Die Weltkugel bekommt eine Spritze, um sie herum schwirren Coronaviren.© Marcus Millo / iStock / Getty Images Plus
Die Corona-Pandemie ist ein globales Problem, doch nicht alle Länder haben den gleichen Zugang zu Impfstoffen.

Impfdosen | Verteilung

WER BEKOMMT WIE VIEL IMPFSTOFF, UND WOHER?

Rund 40 Prozent der Bevölkerung in den USA sind vollständig gegen COVID-19 geimpft. In Indien steigen die Fallzahlen. AstraZeneca ist mit den Lieferungen im Verzug, bei BioNTech bestellt die Europäische Union weitere Impfdosen. Und wie steht es um die Patente? Ein Überblick.

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AstraZeneca liefert nicht zuverlässig

Die EU hat nach den Worten von Industriekommissar Thierry Breton ihren Impfstoffvertrag mit dem Hersteller AstraZeneca nicht verlängert. Das sagte der Franzose am 9. Mai im Radiosender France Inter. EU-Justizkommissar Didier Reynders sagte dem belgischen Sender VRT: „Wir haben ein echtes Problem mit AstraZeneca. Es fehlt das Vertrauen. Es ist folglich unmöglich, künftig diesen Impfstoff zu kaufen.“ Das Unternehmen ist mit den vereinbarten Lieferungen sehr im Rückstand. Statt 120 Millionen Impfdosen bekam die EU im ersten Quartal nur 30 Millionen. Deshalb hat sie vor einem belgischen Gericht geklagt.

„Es fehlt das Vertrauen. Es ist folglich unmöglich, künftig diesen Impfstoff zu kaufen.“

Offiziell hat sich die Kommission aber noch nicht festgelegt. Ein Sprecher betonte auf Anfrage, über Vertragsverlängerungen könne man sich jetzt nicht äußern. Bei AstraZeneca gehe es zunächst um die Erfüllung des geltenden Vertrags. „Wir halten uns aber alle Optionen offen, um uns für die nächsten Phasen der Pandemie vorzubereiten, für die Jahre 2022 und darüber hinaus.“

Mehr BioNTech-Impfdosen

Die Europäische Union kauft innerhalb der nächsten Jahre bis zu 1,8 Milliarden weitere Dosen Corona-Impfstoff von BioNTech/Pfizer. Damit sollen die 70 bis 80 Millionen Kinder in der EU gegen COVID-19 geschützt und Impfungen von Erwachsenen aufgefrischt werden. Die EU-Kommission habe den Vertrag mit dem Hersteller gebilligt, teilte Präsidentin Ursula von der Leyen mit. 900 Millionen Dosen sollen fest bestellt werden. Weitere 900 Millionen Dosen mit einer Lieferung bis ins Jahr 2023 sind eine Option.

Für Auffrischungen und die Impfung von Kindern werden nach Schätzung der Kommission 2022 und 2023 zusammen rund 700 Millionen Dosen benötigt. Tritt eine Mutation des Virus auf, gegen die die bisherigen Impfungen nicht helfen, bräuchte man 640 Millionen Dosen, um 70 Prozent der EU-Bevölkerung völlig neu zu immunisieren.

„Das heißt, dass in anderen Weltregionen die Pandemie noch nicht erfolgreich bekämpft werden kann.“

Der deutsche Europaabgeordnete Martin Schirdewan kritisierte im WDR, dass mit dem EU-Großkauf anderswo Impfstoff fehle. „Das heißt, dass in anderen Weltregionen die Pandemie noch nicht erfolgreich bekämpft werden kann.“ Von der Leyen versicherte, man habe vertraglich vereinbart, dass ein Teil der Menge gespendet oder weiterverkauft werden könnte. Dies solle auch Nachbarstaaten der EU helfen.

Keine Patentfreigabe

Zur Versorgung armer Länder mit Corona-Impfstoff setzt die Europäische Union auf den Abbau von Exportschranken und eine höhere Produktion - aber erst mal nicht auf die Freigabe von Patenten. Dies wurde beim EU-Gipfel in Portugal deutlich.

„Ich glaube, dass wir die Kreativität und die Innovationskraft der Unternehmen brauchen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das sei nicht die Lösung, um mehr Menschen Impfstoff zur Verfügung zu stellen. „Ich glaube, dass wir die Kreativität und die Innovationskraft der Unternehmen brauchen.“ Andere EU-Staaten zeigten sich offener. Doch sieht die EU insgesamt ebenfalls keine „Wunderlösung“ in der Patentfreigabe, wie Ratschef Michel sagte. Wichtig sei, Impfstoff-Exporte zuzulassen.

Gemeint sind mit diesem Hinweis auch die USA, die ihre heimische Produktion vorrangig selbst behalten. Die EU ist nach eigener Darstellung derzeit die einzige demokratische Region, die im großen Maßstab Corona-Impfstoff ausführt. Von 400 Millionen hier produzierten Dosen sei die Hälfte exportiert worden.

Der Mainzer Hersteller BioNTech lehnt eine Patentfreigabe ebenfalls ab, bot aber Preisvorteile für arme Länder. Diese würden „zu einem nicht gewinnorientierten Preis“ versorgt, versicherte eine Sprecherin. Patente seien nicht der begrenzende Faktor für die Produktion oder Versorgung mit unserem Impfstoff. Die Herstellung sei komplex. Wenn Anforderungen nicht erfüllt seien, könnten Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit leiden.

Solidarität mit Indien

Die Staats- und Regierungschefs berieten sich zudem per Video mit dem indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi, vereinbarten den Neuanfang von Handelsgesprächen und sagten Indien Beistand angesichts der dort verheerenden Corona-Lage zu. In dem Land mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern sterben aktuell jeden Tag mehr als 4000 Menschen an dem Virus. Befürchtet wird, dass die tatsächliche Zahl noch viel höher liegt.

„COVID ist seit Generationen die größte Herausforderung für die globale Solidarität.“

„Die EU steht in dieser schwierigen Zeit in voller Solidarität an der Seite Indiens“, sagte EU-Ratschef Charles Michel. Man habe auch über Zusammenarbeit beim Impfen gesprochen. „COVID ist seit Generationen die größte Herausforderung für die globale Solidarität. Der einzige Ausweg ist die Immunisierung der Weltbevölkerung.“

Anlagen in Afrika

Daneben helfe die EU bereits beim Aufbau lokaler Impfstoffanlagen etwa in Afrika, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Eine weitere große Initiative sei geplant. Merkel sagte, zumindest von deutschen Unternehmen würden rasch Lizenzen zur Produktion im Ausland vergeben. Das Problem sei nicht, „dass jemand auf seinem Patent sitzt“.

Quelle: dpa

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