Beschwerden im Alter
PTA-Fortbildung

Gesund alt werden

Senioren sind nicht nur die größte Kundengruppe in der Apotheke, sie haben zudem einen erhöhten Beratungsbedarf hinsichtlich geeigneter Wirkstoffe und adäquater Darreichungsformen.

17 Minuten

Veröffentlichung der Teilnahmebescheinigung:
01. August 2020

17 Minuten

Ungeeignete Arzneiformen Für Ältere sind etliche Arzneiformen aufgrund der nachlassenden Koordinierungsfähigkeit, mangelnder Feinmotorik oder schwindender Kräfte nicht immer händelbar. Hier können PTA und Apotheker den Betroffenen bei der Auswahl unterstützen oder durch die zusätzliche Abgabe von Hilfsmitteln die Applikation erleichtern. Beispielsweise haben Ältere häufig Schwierigkeiten bei der Bedienung inhalativer Arzneiformen. So sind sie nicht immer in der Lage, bei Dosieraerosolen die Auslösung eines Hubes und das Einatmen zu koordinieren. Hierbei könnte ein zusätzlicher Spacer die Lösung sein. Alternativ wäre ein Pulverinhalator denkbar.

Das Problem eines derartig atemzuggetriggerten Systems kann allerdings sein, dass der Atemzug beim Einatmen nicht (mehr) ausreicht, um das System zu aktivieren. Selbst Tabletten haben ihre Tücken. Müssen sie geteilt werden, kann dies sogar bei vorhandener Bruchrille problematisch werden. Man staunt, wie viele der älteren Patienten (vergeblich) versuchen, mit einem Messer die Tabletten in zwei Hälften zu spalten. Sowohl eine eingeschränkte Feinmotorik als auch nachlassendes Augenlicht tragen zum Misslingen bei. Sehr hilfreich kann dann die Empfehlung eines Tablettenteilers sein, mit dem ein müheloses Teilen ermöglicht wird.

Aber auch die Tabletteneinnahme kann aufgrund zunehmend sich im Alter einstellender Schluckprobleme Schwierigkeiten bereiten. Dann können Dispers-Tabletten zum Auflösen sowie Brausetabletten, flüssige Arzneiformen (Säfte oder Tropfen) oder ein Direktgranulat die bessere Alternative sein. Allerdings ist die Einnahme von Säften oder Tropflösungen für Ältere aus verschiedenen Gründen häufig komplizierter als man vielleicht denkt. Ein Problem kann sein, dass sie die Flaschen mit kindersicheren Drehdeckeln nicht entriegeln können.

Ein anderes ist die korrekte Herstellung eines Saftes, da es feinmotorisch schwierig sein kann, die erforderliche Flüssigkeitsmenge exakt in das Behältnis zu gießen. Selbst das Abmessen der erforderlichen Flüssigkeitsmenge gelingt nicht immer. So ist ein halber Dosierlöffel nicht für jeden leicht zu erkennen oder abzumessen. Einfacher gestaltet sich die Prozedur häufig mit einer Dosierspritze. Ebenso ist das Abzählen der Tropfen bei Sehschwierigkeiten nicht leicht. Wird die Lösung in einen durchsichtigen Einmalbecher getropft, können die Tropfgeräusche gehört und mitgezählt werden.

KEIN FALL FÜR DIE SELBSTMEDIKATION

Da Männer mit einer vermeintlichen Blasenentzündung zu den Risikogruppen zählen, sind diese immer an den Arzt weiterzuleiten. Bei ihnen müssen Grunderkrankungen (z. B. Prostatahyperplasie, -entzündungen) ausgeschlossen und/oder behandelt werden.


Kritische Mikronährstoffsituation
Im Alter liegt häufig ein gestörter Vitamin- und Mineralstoffhaushalt vor. Zum einen kommt es durch veränderte Ernährungsgewohnheiten und über eine Mangelernährung generell zu einer zu geringen Aufnahme an Vitaminen und Mineralstoffen, vor allem von Vitamin D, Folsäure und Calcium. Zum anderen gehen altersassoziierte Veränderungen wie ein geringer werdender Appetit, Schluck- und Kaustörungen, die nachlassende Aktivität des Intrinsic Faktors oder eine unzureichende endogene Vitamin D-Synthese mit Defiziten an wichtigen Vitaminen wie B12 und D einher.

Zudem bedingen verschiedene Arzneimittel durch Neben- und Wechselwirkungen (z. B. Geschmacksstörungen, Mundtrockenheit) oder durch eine Veränderung der Stoffwechselvorgänge eine kritische Mikronährstoffsituation. So ist beispielsweise die Einnahme von Statinen zur Senkung des Cholesterinspiegels mit einer Hemmung der körpereigenen Coenzym-Q10-Synthese assoziiert, was wiederum zu Muskelschmerzen führen kann. Oder die langfristige Einnahme von PPI bewirkt ein Defizit an Magnesium. Zudem gehen PPI mit einem Vitamin B12-Mangel einher, da sie die säureabhängige Vitamin-B12-​Aufnahme aus Lebensmitteln im Magen behindern. Ebenso setzt die Einnahme von Metformin die Resorption von Vitamin B12 im Darm herab. Diabetiker haben zudem bereits stoffwechselbedingt einen erhöhten Bedarf an Vitamin B12, Vitamin B1, Folsäure, Vitamin C, Vitamin E, Magnesium und Zink.

