Blasenentzündung
PTA-Fortbildung

Leichtsinn mit Folgen

Auch wenn die Sonne schon angenehm wärmt, der Boden ist noch kühl. So manch eine, die es sich auf dem Rasen gemütlich macht, bereut es kurz danach. Dann zwickt es und sie ist da – die Blasenentzündung.

19 Minuten

Leitliniengerechte Antibiotikatherapie Die leitliniengerechte Substanzwahl hängt vor allem von der Diagnose (Zystitis oder Pyelonephritis), der Verlaufsform (mild/mittelschwer oder schwer) und der Patientengruppe (z. B. Frauen, Männer, Schwangere, Diabetiker mit instabiler Stoffwechsellage) ab. So werden beispielsweise bei einer unkomplizierten Zystitis andere Antibiotika als bei einer komplizierten Pyelonephritis verordnet. Ebenso erfordern die einzelnen Risikogruppen gegebenenfalls unterschiedliche Substanzen. Antibiotika, die beispielsweise bei einer Zystitis bei Frauen leitlinienkonform verordnet werden, sind nicht bei Harnwegsentzündungen des männlichen Geschlechts Mittel der Wahl. Oder Schwangere können Substanzen als First-line-Antibiotikum erhalten, die bei Nicht-Schwangeren nicht an erster Stelle stehen.

Standardgruppe Frauen Nichtschwangere Frauen in der Prämenopause ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen stellen für die Leitlinienautoren die Standardgruppe dar. Sie erhalten bei einer unkomplizierten Zystitis vorzugsweise eine orale Kurzzeittherapie mit Fosfomycin, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam oder unter gewissen Voraussetzungen Trimethoprim. Diese Substanzen sind Mittel der ersten Wahl, da ihre Resistenzraten sehr niedrig sind und sie eine gute Verträglichkeit aufweisen. Bei Trimethoprim gilt die Einschränkung, dass es nur in Regionen eingesetzt werden soll, in denen die lokale Resistenzsituation von E. coli unter 20 Prozent liegt. Bei Fosfomycin reicht eine Einmalgabe aus (möglichst zur Nacht nach Entleerung der Blase).

Pivmecillinam wird drei Tage, Nitrofurantoin je nach Dosierung und Darreichungsform (nicht-retardiert/retardiert) fünf oder sieben Tage, Nitroxolin fünf Tage und Trimethoprim drei Tage lang eingenommen. Auf die früher standardmäßig praktizierte kombinierte Gabe mit Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol = Trimethoprim/Sulfamethoxazol) ist heute wegen regional bestehender hoher Resistenzraten zu verzichten. Ebenso sollen Cephalosporine (z. B. Cefpodoxim) und Fluorchinolone (z. B. Ciprofloxacin, Levofloxacin) bei unkomplizierten Blasenentzündungen nicht mehr Mittel der ersten Wahl sein. Sie gelten heute vielmehr als Mittel der Reserve und bleiben für komplizierte Verläufe oder die Behandlung einer Pyelonephritis vorbehalten.

Fluorchinolone und Cephalosporine gelten heute als Reservemittel und bleiben für komplizierte Verläufe oder für die Behandlung einer Pyelonephritis vorbehalten.


Besondere Patientengruppen Bei Schwangeren mit einer unkomplizierten Blasenentzündung zählen orale Cephalosporine allerdings neben Fosfomycin und Penicillin-Derivaten wie Pivmecillinam weiterhin zu den Mitteln der ersten Wahl. Dabei wird seltener die Kurzzeittherapie angeraten, sondern eine Antibiotikaeinnahme bis zu sieben Tagen bevorzugt. Schwangere stellen ein besonderes Patientengut da, da sie zu einer Nierenbeteiligung neigen, die eine Früh- oder Fehlgeburt verursachen oder mit Folgeschäden für das Ungeborene einhergehen kann. Liegt eine Pyelonephritis vor, soll in der Schwangerschaft über eine stationäre Antibiotikatherapie nachgedacht werden. Bei Diabetikern muss differenziert werden, ob der Harnwegsinfekt als unkompliziert oder kompliziert zu werten ist.

