© DIE PTA IN DER APOTHEKE
© DIE PTA IN DER APOTHEKE

Interview

ECHTE GLÜCKSMOMENTE

Sind Sie fit oder eher ein Bewegungsmuffel? Wir haben Barbara Klein, eine der bekanntesten deutschen Sport-Physiotherapeutinnen befragt, warum Bewegung eine Bereicherung des Lebens sein kann.

Seite 1/1 6 Minuten

Seite 1/1 6 Minuten

Frau Klein, alle Welt empfiehlt sportlich aktiv zu werden. Warum ist es denn besonders für Frauen sinnvoll, bewegter zu leben?
Frauen haben einen etwas langsamer funktionierenden Stoffwechsel als Männer. Dieser lässt sich durch regelmäßige Bewegung ankurbeln. Dazu kommt, dass Frauen ab Anfang oder Mitte 40 ihre hormonellen Herausforderungen haben. Hier lässt sich bei jedem sehr gut mit Bewegung gegensteuern. Das stärkt die Knochen, denn die Tendenz zur Osteoporose steigt mit dem Beginn der Wechseljahre. Außerdem verändern sich meist auch die Körperformen, sprich die Beine werden gerne dünner und die Körpermitte legt an Umfang zu. Auch hier lässt sich mit gezielter Bewegung gegensteuern. Ein moderates Training aus einer Mischung von Kraft, Beweglichkeit, Mobilisation und Ausdauer bietet sich optimal an. Es macht auch wenig Sinn sich durch unrealistische Ideale wie Modelmaße oder das persönliche Idealgewicht mit Anfang 20 unter Druck zu setzen. Wer sich mit extremem Sport wie Marathon oder ständigen Wettkämpfen in diesem Alter stresst, tut dem Körper nichts Gutes. Ein abwechslungsreiches, altersgerechtes Training hilft auf Dauer fit und beweglich zu bleiben. Mein Credo lautet mäßig, aber regelmäßig.

Spielt es eine Rolle in welchem Alter man mit Sport beginnt?
Je früher man anfängt, desto besser, keine Frage. Dennoch ist es niemals zu spät mit Sport zu starten, ganz gleich ob mit 40, 50 oder 80 Jahren. Das Schöne beim späten Beginn ist der schnell sichtbare Erfolg. Es gibt eine Menge an Studien, die belegen, dass zum Beispiel Senioren, die mit 70 Jahren erst richtig anfangen, schon nach einem Monat aufrechter und gesünder durchs Leben gehen. Also das Fortschreiten des Alterns lässt sich durch Bewegung definitiv verzögern. Dazu gibt es einen meiner Lieblingssprüche von Professor Wildor Hollmann, ein mittlerweile 95-jähriger Arzt. Er sagt, Bewegung ist die einzig wissenschaftlich gesicherte Maßnahme biologisches Altern aufzuhalten.

Wo fängt denn Sport an – also was und wieviel reicht aus, um dem Körper etwas Gutes zu tun?
Also die meisten investieren rund sechs Minuten täglich in ihre Zahnpflege. Wenn wir das fünffache dieser Zeit für den restlichen Körper verwenden, wäre das ideal. Selbst beim Zähneputzen lässt sich etwas Bewegung integrieren. Zum Beispiel abwechselnd auf einem Bein stehen und die Balance halten oder auf der Stelle gehen. Empfehlenswert ist es, fünfmal die Woche etwa eine halbe Stunde, also 150 Minuten pro Woche, aktiv zu sein. Es ist aber auch kein Drama, wenn es in einer Woche mal nicht mit dieser Menge geklappt hat. Denn wichtig ist auf Dauer die Regelmäßigkeit. Auch der Spaßfaktor beim jeweiligen Sport darf nicht zu kurz kommen. Denn das ist mit einer der Garanten, die dazu beitragen auf Dauer am Ball zu bleiben.

Spielt es eine Rolle, ob eher sanft oder anstrengend trainiert wird?
Es muss sich nicht permanent verausgabt werden. Sicher ist es sinnvoll ab und zu mal eine Minute aus der Komfortzone herauszukommen. Aber dauerhaft nur im High-Level zu trainieren ist sogar eher kontraproduktiv. Denn das stresst unser Immunsystem unnötig. Außerdem wird Bewegung dann mit negativen Gedanken verknüpft.

Joggen, Tennis oder Aerobic – beim Thema Bewegung denken viele direkt an Höchstleistungen. Welche Tipps haben Sie, um Fitnessfaultieren und Sportanfängern Bewegung schmackhafter zu machen?
Am besten ist es mit langsamen und kürzeren Einheiten zu starten. Wichtig ist auch, sich etwas zu suchen, was einem Spaß und Freude bereitet. Sei es Walken, Schwimmen, Tanzen, Trampolintraining, Radfahren oder Gymnastik. Jeder findet etwas, das ihm Spaß macht, da bin ich ganz sicher. Je abwechslungsreicher und regelmäßiger das Training, desto besser. Außerdem verleiht es ein gutes Gefühl.

