© Mike Fuchs / Extravert
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PTA-Porträt

PTA WIRD UNTERNEHMERIN

Wer Julie Strobach im Gespräch erlebt, hat nicht den Eindruck, es mit einer typischen Karrierefrau zu tun zu haben – und dennoch kann sie mit ihren erst 40 Jahren schon auf eine Karriere zurückblicken, die einzigartig in der Branche sein dürfte.

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Als erstes weist die ausgebildete PTA und Inhaberin einer Agentur für Apothekenschulungen darauf hin, dass sie „in einer Apotheke groß geworden ist.“ Und zwar in der ältesten Kölns, der Paradies- Apotheke, deren Inhaber ihr Vater war. „Ich kann mir auch heute noch den Geruch und das Tapetenmuster in Erinnerung rufen“, versichert Julie Strobach freudestrahlend. Und fügt hinzu, dass sie schon als Kind in der Apotheke ganz selbstverständlich mitgeholfen hat, „so wie das Kinder von Restaurantbesitzern wahrscheinlich auch tun.“

So hat die kleine Julie beispielsweise bei der Inventur leichtere Aufgaben übernommen oder schon damals Medikamente mit dem Fahrrad ausgeliefert. „Die Kunden mochten es, dass die Tochter vom Chef kam“, erinnert sie sich und ergänzt, dass sie bei diesen Tätigkeiten merkte, dass „ich einen guten Draht zu Menschen habe.“ Dann erklärt sie noch, dass sie eine Kölner Frohnatur sei und generell Menschen mag, was eine Grundvoraussetzung auch für ihre heutige Tätigkeit ist. 

Interesse an Menschen Nicht zuletzt wegen dieser Zugewandtheit wollte Strobach nach dem Abitur ursprünglich Psychologie studieren. Leider war zu dieser Zeit der Numerus Clausus für dieses Fach so hoch, dass sie diesen Wunsch in ihrer Lebensplanung hintan stellen musste. Ob sie Journalistin werden könnte? Bei dieser Idee spielte ihr Vater nicht mit. Stattdessen schlug er ihr vor, eine PTA-Ausbildung zu finanzieren, danach könne sie dann machen, was sie wolle. Die Tochter willigte ein. Und das, obwohl sie das Apothekenwesen zwar grundsätzlich mochte, aber mit manchen Aspekten eher auf Kriegsfuß stand.

„Zu meiner Ausbildungszeit musste ich noch Pillen drehen und Zäpfchen gießen lernen“, gibt sie zu Protokoll und wirkt dabei selbst heute noch leicht gequält. Allerdings heitert sich ihre Miene sofort wieder auf, wenn sie darüber spricht, dass sie parallel zu den PTA-Schuljahren in der väterlichen Apotheke gearbeitet hat und somit indirekt „in Bezug auf alle pharmakologischen Aspekte von approbierten Mitarbeitern ausgebildet wurde.“ Strobach ist wissbegierig und deshalb war es für sie selbstverständlich, dass sie auch abends noch im familiären Kreis mit ihrem Vater – der übrigens ein Gründungsmitglied der MVDA-Kooperation (Marketing Verein Deutscher Apotheker) war – sich über Themen rund um die Apotheke unterhielt. „Auch wenn ich die Ausbildung hart fand, habe ich die Beratung in der Apotheke immer gemocht und habe mit Freude registriert, dass sich die Menschen mir gegenüber geöffnet haben.“

Horizonterweiterung per Fernstudium Und weil sie den Gedanken an das Psychologie-Studium nie verworfen hatte, absolvierte sie per Fernstudium das Fach „Psychotherapie für Heilpraktiker“. Da ihr dies nicht reichte, ging sie zur Vertiefung ihrer psychologischen Kenntnisse für ein Semester in die USA und studierte an der Oklahoma State University Psychologie. Dort stellte sie voller Respekt fest, „dass die Amis präsentieren können und verstehen, wie man Inhalte unterhaltsam vermittelt!“ Dass sie sich genau diese Fähigkeit aneignete, sollte ihr in ihrem beruflichen Werdegang noch gute Dienste erweisen. Als sie zurück in Deutschland war, bekam sie einen Studienplatz für Psychologie in Gießen zugewiesen.

Natürlich war die begeisterungsfähige junge Frau darüber glücklich. Allerdings hatte die Sache einen Haken: „In Gießen ist das Grundstudium naturwissenschaftlich angelegt. Das Grundstudium setzt Schwerpunkte in Fächern wie Biologie, Physik und Statistik!“ Nach einer kurzen Gesprächspause ergänzt sie: „Psychoanalyse stand zum Beispiel nicht im Lehrplan.“ Übrigens: Auch während der Studienjahre war sie immer wieder mit Apotheken in Berührung und arbeitete als Urlaubsvertretung beispielsweise auch in einer Apotheke im Schwarzwald.

