Muskeln
PTA-Fortbildung

Sicher beraten bei Muskelbeschwerden

Muskeln sind wichtig für alle lebensnotwendigen Prozesse im Körper – vom Herzschlag bis hin zur körperlichen Bewegung. Bei vielen Muskelbeschwerden sind Sie in der Apotheke die erste Adresse, um Hilfe zu erhalten. Hier erfahren Sie, bei welchen Beschwerden Sie Ihre Kunden wie beraten.

18 Minuten

Chronische Muskelerkrankungen Es gibt eine Vielzahl von Erkrankungen, die zu einer lokalen oder generalisierten Abnahme der Muskelmasse führen. Muskelatrophie ist also ein Symptom und keine Diagnose. Beispielsweise geht die chronische und letal endende Krankheit der amyotrophen Lateralsklerose (ALS) mit einem progredienten Muskelabbau einher. Letztlich sind Muskelschwund und Muskelschwäche die Hauptsymptome von neuromuskulären Krankheiten.

Ursache können Störungen in den für die Bewegung zuständigen Nervenzellen des Rückenmarks, in den Nervenbahnen, in der Überleitung von der Nervenfaser auf den Muskel oder in der Muskulatur selbst sein. Dabei werden die genetisch bedingten Erkrankungen, also die primären von den sekundären Myopathien unterschieden. So sind kongenitale Myopathien durch Genmutationen bereits bei der Geburt vorhanden und werden in den ersten Lebensmonaten offenbar, wenn die Kinder keine altersgemäße motorische Entwicklung durchlaufen.

Mediziner differenzieren mehr als 250 Muskelerkrankungen. Die exakte Diagnosestellung ist nicht immer einfach, aber notwendig, um die Lebensqualität der Betroffenen zu gut wie möglich sicherzustellen. So gibt es entzündliche Myopathien, die durch eine Autoimmunerkrankung ausgelöst werden. Weitere Beispiele für chronische Muskelerkrankungen sind die Muskeldystrophie oder myotone Syndrome.

Die Muskeldystrophie beschreibt eine fortschreitende Muskelschwäche, die auf einem erblich bedingten Eiweißmangel beruht. In der Folge kann der Muskelstoffwechsel nicht optimal funktionieren und das Muskelgewebe bildet sich zurück. Häufige Formen der Muskeldystrophie sind die Typen Duchenne und Becker-Kiener.

Die Amyotrophe Lateralsklerose ist eine sehr ernste Erkrankung des zentralen und peripheren Nervensystems. Ihre Ursache ist mit Ausnahme der seltenen erblichen Formen bisher unbekannt. Etwa ein bis zwei Menschen pro 100 000 Personen erkranken pro Jahr an dieser fortschreitenden Muskelerkrankung, die mit einer im Durchschnitt um vier bis fünf Jahren verkürzten Lebenserwartung einhergeht. Sie wird meistens zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr diagnostiziert.

Betroffen ist ausschließlich das motorische Nervensystem und nicht die Wahrnehmung wie Riechen, Schmecken, Hören und Sehen. Auch die Funktionen des Gastrointestinaltrakts sind in der Regel nicht eingeschränkt. Das motorische System, das Muskeln und Motorik steuert, lässt sowohl in den zentralen Arealen im Gehirn bis hin zu den peripheren Anteilen im Rückenmark und den Nervenfasern bis zu den Muskeln nach. Erste Symptome betreffen oft die Hand- und Unterarmmuskulatur, seltener die Fuß- oder Unterschenkelmuskulatur.

Typisch sind bereits in den Anfängen unwillkürliche Muskelzuckungen und schmerzhafte Muskelkrämpfe. Die Krankheit breitet sich langsam über den ganzen Körper aus und führt zu zunehmender Beeinträchtigung der Atemmuskulatur, die später den Tod auch für verantwortlich sein kann. Myopathien können auch sekundär als Begleiterscheinung einer anderen chronischen Erkrankung auftreten oder die Folge von Stoffwechselerkrankungen oder oder Mangelernährung sein.

Ein weiteres Beispiel einer erworbenen Myopathie ist die Alkoholmyopathie. Weiterhin können Arzneistoffe Myopathien als Nebenwirkung hervorrufen, wie es zum Beispiel bei Statinen bekannt ist. Abhängig von der Dosierung treten Statin-assoziierte-Muskelsymptome (SAMS) bei den Anwendern in unterschiedlicher Intensität auf. Die Betroffenen klagen über Muskelschwäche, symmetrische Verkrampfungen und Versteifungen der Muskulatur.

