Mann in High Heels© AMzPhoto / iStock / Getty Images Plus
Die spitz zulaufenden Schnabelschuhe des Mittelalters heißen Poulaines. Sie wurden gern in der gehobenen Gesellschaft getragen und galten als todschick.

Hallux valgus | Schnabelschuhe

WER SCHÖN SEIN WOLLTE, MUSSTE LEIDEN

Fehlstellungen der Fußzehen gibt es nicht erst seit Germanys Next Topmodels – bereits im 14. Jahrhundert war ein durch die damalige Schuhmode bedingter Hallux valgus durchaus üblich. Das stellten Forscher bei Untersuchungen von Skeletten aus Cambridge fest.

Seite 1/1 2 Minuten

Seite 1/1 2 Minuten

Poulaines hießen sie, die bis ins Absurde spitz zulaufenden Schnabelschuhe des Mittelalters. Sie galten als todschick und verbreiteten sich nicht nur in der gehobenen Gesellschaft; sogar Nonnen und Mönche kleideten sich zunehmend eleganter: Unter der Ordenskleidung lugte durchaus der eine oder andere Spitzschuh hervor. König Edward IV. sah sich schließlich genötigt, den modischen Wahn seiner Untertanen zu bremsen – und begrenzte die maximale Länge der Schuhspitzen per Gesetz auf fünf Zentimeter.

Ballenzehen waren stark verbreitet

Doch da hatte das Schuhwerk schon sein Unheil angerichtet: Satte 27 Prozent der Skelette aus dem 14. und 15. Jahrhundert waren von Ballenzehen betroffen. Das britische Forscherteam der University of Cambridge untersuchte dazu Fußknochen, die von insgesamt 177 Erwachsenen unterschiedlichen Standes stammten, die vom 11. bis zum 15. Jahrhundert in Gräbern der Stadt und ihres Umlandes beerdigt worden waren. Dabei zeichnete sich ab, dass im Vergleich zu den Landbewohnern eher die wohlhabenden Bürger und auch der Klerus von der Fehlstellung der großen Zehe betroffen waren: „Es ist erstaunlich, wie viele damals unter Ballenzehen litten“, sagt Erstautorin Jenna Dittmar.

Erklären lässt sich das so: Im 14. Jahrhundert wurde die zuvor abgerundete Form der Schuhe immer schmaler und schließlich spitz auslaufend, zusätzlich zu einer Fülle von neuen Kleidungsmodellen in einer großen Auswahl an Stoffen und Farben. „Die Überreste von Schuhen, die an Orten wie London und Cambridge ausgegraben wurden, deuten darauf hin, dass im späten 14. Jahrhundert dort fast jeder Schuhtyp zumindest leicht spitz zulief.“, sagt Co-Autor Piers Mitchell.

Durch Fehlstellung bedingter Hallux valgus

Damit waren die Füße prädestiniert für einen Hallux valgus – jene Fehlstellung der großen Zehe, bei der diese sich übermäßig zu den anderen Zehen neigt und an der Basis eine knöcherne Ausbuchtung bildet. Je nach Ausprägung können Ballenzehen zu Schmerzen führen und das Gehen und Abrollen des Fußes beeinträchtigen. Bekannt ist, dass das häufige Tragen von spitzen, engen oder hochhackigen Schuhen durch die unnatürlichen Druckpunkte auf den Fuß die Entstehung eines Hallux begünstigt.

Und noch einen weiteren interessanten Fund gruben die Wissenschaftler aus: Die Skelette mit einem Ballenzeh wiesen auffallend häufig auch Anzeichen von Frakturen an den oberen Gliedmaßen auf, die typischerweise die Folge von Stürzen sind, bei denen die Betroffenen nach vorn auf die Arme gefallen sind. Erklären kann man das so: „Die moderne klinische Forschung an Patienten mit Hallux valgus hat gezeigt, dass es die Fehlstellung des großen Zehs den Betroffenen erschwert, das Gleichgewicht zu halten und dadurch das Risiko von Stürzen erhöht“, sagt Dittmar.

Quelle: www.wissenschaft.de
 

×