Künstlicher Süßstoffbehälter auf dem Tisch.© towfiqu ahamed / iStock / Getty Images Plus
Neue Pilotstudie enthüllt, dass bereits ein paar Gläser eines Light-Getränks die Aktivität der menschlichen Immunzellen beeinflussen können.

Forschung

MENSCHLICHE IMMUNZELLEN BEKOMMEN DURCH SÜSSSTOFF EINEN KICK

Die Aufnahme von Süßstoff beeinflusst das Immunsystem. Die Rezeptoren der Immunzellen werden dadurch empfindlicher. Ob das gesundheitlich gut oder schlecht ist, kann die Wissenschaft noch nicht genau sagen – sie arbeitet aber dran.

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Süßstoffe scheinen perfekt für das moderne Leben – zum einen lösen sie keine Insulinantwort aus (was für die wachsende Anzahl von Diabetikern von Vorteil ist), zum anderen haben sie kaum Kalorien.

Wie eine neue Pilotstudie aus dem deutschen Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie zeigt, genügen bereits verzehrübliche Aufnahmemengen von Saccharin, Acesulfam-K und Cyclamat, um in weißen Blutkörperchen die Ableserate verschiedener Gene zu modulieren. „Unsere Daten lassen annehmen, dass diese Modulation die Immunzellen in einen Zustand versetzt, der sie empfindlicher auf Immunstimuli reagieren lässt“, sagt Dr. Dietmar Krautwurst.

Stüßstoff weltweit auf dem Vormarsch

Das Leibniz-Institut untersuchte die Rolle des Süßstoffs auch deshalb, da er eine immer größere Rolle spielt: Vor allem in den USA verzehrt jeder Bürger immerhin zwischen 80 und 90 Gramm pro Person; in Deutschland sind es um die 50 Gramm. Der Scheinzucker beeinflusst jedoch nicht nur die Geschmacksknospen im Mund, sondern auch das Immunsystem. Man weiß nur noch nicht genau wie. Auf jeden Fall ist es dann empfindlicher gegen bakterielle Stimuli.

Warum überhaupt Süßstoffmischungen?
Es hat geschmackliche Gründe, warum die Hersteller lieber Süßstoffmischungen als Acesulfam, Saccharin oder Cyclamat einzeln verwenden: In hohen Konzentrationen schmecken diese nämlich weniger süß und leicht bitter. Sie hemmen dann erstens den Süßstoffrezeptor und aktivieren zweitens einige Bittergeschmacksrezeptoren. Zudem beeinflussen sich zum Beispiel Saccharin und Cyclamat gegenseitig positiv in ihrer Geschmackswahrnehmung – was die beiden zu einer beliebten Kombination macht.

Probanden mussten standardisiertes Süßstoffgemisch trinken

Die Versuchsanordnung dazu war so: Zu Beginn mussten die Teilnehmenden pro Kilogramm ihres Körpergewichtes 10,7 Milliliter (ml) einer Süßstofflösung trinken, die pro Liter einen getränketypischen Mix aus circa 76 Milligramm (mg) Saccharin, 228 mg Cyclamat und 53 mg Acesulfam-K enthielt. Umgerechnet auf einen 70 kg schweren Menschen ergab sich eine Trinkmenge von circa 0,75 Litern. Dabei entsprachen die konsumierten Mengen Süßstoff folgenden Anteilen: 16 Prozent Saccharin, 35 Prozent Cyclamat und 6 Prozent Acesulfam.

Vier Stunden nach dem Trinken der Testlösung war die Süßstoffkonzentration im Blut am höchsten. Und genau dann, während der Maximalkonzentration, untersuchten die Wissenschaftler, wie das auf die weißen Blutkörperchen in vitro wirkte. Die dienen bekanntlich der Abwehr, beispielsweise von Bakterien. Die Forscher gaben den süßen Stoff auch auf Immunzellen, die sie sowohl vorher als auch nachher aus dem Blut der Testpersonen entnommen hatten – also ex vivo.

Geschmacksknospen und Immunzellen-Sensoren sind gleich empfindlich

Heraus kam: Sowohl in vitro als auch in vivo erhöhte die Süßstoffgabe die Ableserate von Genen, die den Bauplan von Geschmacksrezeptoren enthalten, die üblicherweise im Mund auf die Süßstoffe reagieren. Und die hatten auch einen Einfluss auf das Ableseprofil von Genen, die für regulatorische Proteine des Immunsystems kodieren. Zumindest für isolierte Immunzellen bedeutet das, dass sie wie ein Seismograf bakterielle Angriffe auf das Immunsystem schneller registrieren.

„Von unseren Ergebnissen lässt sich die Hypothese ableiten, dass Geschmacksrezeptoren nicht nur im Mund, sondern auch auf Immunzellen als Sensoren für lebensmittelbedingte Reize dienen“, so sagt es Krautwurst. Die Antwort auf die Frage, warum das so ist, bleibt spannend. Ebenso die Frage, ob das nun gut oder schlecht ist.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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