Frau mit Mütze© RobertoDavid / iStock / Getty Images

Kälteirritationen

REAKTIONEN DER HAUT AUF KÄLTE

Es müssen nicht unbedingt Minusgrade herrschen, um sichtbare Kälteirritationen auf der Haut hervorzubringen – bei manchen Menschen genügen bereits Temperaturen deutlich oberhalb des Gefrierpunktes: Stichwort Frostbeulen und Kälteurtikaria.

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Menschen mit einer Prädisposition für diese Irritationen reagieren sehr sensibel auf Kälte. Dies zeigt sich auf der Haut mit knotigen, rotbläulichen Schwellungen oder allergieartigen Quaddeln. Anders als bei einer Erfrierung ist nicht die klirrende Kälte Auslöser der Symptomatik.

Frostbeulen oder Pernionien Ursache dieser schmerzhaften Schwellungen sind durch Kälte hervorgerufene entzündliche Prozesse in der Haut. Hauptsächlich sind die Streckseiten der Finger und Zehen betroffen. Doch auch an Fersen, Unterschenkel oder im Gesicht treten die kreisrunden roten Flecke, die sich auch blau verfärben können, klassischerweise auf. Diese werden jedoch nicht durch Eiskristalle ausgelöst wie bei erfrorenem Gewebe. Ursache ist vielmehr eine regulatorische Funktionsstörung der Blutgefäße, die bereits bei Temperaturen um den Gefrierpunkt auftreten kann: Wenn sich bei prädisponierten Menschen – in der Mehrzahl sind dies Frauen – durch feuchtkalte Temperaturen die Blutgefäße zusammenziehen und das umliegende Gewebe schlecht mit Sauerstoff versorgt wird, kommt es zu entzündlichen Prozessen, die zur beschriebenen Symptomatik führen.

Erwärmt sich die Haut wieder, können die Frostbeulen stark jucken oder schmerzhaft brennen. Auch Blasen beziehungsweise Wunden können sich an der betroffenen Stelle bilden. Durch den Schutz vor Kälte mit Handschuhen und Mütze können die Betroffenen gut vorbeugen. Alles, was Durchblutungsstörungen provoziert, wie Rauchen oder Drogen sollen sie hingegen vor allem in der Kälte meiden. Auch Alkohol gehört dazu, der die Gefäße zwar zunächst weitstellt, aber dadurch auch dafür sorgt, dass dem Körper viel Wärme verloren geht. Sprichwörtliche „Frostbeulen“ sollen stattdessen für kalorischen Brennstoff in Form von Kohlenhydraten sorgen – also bloß kein Hungerast beim Skisport! Wer erste Anzeichen von Frostbeulen verspürt, sollte schnell das Warme aufsuchen und die roten Stellen in handwarmem Wasser sanft erwärmen.

Ein warmer Tee löst die Symptomatik von innen heraus. Wer nicht umgehend einen geheizten Raum aufsuchen kann, sollte zumindest für trockene Hände sorgen. Meist verschwindet die Hautanschwellung folgenlos nach mehreren Wochen. Sind offene Wunden oder Ulzera entstanden, empfehlen Sie dem Kunden eine Vorstellung beim Arzt. Das ist auch bei einem weniger dramatischen Verlauf durchaus sinnvoll, denn der Mediziner sollte abwägen, ob neben pflegenden Cremes auch gefäßerweiternde Medikamente erforderlich sind. Eventuell sind Antihistaminika gegen den Juckreiz oder glucocorticoidhaltige Salben gegen den Entzündungsprozess sinnvoll.

Erbliche Kälteallergie: FACAS
Eine Kälteurtikaria als Krankheit tritt meist spontan auf und ebbt ebenso nach einigen Jahren wieder ab. Forschende der Charité entdeckten nun eine erbliche Form der Erkrankung: FACAS (Faktor-XII-assoziiertes Kälte-induziertes autoinflammatorisches Syndrom). Neben Hautausschlägen ist der Gendefekt, der auf einer Mutation des Faktor-XII-Gens beruht, auch für körperweite Entzündungsreaktionen wie Fieber und Gelenkschmerzen verantwortlich.

Anders als bei der erworbenen Erkrankung helfen Antihistaminika hier nicht. Hingegen verschwindet der Hautausschlag bei der Einnahme des Arzneistoffs Icatibant, einem selektiven kompetitiven Bradykinin-B2-Rezeptorantagonisten, der beim hereditären Angioödem eingesetzt wird. Auch bei dieser seltenen Erbkrankheit ist ein Fehler im Faktor-XII-Gen ursächlich. Eine aktuelle Studie soll nun zeigen, ob der hier ebenfalls wirksame monoklonale Antikörper Lanadelumab auch bei FACAS hilft.

Quaddeln durch Kälte Niedrige Temperaturen oder das anschließende Aufwärmen können auch der Auslöser von stark juckenden allergieartigen Quaddeln auf der Haut oder den Schleimhäuten sein. Fachleute sprechen von Kälteurtikaria. Normalerweise bleibt die Reaktion auf die Körperareale beschränkt, die der Kälte ausgesetzt sind, das sind meist unbekleidete Stellen wie die Hände oder das Gesicht. Sind große Körperareale betroffen, wie bei einem Sturz ins kalte Wasser, kann dies sogar einen allergischen Schock auslösen. Auch Eis oder kalte Getränke können zu Komplikationen führen. Nämlich dann, wenn die Mundschleimhäute anschwellen oder sogar die Schleimhäute der Atemwege betroffen sind.

Auch bei dieser Erkrankung – die übrigens mehrheitlich bei jungen Frauen auftritt – liegt der Auslöser nicht unbedingt im frostigen Temperaturbereich: Bei manchen Betroffenen genügt eine Auskühlung der Haut auf 20 Grad Celsius und höher. Um eine klassische Allergie handelt es sich bei der sogenannten Kälteallergie jedoch nicht, denn der Auslöser ist kein Umweltantigen, das Antikörper provoziert. Auf bisher noch ungeklärte Weise führt die Kälte jedoch zur Degranulation der Mastzellen und Entzündungsmediatoren wie Histamin strömen aus.  

Diese machen die Gefäßwände durchlässiger, sodass Lymphe austreten kann und Quaddeln entstehen. Dermatologen vermuten, dass eine IgE-vermittelte Autoallergie vorliegt. Dafür spricht, dass die Patienten erhöhte IgE-Spiegel aufweisen und auf das Anti-IgE Omalizumab ansprechen. Oftmals erscheint die Kälteurtikaria im Zusammenhang mit anderen Erkrankungen, beispielsweise entzündlichen, viralen oder bakteriellen, und heilt mit deren Therapie aus. Auch verschiedene Arzneistoffe, unter anderem einige Schmerzmittel, Antibiotika, Antimykotika oder orale Kontrazeptiva, wurden schon als Ursache von Kälteurtikaria entlarvt.

Wichtig ist es für die Betroffenen, ihre individuelle Schwellentemperatur zu kennen, bei der die Reaktion der Haut und Schleimhäute auftritt und – wenn sich die Kälte nicht meiden lässt – Hände und Gesicht durch warme Kleidung zu schützen. Nach Absprache mit dem Arzt kann den Patienten auch die prophylaktische Einnahme von Antihistaminika in einer ausgetesteten Dosierung helfen. Liegt die Schwellentemperatur für die Reaktion relativ hoch, sollte der Patient für den Notfall einen Adrenalin-Autoinjektor, Cortison und ein Antihistaminikum parat haben.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 102.

Dr. Susanne Poth, Apothekerin/Redaktion

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