Blutzuckermessgerät © PavlovskiJenya / iStock / Getty Images
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Säuglinge und Kleinkinder

GAR NICHT SÜSS!

Bereits unter Kindern finden sich Diabetes-Patienten. Diabetes mellitus ist die häufigste pädiatrische Stoffwechselerkrankung in Deutschland, wobei fast immer ein Diabetes Typ 1 vorliegt.

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Derzeit sind in Deutschland 32 000 Kinder und Jugendliche von einem Diabetes Typ 1 betroffen - mit steigender Tendenz. Die genaue Ursache für die stetige Zunahme der Erkrankungszahlen ist nicht vollständig geklärt. Da Diabetes ein multifaktorielles Geschehen ist, müssen mehrere Faktoren zusammentreffen, damit sich die Erkrankung manifestiert. Als gesichert gilt eine genetische Komponente. 10 bis 15 Prozent aller Kinder und Jugendlichen mit Diabetes unter 15 Jahren haben Verwandte ersten Grades, die an der Zuckerkrankheit leiden. Diskutiert werden zudem weitere Faktoren, wie beispielsweise eine frühe Kuhmilchexposition oder bestimmte virale Infektionskrankheiten.

Intensivierte Insulintherapie Da bei einem Diabetes Typ 1 allmählich die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse durch einen Autoimmunprozess zerstört werden, geht die Erkrankung anfangs mit einem relativen, später mit einem totalen Insulinmangel einher. Somit gehört eine lebenslang notwendige Insulintherapie für die betroffenen Kinder schnell zu ihrem Alltag. Der Erfolg der Therapie hängt wesentlich davon ab, inwieweit es gelingt, eine physiologische Insulinsekretion zu imitieren. Wie bei Erwachsenen ist daher auch bei Kindern die intensivierte Insulintherapie, also eine mahlzeiten- und blutzuckeradaptierte Insulintherapie nach dem Basis-Bolus-Prinzip Behandlungsstandard.

Dabei werden sowohl schnell wirksame Insuline (Normalinsulin oder Insulinanaloga) als auch Verzögerungs- beziehungsweise Basalinsuline gespritzt. Während das Verzögerungsinsulin die kontinuierliche minimale Insulinabgabe der Bauchspeicheldrüse imitiert (Basalbedarf), fangen die schnell wirksamen Insuline den Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit ab (Bolus). Die richtige Dosis wird dem vorher bestimmten Blutzuckerwert sowie der Nahrungsmenge und -art angepasst.

Individualisierte Therapie Die Insulintherapie im Kindes- und Jugendalter muss Besonderheiten berücksichtigen, die ein Diabetes in jungen Jahren mit sich bringt. So wird in der Pubertät ein stark erhöhter Blutzuckeranstieg in den frühen Morgenstunden aufgrund einer vermehrten Hormonausschüttung (Cortisol, Glukagon) beobachtet (Dawn-Phänomen), die mit einer Überzuckerung (Hyperglykämie) einhergehen kann. Zudem stellen veränderte Lebensgewohnheiten wie langes Ausschlafen, Übernachten bei Freunden oder abendliches Ausgehen bei den Jugendlichen Herausforderungen an die Insulintherapie.

Aber auch in anderen Altersstufen ist der Blutzuckerspiegel durch hormonelle Veränderungen (z. B. Wachstumshormone), unvorhergesehene Aktivitäten und unregelmäßigem Essen hohen Schwankungen ausgesetzt. Vor allem neigen Kinder unter vier Jahren zur Unterzuckerung (Hypoglykämie), da es in diesem Alter besonders schwer ist, vor dem Essen abzuschätzen, wie viel die Kleinen wirklich von der Mahlzeit essen. Zudem ist ihr Bewegungsdrang groß, aber nicht immer gleich und nur begrenzt planbar. Daher sollten Diabetes-Kinder immer Traubenzucker mit sich führen.

Pens und Pumpen Die Applikation des Insulins kann ebenso wie bei Erwachsenen mit Pens erfolgen. Da bei den Kleinen nur sehr geringe Mengen an Insulin gespritzt werden, gibt es spezielle Pens für Kinder, mit denen die Insulineinheiten in 0,5er-Schritten dosiert werden. Bei sehr jungen Patienten kommen aber vorrangig Insulinpumpen zum Einsatz, die in regelmäßigen Zeitabständen subkutan Insulin abgeben. In Anlehnung an die physiologische Insulinsekretion wird bei der kontinuierlichen subkutanen Insulininfusion der Basalbedarf mit einem Normalinsulin oder einem schnell wirksamen Insulinanalogon als Dauerinfusion verabreicht.