Warum spielt Abwechslung beim Training so eine große Rolle?
Regelmäßige Abwechslung fordert unseren Körper intensiver als ständig gleiche Übungen. Also ruhig an drei von fünf Trainingseinheiten etwas anderes machen. Zum Beispiel einen Tag Cardio, gefolgt von Kraft und funktionalen Übungen. Am Folgetag zum Beispiel etwas Ruhigeres für die Balance und Mobilisation. Die beiden weiteren Einheiten pro Woche wären dann wieder Ausdauer und Kraft. Das entspricht auch meinem BMI-Konzept, wo es täglich 30 Minuten neue und andere Übungen gibt. Denn wer jede Woche das Gleiche macht, wird auf Dauer keine Veränderungen oder Verbesserungen spüren. Es müssen immer größere und längere Einheiten der jeweiligen Sportart praktiziert werden, damit sich überhaupt etwas tut. Häufig bleibt dabei einiges auf der Strecke. So fehlt es dem Läufer beispielsweise an Kraft und denjenigen, die Krafttraining machen, mangelt es an Kondition. Selbst in den einzelnen Bereichen wie Kraft oder Ausdauer macht es Sinn zum Beispiel einen Monat Rad zu fahren, im nächsten Monat zu Joggen oder Bahnen im Schwimmbad zu ziehen.

Zeitmangel ist ein häufiges Thema – welche Tipps haben Sie dazu für unsere LeserInnen?
Meine Devise ist immer, je weniger man in seiner Freizeit vor dem Fernseher, PC oder Laptop verbringt, desto mehr Zeit steht für andere Dinge zur Verfügung. Dann ist auf jeden Fall auch Zeit für 20 bis 30 Minuten aktive Bewegung, die im Grunde genommen eine aktive Erholung ist. Wer seine Lieblingsserie sehen möchte, kann selbst dabei aktiv werden. Einfach das Trainingsgerät vor den Fernseher stellen und beim Zuschauen bewegen. Oder auf einem Gymnastikball sitzen, wippen und ein paar Übungen machen. Meine Übungstipps auf den nächsten Seiten lassen sich ebenfalls einfach und praktisch vor dem Fernseher praktizieren. Wunderbar ist auch ein abendlicher Spaziergang, zum Beispiel mit dem Partner. Hier kann an einer Parkbank oder einem Baum Halt gemacht werden für ein paar Liegestütze oder Übungen für die Arme. So hat man ohne großen Aufwand direkt etwas für den Körper getan.

PTA haben meist einen stressigen Arbeitsalltag, zudem müssen sie häufig stehen. Was lässt sich in der Apotheke zwischendurch ausüben, um beispielsweise schwere Beine und Rückenschmerzen zu mindern?
PTA empfehle ich am besten so wenig wie möglich nur auf einer Stelle zu stehen. Besser ist es immer mal wieder umher zu gehen. Auch kurzes, intensives Dribbeln auf einer Stelle bringt viel und fordert Herz-Kreislauf heraus. Den Venen zuliebe abwechselnd auf die Ferse und den Ballen stellen, also praktisch wippen. In der Mittagspause zumindest mal für zehn Minuten rausgehen und zum Beispiel ein paar Kniebeugen absolvieren. Wichtig ist es auch etwas für die Hüfte zu tun. Denn langes Stehen geht oft zu Lasten der Hüften und des unteren Rückens. Beschwerden im unteren Rücken basieren allerdings häufig auch auf einer untrainierten Hüfte. Es ist sehr wichtig bewusst auch Übungen einzubauen, die der Hüfte guttun. Dazu bietet es sich an mit leicht gebeugten Beinen zu stehen und im Wechsel ein Bein anzuwinkeln und bewusst nach außen zu drehen. Toll ist auch ein Gymnastikball, auf den sich beim Telefonieren, bei Bestellungen oder PC-Arbeit gesetzt werden kann.

Welche Arten von Bewegung empfehlen Sie PTA als Ausgleich zum Arbeitsalltag und zur allgemeinen körperlichen Stärkung?
Funktionale Übungen mit dem eigenen Körpergewicht sind immer prima. Hocheffektiv ist auch das Training auf einem Minitrampolin. Zudem macht es auch noch richtig Spaß. Ob im Stehen, Sitzen oder Liegen – schnell oder bewusst langsam – all das ist auf dem Trampolin möglich. Wer sich für solch ein Sportgerät entscheidet, sollte allerdings ein qualitativ hochwertiges Gerät auswählen. Denn hier gibt es große Unterschiede im Hinblick auf die Funktionalität und Qualität des Sprungtuchs und der Spanngummis.

Wie oft und wie lange empfehlen Sie Sportneulingen aktiv zu sein?
Zu Beginn reichen schon dreimal je zwanzig Minuten pro Woche. So bekommt jemand, der untrainiert ist, erst einmal ein Gefühl dafür, wie sich Bewegung anfühlt und welch positive Wirkungen sie mit sich bringt. Wer es auf Dauer schafft, insgesamt 150 Minuten Aktivitäten auf mehrere Tage in der Woche zu verteilen, macht es genau richtig.

Wann zeigen sich denn erste Erfolge durch mehr Bewegung?
Nach zwei Wochen hat man das Plus an Bewegung integriert. Nach drei Wochen ist es mehr oder weniger schon Gewohnheit und gehört zum Alltag dazu. Fühl- und sichtbare Erfolge spürt man sogar schon nach den ersten zwei bis drei Wochen. Die Haltung, Gewicht und Beweglichkeit verbessern sich Stück für Stück. Vielen Dank für das motivierende Gespräch.

Dieses Interview finden Sie auch in der Sonderausgabe Frauengesundheit der PTA IN DER APOTHEKE ab Seite 76.

Das Gespräch führte Kirsten Metternich von Wolff

×