Handelt es sich um einen ansonsten gesunden Diabetiker, der mit seiner Diabetes-Therapie gut eingestellt ist, gelten für ihn die gleichen Therapierichtlinien wie für Personen ohne Diabetes mellitus. Liegt jedoch ein instabiler Stoffwechsel oder eine fortgeschrittene diabetische Nephropathie vor, wird jeder Harnwegsinfekt bei ihm als kompliziert betrachtet, was Einfluss auf die Therapie hat (evtl. stationärer Aufenthalt). Für die Behandlung einer Zystitis bei Männern kommen weder Fosfomycin noch Nitroxolin in Frage. Bei ihnen sind Pivmecillinam und Nitrofurantoin die Mittel der Wahl, wobei bei Nitrofurantoin eine Beteiligung der Prostata ausgeschlossen sein muss. In der Praxis kommt dies in der Regel bei jüngeren Männern ohne Risikofaktoren vor. Fluorchinolone sollen nur bei einer Pyelonephritis zum Einsatz kommen.

Rezidive behandeln Häufig wiederkehrende Harnwegsinfektionen erfordern eine besondere Vorgehensweise. Bei Rezidiven muss zwischen einem Rückfall und einer Neuinfektion unterschieden werden. Kehren die Beschwerden trotz Therapie und anfänglicher Besserung innerhalb von zwei Wochen zurück, geht man von einem Rückfall beziehungsweise einem Therapieversagen aus. Überwiegend treten Rezidive aber erst nach zwei Wochen oder später auf. Dann handelt es sich um eine Neuinfektion, bei der vorliegende Erreger mit dem des Erstinfekts identisch sein können, aber nicht müssen. Es werden auch andere gefunden.

Mögliche Ursachen für einen Rückfall können nicht erkannte Risikofaktoren (z. B. Anomalie der Harnwege mit Harnabflussstörungen) aber auch mangelnde Compliance (z. B. eine zu kurz durchgeführte Antibiose) oder resistente Erreger sein. Bei einem Rückfall wird gegebenenfalls mit einem anderen Antibiotikum der ersten Wahl behandelt, wobei häufig eine längere Therapiedauer von fünf bis sieben Tagen erfolgt. Empfohlen wird zudem eine Urinkultur, um die Substanz auf den Erreger abzustimmen. Eine Neuinfektion wird hingegen wie eine Erstinfektion behandelt (kalkulierte Kurzzeittherapie).

Rezidive vermeiden Bevor Medikamente zur Prävention von Harnwegsinfektionen zum Einsatz kommen, sehen die Leitlinien eine ausführliche Beratung vor. Frauen, die häufig unter Rezidiven leiden, sollen darüber aufgeklärt werden, wie sie mit ihrem Verhalten (z. B. Trinkmenge, Geschlechtsverkehr, Hygiene, Verhütung) das Risiko von wiederkehrenden Infektionen beeinflussen können. Nächster Schritt ist der Versuch, Rezidive medikamentös, aber ohne Antibiotika zu vermeiden. Dafür empfiehlt die S3-Leitlinie beispielsweise eine Immunoprophylaxe mit Zellwandbestandteilen uropathogener E. coli Stämme (orale Immunstimulation) oder mit inaktivierten Keimen verschiedener spezifizierter Enterobakterien (parenterale Immunstimulation). Dadurch soll im Sinne einer Impfung die lokale Immunantwort gestärkt werden.

Zudem haben zur Hemmung der bakteriellen Adhäsion der Zucker D-Mannose und als antimikrobielle Phytotherapeutika Bärentraubenblätter sowie eine Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel eine explizite Empfehlung erhalten. Für Frauen nach der Menopause sehen die Leitlinien eine lokale Estrogenapplikation vor. Durch die vaginale Gabe von 0,5 Milligramm Estriol am Tag werden die Schleimhäute gegen uropathogene Keime widerstandsfähiger, was zur Verhinderung wiederkehrender Blasenentzündungen beiträgt. Führen all diese Optionen nicht zum gewünschten Erfolg, empfehlen die Leitlinien eine Langzeiteinnahme niedrig dosierter Antibiotika.

Dafür nehmen die Patientinnen über einen Zeitraum von drei Monaten bis zu sechs Monaten (in Ausnahmefällen auch länger) abends nach dem letzten Wasserlassen ein niedrig dosiertes Antibiotikum ein. Als Alternative für Frauen, bei denen es zu Rezidiven nach Geschlechtsverkehr kommt, propagieren sie eine postkoitale Einmaleinnahme eines Antibiotikums. Genaueres zu den möglichen Antibiotika und ihren verschiedenen Therapieregimen findet sich in den Leitlinien.

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