Zusätzlich ruft der Patient zu den Mahlzeiten variable Einzeldosen (ebenfalls ein schnell wirksames Insulin) per Knopfdruck ab. Möglich ist auch, den Bolus per Fernsteuerung (von den Eltern) zu initialisieren. Derzeit nutzen etwa 90 Prozent aller Kinder unter sechs Jahren eine Insulinpumpe. Bei den älteren Kindern und Jugendlichen setzen mehr als die Hälfte der Betroffenen eine Pumpe ein.

Vorteile einer Pumpentherapie Gerade kleine Kinder profitieren von der Pumpentherapie. Mit der Pumpe lässt sich die Therapie erheblich vereinfachen. Es wird nicht nur der Aufwand für die betreuenden Eltern reduziert, auch für die Kinder wird es leichter. Anstelle mehrmals täglich notwendiger Insulin-Applikationen mittels Pen, ist lediglich alle ein bis drei Tage ein Wechsel der Nadel nötig. Vor allem hilft sie, Hyper- und Hypoglykämien zu vermeiden, was bei den häufigen Stoffwechselschwankungen in jungen Jahren eine erhöhte Therapiesicherheit bedeutet. Zudem lassen sich mit einer kontinuierlichen Insulininjektion niedrige Langzeit-Blutzuckerwerte (HbA1c) erzielen.

Regelmäßige Kontrolluntersuchungen Grundsätzlich ist gleich mit Beginn der Diagnosestellung, für eine gute langfristige Blutzuckereinstellung zu sorgen, um das Risiko für diabetische Folgeerkrankungen (z. B. Blindheit, Nierenversagen, Herzinfarkt) zu minimieren. Da diese Komplikationen bereits ab der Pubertät auftreten können, sind von Anfang an regelmäßig die Blutzuckerwerte zu überprüfen. Ebenso müssen jährliche Kontrolluntersuchungen stattfinden (z. B. Augenuntersuchungen mit Augenhintergrundbetrachtung, Bestimmung der Blutfette, des Blutdrucks, des Mikroalbumingehaltes im Urin).

Keine Diabetes-Diät Da sich die intensivierte Insulintherapie der Nahrungsaufnahme anpasst, ist es heutzutage möglich, auf eine konventionelle Diabetes-Diät beim zuckerkranken Kind zu verzichten. Ernährungswissenschaftler empfehlen für Diabetes-Patienten eine vollwertige Ernährung, die sich in der Art, Zusammensetzung und Menge nicht von einer Nahrung stoffwechselgesunder Gleichaltriger unterscheidet. Sogar Vorlieben des Kindes und eine moderate Zuckerzufuhr (Kuchen und Fruchtsäfte) können unter Beachtung einer darauf abgestimmten Insulingabe in den Speiseplan mit aufgenommen werden.

Pädiatrische Diabetes-Schulungen Patienten und Eltern müssen für eine erfolgreiche Insulintherapie lernen, wie viele Insulineinheiten der Körper abhängig von der Lebensmittelwahl benötigt. Grundlage dafür ist die Kenntnis der unterschiedlichen Resorptionsgeschwindigkeiten von Kohlenhydraten und deren Blutzuckerwirksamkeit. Somit bleiben Kohlenhydrat-Austauschtabellen für die Schätzung des Kohlenhydratgehaltes der Nahrungsmittel weiterhin unverzichtbar. Darüber hinaus hilft der Glykämische Index, die blutzuckererhöhende Wirkung kohlenhydratreicher Nahrung abzuschätzen.

Das Wissen darüber wird in einer Ernährungsberatung vermittelt, die Teil spezieller Diabetes-Schulungen ist. Optimal sind nach Altersgruppen differenzierte Schulungsangebote. Dort wird auch über die Erkrankung und ihre Therapie, erforderliche Blutzuckermessungen und ihre Dokumentation, Symptome von Unter- und Überzuckerung sowie über akute und langfristige Komplikationen kindgerecht informiert.

Kasten - Therapie des Diabetes Typ 2 Kinder können auch schon unter einem Diabetes Typ 2 leiden. Jährlich erkranken daran in Deutschland etwa 200 Kinder. Die Therapie der Stoffwechselerkrankung erfolgt in der Regel wie bei den an „Altersdiabetes“ erkrankten Erwachsenen mit Metformin. Reicht dies nicht aus, wird zusätzlich Insulin gespritzt. Alternativ kann gleich eine orale Gabe mit einer Injektionstherapie kombiniert werden. Zudem ist eine Gewichtsreduktion sowie die Normalisierung einer Hyperlipidämie oder eines Bluthochdruckes essenziell, da ein Diabetes Typ 2 im Kindesalter neben genetischen Faktoren eng mit Übergewicht und Fettleibigkeit in Zusammenhang steht.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 02/2021 ab Seite 90.

Gode Chlond, Apothekerin

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