Masern und Co.
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Kinderkrankheiten im Beratungsalltag

Kinderkrankheiten umfassen ein großes Spektrum verschiedener Infektionen. Während einige noch heute häufig auftreten, sind andere inzwischen fast vollständig aus dem Blickfeld verschwunden. Kennen Sie sich aus?

22 Minuten

Tetanus – Wundstarrkrampf

Tetanus wird durch das vom Bakterium Clostridium tetani abgesonderte Nervengift ausgelöst. Das Bakterium ist in Form seiner Sporen nahezu überall anzutreffen (z. B. im Erdreich, Schmutz, Straßenstaub, tierischer Kot) und kann unabhängig vom Alter alle damit in Berührung kommenden Menschen infizieren. Eine Direktübertragung von Mensch zu Mensch ist zwar nicht möglich, aber schon eine winzigste Verletzung reicht aus, um dem Erreger Eintritt in den menschlichen Körper zu verschaffen.

Das Tetanusbakterium vermehrt sich in der Wunde unter Sauerstoffabschluss und bildet das krankmachende Tetanus-Toxin. Dies setzt sich an den Nervenenden in den Muskeln fest und führt zu schweren Muskelkrämpfen, weshalb die Erkrankung auch Wundstarrkrampf genannt wird. Ist die Atemmuskulatur betroffen, droht der Erstickungstod. Trotz moderner Intensivmedizin enden auch noch heute noch 30 bis 50 Prozent der Infektionen letal.

Sie betreffen vor allem ältere Leute, deren Tetanusschutz häufig unzureichend ist. Eine Therapie erfolgt durch eine schnellstmögliche chirurgische Wundversorgung. Zudem erhält der Infizierte humanes Tetanus-Immunglobulin, um noch nicht gebundenes Toxin zu neutralisieren. Mit einer Antibiotikagabe (z. B. Metronidazol) sollen noch erreichbare Tetanusbazillen als Quelle der Toxinbildung abgetötet werden.

Ein überstandener Wundstarrkrampf verleiht keine Immunität, weshalb alle zehn Jahre Auffrischimpfungen gegen Tetanus erforderlich sind.

Diphterie – Echter Krupp

Ebenso muss alle zehn Jahre eine Diphterie-Auffrischimpfung erfolgen, da eine überstandene Infektion nur unvollständige und kurzfristige Immunität verleiht. Viele wissen gar nicht mehr, was die Diphterie ist, obwohl die Erkrankung bis Beginn des 20. Jahrhunderts eine der häufigsten Todesursachen bei Kindern war. Auch ihr Synonym Echter Krupp ist vielen heute unbekannt. Vielmehr hat der inzwischen häufiger auftretende viral ausgelöste Pseudokrupp die bakterielle Infektionskrankheit aus dem Bewusstsein verdrängt.

Diphterie-Infektionen erfolgen durch das Bakterium Corynebacterium diphteriae und seine Toxine gewöhnlich als Tröpfcheninfektion. Auch eine indirekte Übertragung über kontaminierte Gegenstände ist möglich. Die Erkrankung kann sich entweder im Atemtrakt oder auf der Haut manifestieren. Bei der klassischen respiratorischen Diphterie bilden sich dicke, graue, eitrige Beläge auf den Mandeln, die einen faulen Mundgeruch sowie Halsschmerzen und Schluckbeschwerden auslösen, die von Fieber begleitet werden.

Kombinationsimpfstoffe bevorzugen

Prinzipiell empfiehlt die STIKO – wenn möglich – die Verwendung von Kombinationsimpfstoffen, um die Zahl der Injektionen möglichst gering zu halten. Entgegen der landläufigen Meinung gibt es keine Hinweise dafür, dass Mehrfachimpfstoffe das kindliche Immunsystem überlasten. Vielmehr stellen die gespritzten Antigene nur einen Bruchteil der Erregerbelastung dar, mit der sich der Organismus täglich auseinandersetzt. Neben den bereits erwähnten Dreifach- beziehungsweise Vierfachimpfstoffen MMR/ MMRV – beides Lebendimpfstoffe – steht die Impfung gegen Diphterie (D), Tetanus (T), Pertussis (aP), Hepatitis B (HepB), Polio (IPV) und Hib (Hib) mit einem Totimpfstoff, der als Sechsfachkombination (DTPa-HepB-IPV+Hib) angeboten wird, zur Verfügung.

Greift die Infektion auf den Kehlkopf über, klagen Betroffene vor allem über starke Heiserkeit und bellenden Husten, weshalb die Diphterie als Echter Krupp bezeichnet wird (englisch croup = krächzen, heiser sprechend). Bei Befall des Kehlkopfes kommt es zu Erstickungsanfällen, die der Erkrankung den volkstümlichen Namen „Würgeengel der Kinder“ eingebracht hat. Um die Atmung aufrechtzuerhalten kann es notwendig sein, das Kind zu intubieren.

