Corona Virus© Maksim Tkachenko / iStock / Getty Images Plus
Die Viruslast ist bei infizierten Personen unterschiedlich hoch. Bei jüngeren Menschen ist sie am niedrigsten.

Viruslast | Studie

WER IST EIGENTLICH WIE ANSTECKEND?

Gibt es eigentlich Personengruppen, die potenziell mehr oder weniger ansteckend sind? Eine gute Frage, der auch ein Forscherteam der Charité Universitätsmedizin Berlin um Professor. Dr. Christian Drosten nachgegangen ist. 

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Man liest und hört es tagtäglich in den Medien: Der R-Wert sagt aus, wie viele Menschen eine mit SARS-CoV-2 infizierte Person im Durchschnitt ansteckt. Im Schnitt sind es etwa drei bis fünf. Was aber bislang eher in den Hintergrund gerückt ist, war die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung in bestimmten Gruppen oder im individuellen Fall ist. Denn nicht jeder Infizierte ist gleich ansteckend oder hat die gleiche Anzahl an Viruspartikeln. Auch der Zeitraum, wann wie viele Viruspartikel ausgeschieden werden, ist nicht bei jedem identisch. 

Der Viruslast auf der Spur

Um eine signifikante Aussage über das Ansteckungspotenzial von mit SARS-CoV-2 infizierten Personen machen zu können, hat ein Team unter Leitung von Professor. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF), für mehr als 25 000 COVID-19-Fälle die sogenannte Viruslast ermittelt. Hierunter wird die Anzahl der Erbgutkopien von SARS-CoV-2 in einer PCR-Probe verstanden. Solche Erbgutkopien geben Auskunft über die Virusmenge, die sich im Rachen des Patienten befindet, und welches potenzielle Infektionsrisiko besteht. 


Die Forscher wollten eine solche Abschätzung weiter verbessern und stellten hierfür in ihrer Untersuchung die Viruslast in Zusammenhang mit Erkenntnissen darüber, ab welcher Viruslast sich das Virus in einer Laborprobe vermehrt und letztlich nachweisbar ist. Gegenstand der Untersuchung waren 4300 Proben von infizierten Personen, die es dem Forscherteam ermöglichten, die Entwicklung der Viruslast im Rachen nachzuvollziehen. Im Anschluss analysierten die Forscher, ob sich die Daten für verschiedene Altersgruppen, Patientinnen und Patienten mit unterschiedlich starken Symptomen oder zwischen verschiedenen Virusvarianten statistisch signifikant unterschieden.
 

Geringere Viruslast bei Jüngeren

Bei den Altersgruppen wurde deutlich, dass es keine wesentlichen Unterschiede in der Viruslast bei Infizierten zwischen 20 und 65 Jahren gab. Die Rachen-Abstriche enthielten im Schnitt rund 2,5 Millionen Kopien des SARS-CoV-2-Erbguts. Die niedrigste Viruslast stellten die Wissenschaftler in den Proben der jüngsten Kinder zwischen null und fünf Jahren mit rund 800 000 Erbgutkopien fest. Es wurde ebenfalls deutlich, dass je älter die Kinder und Jugendlichen werden, immer mehr eine Angleichung an die Werte von Erwachsenen stattfindet. 

„Diese Zahlen sehen erst einmal unterschiedlich aus, wir betrachten Viruslasten aber auf einer logarithmischen Skala“, so Professor. Drosten. „Die Viruslast-Unterschiede bei den jüngsten Kindern liegen gerade noch unterhalb der Grenze dessen, was man als klinisch relevant betrachten würde. Darüber hinaus muss man verstehen, wie die Werte zustande kommen und dies korrigierend mit einbeziehen.“ Der Virologe weist auf die unterschiedliche Probennahme bei Kindern und Erwachsenen hin: „Bei Kindern werden deutlich kleinere Abstrichtupfer eingesetzt, die weniger als halb so viel Probenmaterial in die PCR-Testung einbringen. Außerdem werden bei ihnen statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachen-Abstriche oft einfache Rachenabstriche gemacht, in denen sich noch mal weniger Virus findet. Deshalb erwarten wir bei Kindern mit gleicher Virusvermehrung von vorn herein geringere Viruslast-Messwerte in der PCR.“

Professor. Drosten äußert sich weiter zum Virustlastverlauf: „Dies verdeutlicht, dass man Viruslasten nicht einfach proportional in Infektiosität umrechnen kann“, erklärt Professor. Drosten. „Und auch diese datenbasierten Schätzungen der Infektiosität muss man noch mal nach oben korrigieren wegen der unterschiedlichen Probennahme bei Kindern. All dies fließt in eine klinisch-virologische Bewertung ein. Mein anfänglicher Eindruck einer ungefähr gleich großen Infektiosität aller Altersgruppen hat sich bestätigt, nicht nur hier, sondern auch in anderen Studien.“
Auch hinsichtlich der Symptomatik wurden bereits frühere Beobachtungen bestätigt, dass auch infizierte Menschen mit keinen oder geringen Symptomen, eine hohe Viruslast haben können. Personen, die aufgrund ihrer Ansteckung ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten, hatten insgesamt eine deutlich höhere Viruslast als andere Getestete. Die Forscher sind der Ansicht, dass bei allen SARS-CoV-2-Infizierten die Viruslast im Rachen bereits ein bis drei Tage vor Symptombeginn am höchsten ist.  

Eine außergewöhnlich hohe Viruslast von einer Milliarde Erbgutkopien oder mehr zeigten rund neun Prozent der 4300 Proben. Mehr als ein Drittel dieser potenziell hochinfektiösen Personen hatten keine oder nur milde Symptome. „Diese Daten liefern eine virologische Grundlage für die Beobachtung, dass nur eine Minderheit der Infizierten den größten Teil aller Übertragungen verursacht“, erklärt Professor. Drosten. „Dass sich hierunter so viele Menschen ohne relevante Krankheitssymptome finden, macht klar, warum Maßnahmen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht für die Kontrolle der Pandemie so wichtig sind.“
 

Neue Erkenntnisse zur Variante B.1.1.7

Was die Viruslast bei der sogenannten britischen Virusvariante B.1.1.7 angeht, konnte die Untersuchung neue Erkenntnisse liefern. In den Proben wurde durchschnittlich eine zehnfach höhere Viruslast festgestellt. Auch die Infektiosität im Labor lag um das 2,6-Fache höher. Dieser Aussage liegt die Untersuchung von 1500 Fällen mit B.1.1.7-Infektion zugrunde, denen die Forscher etwa 1000 Personen mit anderen Viren gegenüberstellten. Abstrichstellen, Ambulanzen oder Stationen, in denen sie untersucht wurden, waren bei allen gleich. „Auch wenn Laborversuche es bisher noch nicht abschließend erklären können: Das B.1.1.7-Virus ist infektiöser als andere Varianten“, so Professor. Drosten.


Im weiteren Verlauf der Pandemie sollen die Auswertungen fortgesetzt werden. Dadurch erhofft sich das Forscherteam weitere Erkenntnisse darüber, welche Veränderungen auftreten, wenn das Virus durch die Bildung von Mutationen auf die zunehmende Immunisierung reagiert. 

Quellen:

https://science.sciencemag.org/content/early/2021/05/24/science.abi5273

https://idw-online.de/de/news769421

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