Kreatin Neben den klassischen Supplementen mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen kann im Alter auch eine Nahrungsergänzung mit Kreatin sinnvoll sein. Kreatin ist eine natürlich im Organismus vorkommende Substanz, die zur Versorgung der Muskeln mit Energie beiträgt. Um Muskeln zu mobilisieren und aufzubauen, benötigt der Körper Kreatin. Die Kreatinvorräte erwachsener Menschen werden durch endogene Synthese aus Aminosäuren (Arginin, Glycin, Methionin) und über die Ernährung gefüllt. Allerdings ist es häufig schwierig, natürliche Kreatin-Quellen (z. B. Muskelfleisch, Fisch) in ausreichender Menge zuzuführen.

Vor allem weisen ältere Menschen niedrige Kreatinspiegel auf, da sie häufig weniger essen und die körpereigene Kreatinproduktion, wie viele andere Stoffwechselvorgänge, im Laufe der Zeit nachlässt. Eine hochwertige Nahrungsergänzung kann die körpereigenen Kreatinspeicher auffüllen und damit die Versorgung der Muskeln optimieren. In Kombination mit regelmäßigem Training wird so dem natürlichen altersbedingten Abbau von Muskelmasse und Muskelkraft effektiv entgegengewirkt. Wie Studien zeigen, erhöht Kreatin zudem die Knochendichte, hat protektive Effekte auf das Herz und eine große Bedeutung für die Gehirnfunktionen bezüglich Kognition, Lernen, Gedächtnis und Stresstoleranz.

Bei älteren Kunden kann die Auswahl geeigneter Darreichungsformen eine ebenso große Rolle spielen wie die adäquater Wirkstoffe.

Gedächtnisstörungen Extrakte aus Ginkgo biloba sind mittlerweile ein Klassiker für die Empfehlung in der Selbstmedikation zur Unterstützung der Gedächtnisleistung. Sie erhöhen die Fließfähigkeit des Blutes, insbesondere im Bereich der kleinen Gefäße (Mikrozirkulation) und fördern folglich die Durchblutung (z. B. im Gehirn), sodass das Gewebe wieder besser mit Glucose und Sauerstoff versorgt werden kann. Zudem wird die Fähigkeit der Nervenzellen verbessert, sich untereinander zu vernetzen, diese Verknüpfungen zu verstärken oder auch zu lösen.

Ebenso vermag Ginkgo freie Sauerstoffradikale zu inaktivieren und vor toxischem und oxidativem Stress sowie gegen Beta-Amyloid- Ablagerungen zu schützen. Letztere spielen bei der Alzheimer- Erkrankung eine wichtige Rolle. Phytotherapeutika mit einem Spezialextrakt des Ginkgo- Baumes sind bereits zur Behandlung von ersten geistigen Leistungseinbußen oder durchblutungsbedingter Demenz zugelassen und können daher frühzeitig eingesetzt und gegebenenfalls nach Diagnose einer Alzheimer-Demenz durch chemisch- synthetische Arzneimittel ergänzt werden.

Wie bei vielen pflanzlichen Produkten ist es auch hier sinnvoll ein Produkt zu empfehlen, das als Arzneimittel zugelassen ist und für das auch aussagefähige Studien vorliegen. Nur dann können Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität garantiert werden. Neu sind kleine konzentrierte Tabletten, die besonders für ältere Menschen mit Schluckbeschwerden geeignet sind. Ein neuer vielversprechender Ansatz zur frühzeitigen Prävention von Demenz ist die Gabe von hochkonzentriertem Spermidin. Studien liefern Hinweise, dass eine erhöhte Aufnahme des körpereigenen Polyamins die kognitive Leistungsfähigkeit beim Menschen verbessern kann.

Hintergrund dafür ist die Fähigkeit von Spermidin, den Prozess der Autophagie in der Zelle auszulösen. Bei diesem intrazellulären Selbstreinigungsprozess werden beschädigte und dysfunktionelle Zellbestandteile abgebaut und deren Grundbausteine wiederverwertet oder zur Energiegewinnung genutzt. So können zellschädigende Proteinaggregate, die für neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Alzheimer charakteristisch sind, entfernt werden. Mit zunehmendem Alter sinken jedoch sowohl die Autophagieaktivität wie auch die Spermidinkonzentration im Blut.

Eine gesteigerte Spermidinzufuhr, so der wissenschaftliche Ansatz, könnte diese Abnahme wieder ausgleichen. Da aber der Spermidingehalt in Lebensmitteln stark variieren kann, ist eine gleichbleibend hohe Aufnahme des Polyamins allein über die Nahrung schwer zu gewährleisten, sodass Spermidin zur Verbesserung der Gedächtnisleistung gezielt supplementiert werden sollte. Erste vielversprechende Ergebnisse einer spermidininduzierten Autophagie auf neurodegenerative Erkrankungen lieferte die randomisierte placebokontrollierte „preSmartAge“-Studie der Charité Berlin.

Bereits nach dreimonatiger Supplementation mit Spermidin in Kapselform zeigten die Probanden mit Demenzrisiko eine moderate Verbesserung der Gedächtnisleistung. Die Bedeutung einer täglichen Spermidingabe für die Demenzprävention wird derzeit in der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Folgestudie „SmartAge“ weiterführend untersucht. Die Ergebnisse werden im Herbst 2020 erwartet.

Gode Chlond, Apothekerin

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