Begleitend kann die Serumkreatininkinase (CK) erhöht sein. Das Risiko für Myopathien steigt mit der Dosis der Statine, bei Interaktionen mit der Begleitmedikation (zum Beispiel Makrolide) und individuellen Risiken wie Alter und Niereninsuffizienz. Häufig tritt bei Patienten unter einer Statintherapie der sogenannte Nocebo-Effekt auf. Die unerwünschte Wirkung der Muskelschmerzen ist vielen Menschen durch die Medien bekannt. Wenn also diese Nebenwirkung unter der Einnahme erwartet wird, tritt der Effekt bei einem gewissen Prozentsatz der Patienten ein, ohne dass tatsächlich ein klinisch nachweisbarer Befund für eine Myopathie vorliegt.

Wichtige Fragen an ihren Kunden – kurz und knapp
+ Wer ist betroffen?
+ Was ist passiert?
+ Welche Beschwerden bestehen?
+ Wie lange schon?
+ Was wurde unternommen?
+ Welche Vorerkrankungen bestehen und welche Medikamente werden eingenommen?


Ein Übersichtssposter zur Akutversorgung nach der PECH-Regel finden Sie hier.

Beratungsleitfaden Da Muskelbeschwerden so vielfältig sind wie ihre Ursachen, ist ein intensives Beratungsgespräch so wichtig – zumal viele Kunden erst in die Apotheke kommen und noch nicht beim Arzt untersucht wurden. Als erstes ist zu fragen, welche Schmerzen vorliegen und wo sie lokalisiert sind. Außerdem sollten Sie sich nach chronischen oder akuten Beschwerden sowie möglichen bekannten Ursachen erkundigen.

Zu beachten sind auch individuelle Besonderheiten in Form von Vorerkrankungen oder der Dauermedikation. Ziel muss es sein, im Beratungsgespräch zu entscheiden, ob eine Behandlung mit topischen oder oralen Zubereitungen möglich und sinnvoll ist oder ob die Grenzen der Selbstmedikation überschritten sind. Bei starken Schmerzen, Einschränkung der Mobilität, Blutungen, chronisch andauernden Beschwerden und unklarer Ursache sollte der Betroffene immer zur Abklärung zum Arzt geschickt werden.

Ist aber Selbstmedikation möglich, gilt es, das richtige Präparat auszuwählen. Wird ein topisches Mittel bevorzugt, kann zwischen Lotionen, Cremes und Gelen mit pflanzlichen und chemischen Inhaltstoffen ausgewählt werden. Ist eher eine abschwellende Wirkung, zum Beispiel bei Hämatomen gewünscht, sind orale Enzympräparate oder Heparingele zusammen mit kühlenden Maßnahmen zu empfehlen. Klagt der Kunde eher über Muskelkater oder Verspannungen, sind Wärmepflaster, hyperämisierende und durchblutungsfördernde Einreibungen anzuraten.

Bei stärkeren Schmerzen sind dann NSAR-haltige Topika oder Pflaster angezeigt. Bei der Auswahl der Produkte sollten Wirksamkeit, Verträglichkeit, individuelle Risikofaktoren und die Vorlieben des Kunden bezüglich der Darreichungsform berücksichtigt werden. Anschließend folgt die Erläuterung der Anwendung, der Dosierung und Hinweise zu möglichen Nebenwirkungen und der Entsorgung. Zum Beispiel darf ein transdermales System nicht mit der Schere zerschnitten werden – „damit man länger damit auskommt“, wie eine Kundin ihrer Apothekerin berichtete.

Nach dem Gebrauch von hyperämisierenden Gelen und Salben sollte sich der Anwender die Hände waschen und aufpassen, dass nicht versehentlich etwas auf die Schleimhäute gelangt. NSAR-haltige Tabletten sollten in der richtigen Dosierung mit reichlich Wasser, am besten nach der Mahlzeit geschluckt werden. Mögliche gastrointestinale, renale oder kardiovaskuläre Risiken sind bei der dauerhaften Einnahme abzufragen und abzuwägen.

Gegebenenfalls ist die Kombination mit einem Protonenpumpenhemmer zu erwägen. Bei einer guten Beratung sollten nichtmedikamentöse Tipps für den Kunden nicht fehlen. So können Hinweise zur Muskelentspannung, Bewegungstherapie, Wärme- und Kältebehandlung sinnvoll sein. Sportler sollten zum richtigen Trainingspensum mit Regenerationsphasen und der ausgewogenen Ernährung aufgeklärt werden.

Dr. Katja Renner, Apothekerin


Die Autorin versichert, dass keine Interessenkonflikte im Sinne von finanziellen oder persönlichen Beziehungen zu Dritten bestehen, die von den Inhalten dieser Fortbildung positiv oder negativ betroffen sein könnten.

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