Schicksalsträchtiger Zufall Und dann kam der entscheidende Zufall: So überflog Strobach die Anzeigen eines PTA-Magazins und stieß dabei auf ein Inserat, in dem PTA gesucht wurden, die bereit waren, freiberuflich Schulungen durchzuführen. Muss an dieser Stelle betont werden, dass die hellwache PTA sofort ihre Chance roch und sich darauf einließ? Nachdem sie bei der Agentur vorstellig geworden war, sollte sie in einer Art Eignungstest alles Relevante über ein bestimmtes lokales Antibiotikum erläutern. Die Resonanz war so gut, dass der Agenturchef nur einen Satz sagte: „Sie können jetzt sofort anfangen.“ Wenn Frau Strobach über ihren ersten Einsatz – „Ich durfte Apotheken im Auftrag von Boehringer Ingelheim schulen“ – spricht, spürt der Zuhörer, mit wieviel Stolz sie diese Tätigkeit erfüllt haben muss.

Tatsächlich gibt sie ganz offen zu, „dass es toll war, sich als Trainerin zu inszenieren. Außerdem konnte ich dort meine Erfahrungen aus Studium und Ausbildung direkt einbringen.“ Obwohl sie noch in Gießen als Studentin für das Vordiplom büffelte, fing Strobach Feuer und bewältigte ein immer größeres Arbeitspensum. Mit Mitte zwanzig gab sie nicht nur Schulungen, sondern erarbeitete für Apotheken auf eigene Rechnung selbstständig Leitbild-Konzepte und führte Führungs- und Konflikttrainings durch – immer mit dabei: ihre ganz bewusst in Pink gehaltene Visitenkarte. Schließlich erhielt sie das Angebot, für eine Agentur in Berlin eine Akademie aufzubauen und zu leiten.

Die Entscheidung war klar: Sie ging nach Berlin, pausierte im Studium und pendelte eine ganze Zeit lang zwischen der Hauptstadt und ihrem Heimatort Köln. In Berlin lernte sie in diesen Tagen ihre spätere Geschäftspartnerin Kristin Henke kennen, die in einer Apotheke direkt um die Ecke der Agentur beschäftigt war. Die Begeisterung, mit der sich die junge Frau dem Agentur-Leben verschrieb, führte zu wöchentlichen Arbeitszeiten von bis zu 60 Stunden! Den fast logischen Anstoß zur Selbstständigkeit gab aber letztlich ein Kundengespräch. So verantwortete sie für den Kunden MGDA ein bundesweites Apothekentrainingsprojekt. Der Geschäftsführer gab Strobach im Beisein ihres Vorgesetzten zu verstehen, dass er das Projekt zwar gerne mit ihr, nicht aber mit ihrer Agentur weiter durchführen wolle. Dies war der Startschuss für die Selbstständigkeit.

Anwälte reden Tacheles Der Start war kein Zuckerschlecken: Noch vor dem Eintrag ins Handelsregister im Jahr 2007 mussten Anwälte klären, ob und an welche Referenten ihrer Ex-Agentur sie Anfragen zur Mitarbeit richten und welche Firmenkontakte aus der Vergangenheit sie zur Aquise aktivieren durfte. Aber es waren nicht nur formale Hürden, die die damals 29-Jährige meistern musste: „Mein Umfeld und auch mein jetziger Mann konnten zunächst nicht verstehen, weshalb ich aus dem sicheren Anstellungsverhältnis in die Selbstständigkeit gehen wollte. Aber ich bin dickköpfig und habe gespürt, dass dies der richtige Weg für mich ist,“ lächelt die selbstbewusste Frau. Das Selbstbewusstsein von Julie Strobach hat dann wohl auch bei der Namensgebung eine Rolle gespielt. „Ich habe mir überlegt: Viele Apotheker sind eher introvertiert. Ein Schuss Extrovertiertheit könnte da ganz gut tun.“

Gleichzeitig wertschätzt die junge Unternehmerin aber auch die Arbeit der Apotheker. „Ich will ja nicht das Rad neu erfinden, Apothekenmitarbeiter haben ein begnadetes Fachwissen und benötigen manchmal nur den passenden Impuls, um dies nach außen zu präsentieren. Ich möchte unseren Kunden das nötige Extra mitgeben: Eine Art Mehrwert – adding value to communication.“ Und so kam es, dass sie ihr Agentur-Baby auf den Namen „EXTRAVERT“ taufte. Ihre positive innere Einstellung gegenüber ihren Kunden trug schnell Früchte: Schon nach kurzer Zeit erhielt sie per Anruf einen Auftrag von Bayer – ein Vorzeigekunde, der EXTRAVERT bis heute die Treue hält. Und wie lief die Sache mit dem Studium weiter? Die extrem fleißige Frau konzentrierte sich per Fernstudium auf die Wirtschaftspsychologie.

