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Beschwerden im Alter
PTA-Fortbildung

Gesund alt werden

Senioren sind nicht nur die größte Kundengruppe in der Apotheke, sie haben zudem einen erhöhten Beratungsbedarf hinsichtlich geeigneter Wirkstoffe und adäquater Darreichungsformen.

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. August 2020

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Wir sind eine alternde Gesellschaft. Die Lebenserwartung steigt und die Menschen werden immer älter. Während heute jeder fünfte Einwohner Deutschlands 65 Jahre oder älter ist, sollen es laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2060 schon mehr als ein Drittel sein. 14 Prozent der Bevölkerung werden dann sogar die 80 überschritten haben. Die demografische Entwicklung ist jedoch problematisch im Hinblick auf die Gesundheit der alternden Menschen. Je älter die Menschen werden, desto mehr leiden sie an chronischen Krankheiten, die eine immer umfangreichere Arzneimitteltherapie erfordern. Damit nimmt auch unsere Beratung in der Apotheke für ältere und alte Menschen einen immer höheren Stellenwert ein.

Hoher Arzneimittelkonsum In der Apotheke landen sehr viele Rezepte älterer Menschen. Zwei von drei Arzneimittelverordnungen entfallen auf diesen Personenkreis. Zudem ist bei ihnen ein hoher Konsum an Arzneimitteln aus dem Selbstmedikationsbereich festzustellen. Prinzipiell nehmen ältere Menschen deutlich mehr Medikamente als jüngere ein. Problematisch dabei ist, dass im Alter der Einzelne meist mehrere Medikamente zeitgleich benötigt. So bekommen beispielsweise Personen zwischen 60 und 64 Jahren durchschnittlich etwa zwei bis drei verschiedene Arzneimittel pro Tag verordnet.

Bei Kunden, die die 80 überschritten haben, sind es sogar vier bis fünf. Werden die Medikamente aus der Selbstmedikation hinzugerechnet, steigt die Zahl an täglich verabreichten Arzneimitteln noch deutlich an. Eine derartige Polymedikation zieht allerdings Schwierigkeiten nach sich. Je mehr Medikamente eingenommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen. Diese können sich zudem addieren, da verschiedene Arzneimittelgruppen mit ähnlichen unerwünschten Wirkungen behaftet sind.

Auch steigt mit jedem zusätzlichen Präparat das Risiko für Wechselwirkungen. Während drei Medikamente rein rechnerisch zu drei Arzneimittelinteraktionen führen können, liegt die Wahrscheinlichkeit bei vier Medikamenten bereits bei sechs und bei fünf Medikamenten bei zehn potenziellen Interaktionen. Rechnet man weiter, sind im ungünstigen Fall bei der Einnahme von zehn Wirkstoffen schließlich 45 potenzielle Interaktionen denkbar.

WIE ALT IST ÄLTER?

Von welcher Altersgruppe sprechen wir eigentlich genau, wenn wir über ältere und alte Menschen reden? Wer wird so benannt? Sind Senioren alte oder ältere Menschen? Gehört ein Best Ager nur zur alternden Bevölkerungsgruppe oder ist er bereits älter? Ist die Generation 60plus automatisch alt? Alle Bezeichnungen sind ungenau, einige mehr oder weniger schmeichelnd. Eine objektive Einteilung gibt die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ihr zufolge sind Menschen über 60 Jahre älter, als alt oder hochbetagt werden Menschen zwischen 76 und 90 Jahren eingestuft und sehr alte Menschen oder Höchstbetagte haben die 91 überschritten.


Altersphysiologisch oder Nebenwirkung Häufig ist es aber bereits ein Problem, Nebenwirkungen überhaupt als solche zu identifizieren. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen können alterstypischen Veränderungen ähneln. Gerade die Beschwerden, die häufig im Alter auftreten, wie beispielsweise Schwindel und Benommenheit, Verwirrung, erhöhte Sturzneigung, Mundtrockenheit, trockene Augen, Schlafstörungen oder Magen-Darm-​Probleme (z. B. Übelkeit, Bauchschmerzen, Verstopfung) stellen zugleich charakteristische Nebenwirkungen von Medikamenten dar, die ältere Menschen vorrangig einnehmen.

Daher werden häufig Symptome, die eigentlich eine unerwünschte Arzneimittelwirkung darstellen, leichtfertig als altersphysiologisch und damit als behandlungsbedürftig eingestuft. Beim Auftreten neuer Beschwerden sollte also nicht automatisch eine weitere Medikation eingeleitet werden, vielmehr ist stets zu überprüfen, ob bestehende Medikamente verändert oder gar gestrichen werden können. Wie Untersuchungen feststellen, bewirkt gerade das Absetzen von Arzneimitteln im Alter häufig eine Verbesserung des Zustandes.

Problem Kombinationspräparate Da ältere Menschen ohnehin häufig mehrere Arzneimittel gleichzeitig einnehmen, sollten sie nicht noch zusätzlich Präparate mit mehreren Wirkstoffen wählen. Wechselwirkungen sind dann kaum noch vermeidbar und werden zudem immer unüberschaubarer. Außerdem sind leichter Doppelmedikationen möglich, die sich im Alter besonders problematisch auswirken können. Vor allem sind häufig Analgetika (z. B. Paracetamol, Ibuprofen) in freiverkäuflichen Wirkstoffkombinationen aus dem Bereich der Erkältungspräparate zu finden. Diese werden aber oft bereits bei älteren Patienten zur Behandlung diverser Schmerzproblematiken verordnet.

Folge können verstärkte Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt (z. B. Blutungen bei zeitgleicher Einnahme von zwei NSAR) oder lebensbedrohliche Leberkomplikationen (z. B. Leberversagen bei Überdosierung von Paracetamol) sein. Erkältungspräparate enthalten oft auch abschwellende alpha-Sympathomimetika (z. B. Pseudoephedrin), die den Blutdruck steigern können. Diese sind bei Hypertonikern und Patienten mit koronarer Herzkrankheit – und damit häufig bei der älteren Generation – kontraindiziert. Ebenso sind Erkältungsmittel mit Antihistaminika (z. B. Doxylamin) bei Älteren schwierig. Sie können nicht nur eine bestehende Mundtrockenheit verstärken.

Zudem wirken sie sedierend, was Verwirrtheit und Stürze begünstigt, vor allem, wenn bereits Antihistaminika (z.B. Diphenhydramin) als Einschlafhilfe oder Antiallergikum zum Einsatz kommen. Darüber hinaus sind bei diesen Antihistaminika häufig auch paradoxe Wirkungen (Erregungszustände) im Alter möglich, weshalb beide Substanzen auf der PRISCUS-​Liste zu finden sind. Auf dieser sind derzeit 83 Wirkstoffe aus 18 Wirkstoffklassen aufgeführt, die im Alter ungeeignet sein können. Generell gehören dazu Substanzen, die eine hohe Lipophilie, einen extensiven Metabolismus, eine hohe renale Elimination oder eine geringe therapeutische Breite aufweisen.

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