Nervenzelle bis zu ihrem Ende. Zur benachbarten Nervenzelle gelangt die Information über Synapsen. Dafür müssen zu ihrer Weiterleitung chemische Botenstoffe (Neurotransmitter) wie Acetylcholin oder Glutamat in den synaptischen Spalt abgegeben werden. Die Neurotransmitter docken an Rezeptoren auf der Empfängerseite, das heißt den Dendriten einer Nervenzelle, an und werden in einen elektrischen Impuls rückcodiert. Diese Erregungsleitung wird als Neurotransmission bezeichnet und hinterlässt im Gehirn eine Gedächtnisspur. Im Verlauf eines Lernvorganges verändern sich die Zahl synaptischer Verbindungen sowie die Übertragungseigenschaften zwischen den Zellen eines neuronalen Netzes (z. B. Ausbildung neuer Synapsen, verstärkte und verlängerte Aktionspotenziale, verstärkte Transmitterausschüttung). Durch diese neuronale Plastizität können sogar bis ins hohe Alter Nervenzellen miteinander neu verknüpft werden.

Alzheimer-Krankheit Die bekannteste und häufigste Demenzform ist mit 60 Prozent die nach Alois Alzheimer benannte Alzheimer-Krankheit. Der deutsche Psychiater und Neuropathologe hat die Krankheit im Jahr 1906 erstmals beschrieben. Nachdem 1991 zum ersten Mal die Amyloid- Hypothese aufgestellt wurde, sind inzwischen zentrale pathogenetische Mechanismen, die zum Gedächtnisverlust führen, bekannt. Ebenso weiß man um Faktoren, die zur Demenz beitragen können. So begünstigen neben einem hohen Lebensalter vor allem Risikofaktoren, die typischerweise die Gefäße schädigen, die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz.

Dazu zählen beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Übergewicht, Rauchen oder ein schlecht eingestellter Diabetes mellitus. Höhere Bildung, regelmäßige geistige Aktivität und vielfältige soziale Kontakte scheinen hingegen präventive Faktoren zu sein. Allerdings ist die genaue Ursache für den beschleunigten Gehirnabbau immer noch nicht geklärt. Ebenso wenig weiß man, warum die einen beim Vorliegen von Risikofaktoren schließlich an Alzheimer erkranken und andere davon verschont bleiben.

Die Genetik scheint dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Lediglich 25 Prozent der Alzheimer-Demenz- Fälle sind familiär bedingt. Dabei liegt bei nur weniger als 5 Prozent wiederum ein autosomal-dominanter Erbgang vor, allerdings ist bei diesen meist ein früher Beginn (unter 65 Jahren) zu verzeichnen. Allgemein gilt, dass ein früher Erkrankungsbeginn mit einem schnellen Fortschreiten der Erkrankung und ausgeprägten Störungen einhergeht.

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