Gleichzeitig befand sich die Agentur schon bald nach dem Start in einer Wachstumsphase, sodass die junge Agenturgründerin schon mit 30 Jahren ihre ersten Mitarbeiter anstellte. Bemerkenswert waren auch unkonventionelle Tools der Unternehmenskultur: „Wir haben im Büro zwischen den Bürotischen und Druckern Yoga gemacht und uns nach jedem Erfolg einen Sekt gegönnt. Mein noch junger und lockerer Führungsstil führte teilweise zu Missverständnissen: Manche Arbeitsbeziehungen haben diese Art der Unternehmenskultur, in der Disziplin und Spaß vereint wurden, nicht überlebt“, gibt Strobach zu. Woraus man aber keine falschen Schlüsse ziehen sollte: Die Art und Weise, wie sie zu einer zur Unterstützung dringend notwendigen Geschäftspartnerin an ihrer Seite fand, war gewohnt unkonventionell: „Ich habe Kristin, die damals bei STADA gearbeitet hat, beim Friseur das Angebot, als Geschäftsführende Gesellschafterin mit einzusteigen, gemacht. Dabei hatten wir beide Farbe und Alufolie auf dem Kopf,“ erinnert sich Strobach kichernd.

Babys im Büro Als dann die neue Geschäftspartnerin und sie selbst kurz hintereinander schwanger wurden, war schnell klar, dass die Babys mit in die Agentur genommen wurden. „Eine Mitarbeiterin war dann eben neben ihrer Rolle als Assistentin auch für die Kinderbetreuung zuständig“ sagt Strobach nüchtern und legt lächelnd nach: „Das Thema Work Life Integration treibt mich stark an und auch heute nehme ich unseren Kleinen (17 Monate) oft mit zu Veranstaltungen und ins Büro.“ Ein gutes Beispiel für das Verständnis der beiden Chefinnen vom Zusammenspiel zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ist das Bild des Flyers, mit dem sie für ihre mittlerweile renommierte Akademie werben.

Es setzt sich aus quadratisch bunten Mosaik-​Illustrationen zusammen, die das Zielpublikum sympathisch- verspielt ansprechen. Eine Auswahl der Motive: Eine Frau im Kostüm mit Hundekopf, ein Schwan, dessen Kopf aus einem Anzug ragt und eine Katze im Sakko. Ziemlich emotional und irgendwie doch Business. Typisch Julie Strobach eben. „Wir sind sehr kreativ und agieren nicht nach dem Schema ‚top down’. Unser Team beziehen wir bewusst aktiv mit ein. Konzepte werden in der großen Runde entwickelt und die unterschiedlichen Perspektiven dabei gezielt genutzt. So wurde auch die Schulungs-App MultiPlus mit dem Claim „Candy for your brain“ gemeinsam mit der Grafikabteilung, dem Marketingteam und den Projektarbeitern abgestimmt. Jeder Mitarbeiter fühlt sich verantwortlich und soll sich mit den EXTRAVERT- Produkten identifizieren können,“ sagt Strobach mit Nachdruck.

Wichtig ist Strobach, dass sie mit ihrer Arbeit vor allem Frauen fördert. So beschäftigt die Agentur rund 550 freiberufliche pharmazeutische Trainer, welche zu 98 Prozent Frauen sind. Auch als Speaker spricht Strobach beispielsweise zu Themen wie modernem Feminismus und weiblicher Führungsstärke. Damit will sie Frauen inspirieren, sich selbstbewusst mit ihren Kompetenzen zu präsentieren. Beim Healthcaregipfel 2018 adressierte sie mit ihrem Vortrag ‚#metoo, mansplaining und die tägliche Arbeit mit Männern’ weibliche Führungskräfte und junge Mitarbeiterinnen der Pharmabranche. „Hier will ich Impulsgeberin sein und Frauen anregen, einander noch mehr zu stärken.“

Den Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 03/19 ab Seite 116.

Claus Ritzi, Pharmajournalist (wdv)

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