Ein Mensch hält in einer Hand Süßstofftabletten, in der anderen Zuckerwürfel© AntonioGuillem / iStock / Getty Images Plus
Süßstoff oder Zucker - was ist besser?

Blutzuckerspiegel

SÜSSSTOFFE VERSCHLECHTERN GLUCOSESTOFFWECHSEL

Obwohl Süßstoffe selbst keinen Einfluss auf die Insulinausschüttung haben, verändern sie die Verstoffwechselung insulinsensitiver Kohlenhydrate wie Glucose. Ein Grund dafür findet sich im Darmmikrobiom.

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Um den Konsum von Saccharose, also dem normalen Haushaltszucker, zu verringern, greifen viele Menschen auf künstliche Süßungsmittel wie Aspartam oder Stevia zurück. Israelische Forscher haben herausgefunden, dass sie sich damit einen Bärendienst erweisen.

Saccharin, Sucralose oder wie auch immer die chemisch hergestellten Süßstoffe heißen: Sie schmecken zwar süß, lösen aber keine Insulinausschüttung im Körper aus. Doch misst man bei gesunden Probanden hinterher die Blutzuckerantwort mit einer Glucose-Standardlösung, stellt sich heraus: Ihr Blutzuckerspiegel steigt über die Norm hinaus.

Schwierig zu finden: Freiwilligentruppe ohne Süßstoff

Die Biologen vom israelischen Weizmann Institute of Science hatten für ihr Experiment nach Probanden gesucht, die ausnahmslos auf Süßstoffe verzichteten. Das war gar nicht so einfach: Angesichts des sehr verbreiteten Einsatzes von kalorienlosen Zuckeralternativen fand das Team erst nach langer Suche 120 solcher Freiwilliger. Diese teilten sie in sechs Gruppen auf: Vier Gruppen erhielten zwei Wochen lang jeden Tag Tabletten mit Saccharin, Sucralose, Aspartam oder Stevia. Zwei Gruppen dienten der Kontrolle.

Davor, währenddessen und danach unterzogen sich die Teilnehmer mehreren standardisierten Glucosetoleranztests (50 Gramm Einfachzucker in Wasser gelöst auf nüchternen Magen). Mit einem kontinuierlich messenden Sensor, wie ihn Diabetiker verwenden, erhielten die Forscher Einblicke in den Stoffwechselvorgang der Blutzuckerantwort – und zwar in Echtzeit.

 

Jemandem einen Bärendienst erweisen
Woher kommt eigentlich der Ausdruck „Jemandem einen Bärendienst erweisen“ und was bedeutet er? In einer 1678 erschienenen Fabel von Jean de La Fontaine möchte ein Bär die lästige Fliege auf der Nase eines Gärtners vertreiben. Er nimmt einen Stein – und erschlägt versehentlich beide. Und so bedeutet diese Redewendung, jemandem etwas Gutes tun zu wollen – ihm aber aus Versehen damit zu schaden.

Darmmikrobiom zeigt nachweisliche Veränderung

Glucose wechselt durch die Darmwand ins Blut und lässt so den Blutzuckerspiegel ansteigen. Dieser Ausschlag war in der Saccharin und Sucralose-Gruppe signifikant höher als vor Beginn des Experimentes. Sobald die Probanden aber aufhörten, Süßstoffe einzunehmen, normalisierte sich die Blutzuckerantwort nach wenigen Tagen wieder.

Doch worin lag der veränderte Stoffwechsel begründet? Die Forscher untersuchten dazu die im Darm der Probanden lebenden Bakterien, Viren und andere Mikroorganismen. Schon vorherige Studien hatten gezeigt, dass Süßstoffe das dortige Mikrobiom verändern. Doch wie genau? Die Biologen untersuchten akribisch, wie sich die einzelnen Bakterienstämme zahlenmäßig veränderten und dokumentierten zudem, ob das Mikrobiom nach dem Kontakt mit Zuckeralternativen anders reagiert.

Light-Produkte bringen Stoffwechsel durcheinander

In allen vier Süßstoffgruppen fanden die Wissenschaftler Veränderungen im Mikrobiom - am deutlichsten bei den Teilnehmern, die Saccharin und Sucralose einnahmen. Saccharin gelangt nur sehr langsam vom Darm ins Blut, Sucralose wird hingegen fast unverändert wieder ausgeschieden. Deshalb können beide Stoffe besonders ausgiebig mit dem Darmmikrobiom interagieren.

Versuchsmäuse, die zuvor steril gelebt und kein eigenes Mikrobiom ausgebildet hatten, wurden dazu Stuhlproben der Probanden verabreicht. Daraufhin entwickelten die Nager Blutzuckerantworten, die denen der Spender ähnelten.

Coautor Eran Elinav fand nachdenkliche Worte: „Wir müssen darauf aufmerksam machen, dass kalorienlose Süßstoffe für den menschlichen Körper nicht so unbedeutend sind wie ursprünglich angenommen“, sagte er der Fachzeitschrift „Cell“, in der die Süßstoff-Studie vor kurzem erschien. Welche gesundheitlichen Auswirkungen die Zuckerersatzstoffe haben, sei allerdings noch unbekannt: Neue Langzeitstudien müssen dafür her.

Quelle: spektrum.de

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