Die häufigste und gefährlichste Komplikation der Diphterie ist die Myokarditis, die sich bei zwei Drittel der Patienten entwickelt. Daneben sind sehr viel seltener Hirnnervenlähmungen möglich (toxische Diphterie). Die Therapie der respiratorischen Diphterie umfasst die sofortige Gabe eines Antitoxins und parallel eine unterstützende Antibiotikagabe (z. B. Penicillin, Erythromycin).

Haemophilus influenzae Typ b – Häufige Komplikationen

Erstickungsanfälle kann auch eine durch das Bakterium Haemophilus influenzae Typ b (Hib) verschuldete Kehldeckelentzündung (Epiglottitis) verursachen. Sie ist vor allem bei Kleinkindern gefürchtet, ebenso wie eine Meningitis, die trotz antibiotischer Behandlung häufig zu bleibenden Hörschäden, geistigen Behinderungen oder zum Tode führt. Das Bakterium wird über eine Tröpfchen- oder Kontaktinfektion übertragen und befällt zuerst die Schleimhäute der oberen Atemwege.

Fieberhafte Infektionen des Nasen-Rachen-Raumes wie eine Otitis media oder Rhinosinusitis sind die Folge, die sich zu einer Pneumonie oder Bronchitis ausdehnen können. Die Hib-Erkrankung zählt zu den schwersten bakteriellen Infektionen in den ersten fünf Lebensjahren. Da 95 Prozent aller Kinder im Alter von sechs Jahren Antikörper gegen Hib aufgebaut haben, erfolgt lediglich eine Grundimmunisierung mit dem Sechsfachinpfstoff im Säuglingsalter. Eine Auffrischimpfung ist nicht vorgesehen.

Pneumokokken – Gefahr invasiver Infektionen

Schwere Otitiden, Pneumonien oder Meningitiden mit lebensbedrohlichen Komplikationen (z. B. Sepsis) verursacht auch das Bakterium Streptococcus pneumoniae, vor allem bei Kindern bis 24 Monate. Die Impfung gegen Pneumokokken wird landläufig auch als Impfung gegen Otitiden verstanden, wenngleich sich nur die durch Pneumokokken ausgelöste Otitiden verhindern lassen.

Virale oder durch andere Bakterien bedingte Entzündungen wendet eine Pneumokokken-Impfung nicht ab. Die Impfung gegen Pneumokokken ist aber äußerst wichtig, um die Morbidität invasiver Pneumokokken-Erkrankungen und die daraus resultieren Folgen wie Krankenhauseinweisungen, Behinderung und Tod zu reduzieren.

Die Impfung erfolgt zu den gleichen Zeitpunkten wie die Sechsfachimpfung. Eine Auffrischimpfung ist aber nicht erforderlich. Der Pneumokokken-Impfstoff, den Kinder erhalten, ist ein Konjugatimpfstoff. Bei diesem sind die Bakterienbestandteile an ein Trägerprotein gekoppelt, um eine ausreichende Immunantwort zu erhalten.

RSV- und Influenza-Infektionen

Ebenfalls gefährlich für Säuglinge und kleine Kinder sind respiratorische Synzytial-Viren (RSV). Sie gelten als Hauptursache für Atemwegserkrankungen in diesem Alter. Bei mildem Verlauf gleicht die Infektion einer normalen Erkältung, die mit Symptomen wie Schnupfen, trockenem Husten, Niesen und Halsschmerzen einhergeht, die nach einigen Tagen von alleine wieder abklingen.

Schwere Verläufe sind durch Fieber, schnellere Atmung, Giemen, Husten mit Auswurf sowie einer trockenen, kalten und blassen Haut gekennzeichnet. Bei Kindern unter 18 Monaten ist zusätzlich die Fontanelle eingesunken. Komplikationen wie eine Bronchiolitis, obstruktive Bronchitis oder lebensbedrohliche Pneumonien sind Ursache dafür, dass RSV-Infektionen einer der häufigsten Gründe für Krankenhauseinweisungen darstellen. RS-Viren treten in Europa seit Oktober 2022 gemeinsam mit den Influenza-Viren gehäuft auf.

Da auch eine Grippe (Influenza) aufgrund schwerer Komplikationen (z. B. Pneumonie, Sepsis) häufig im Krankenhaus behandelt werden muss, wird Kindern und Jugendlichen bis 17 Jahre, die infolge eines Grundleidens (z. B. chronische Erkrankung der Atemwegsorgane, Diabetes, Herz- oder Kreislauferkrankungen, Leber- oder Nierenkrankheiten) eine erhöhte gesundheitliche Gefährdung aufweisen, geraten, sich gegen Grippe impfen zu lassen. Die Impfung ist ab einem Alter von sechs Monaten möglich. Ein Impfstoff gegen das RS-Virus steht hingegen nicht zur Verfügung.

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