Tabletten auf Kochlöffel.© S847 / iStock / Getty Images Plus
Dr. Wilhelm Schüßler, der Begründer der Schüßler-Salze-Therapie, nannte seine Therapie „Biochemie“ – Chemie des Lebens.

Fortbildung für Apothekenpersonal

INTERVIEW MIT DANIELA HAVERLAND

Daniela Haverland ist Fachapothekerin für Allgemeinpharmazie, Homöopathie und Naturheilverfahren. Und sie ist Ausbilderin in der IHK-zertifizierten Fortbildung für Apothekenmitarbeitende „Fachberater:in Homöopathie und Schüßler-Therapie“. Wir haben ihr einige Fragen zu den beiden Therapierichtungen gestellt.

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1. Liebe Frau Haverland, wie sind Sie zur Naturheilkunde gekommen und seit wann arbeiten Sie selbst in der Apotheke damit?

Mein erster eigener Kontakt speziell mit der Homöopathie hat schon in meiner Kindheit stattgefunden. Unser Hausarzt hat auch homöopathisch behandelt und meine Eltern waren überzeugt von der Homöopathie. Bei uns wurde vieles mit Globuli behandelt. Mein PTA-Praktikum habe ich in einer Apotheke absolviert, die einen Schwerpunkt in Naturheilkunde hatte. Als ich dann aber Pharmazie studierte, habe ich mich zunächst einmal völlig davon distanziert. Ich habe die Homöopathie regelrecht abgelehnt. Meine Mutter, daran erinnere ich mich noch gut, hat zu meinem Vater nur gesagt: „Lass sie mal, sie kommt schon noch drauf!“ 

Das Umdenken kam während meiner ersten Schwangerschaft. Da möchte man kleinere Beschwerden lieber natürlich behandeln und ich habe mich auf meine Wurzeln besonnen. Zunächst immer noch skeptisch, habe ich es mit Homöopathie versucht und war erst überrascht, dann fasziniert von den positiven Erfahrungen. Und dann wollte ich mehr darüber lernen und habe Kurse in Homöopathie besucht, die waren eigentlich für Ärzte konzipiert. Ja, und seitdem – das war 1997 – arbeite ich naturheilkundlich. Ich habe dann noch eine Heilpraktikerausbildung absolviert und irgendwann habe ich in der Apotheke nicht nur naturheilkundlich beraten, es kamen auch Kurse für die Apothekenkunden dazu. Die Teilnehmer waren begeistert. Und da ich inzwischen selbst zwei kleine Kinder hatte, konnten andere junge Mütter auch von meinen Erfahrungen und Kenntnissen profitieren. Das sprach sich schnell herum und der Zuspruch für die Kurse war riesig.

Später habe ich dann Seminare für PTA und Apotheker gehalten. Da ging es anfangs ausschließlich um Homöopathie, mit Schüßler-Salzen hatte ich da noch keine Erfahrungen. Erst später habe ich mich überhaupt damit beschäftigt. Ich fand das Thema aber spannend und so einfach, viel einfacher als die Homöopathie. Als mir so richtig klar wurde, welche Möglichkeiten das eröffnet, ist die Welt der Schüßler-Salze quasi über mich gekommen. Auch für die Patienten ist sehr einfach zu verstehen, was das Salz im Körper macht. Das war ja auch ein Ziel von Dr. Schüßler.

2. Greifen Sie nur auf Erfahrungswerte zurück oder gibt es auch Studien?

Auch wenn immer wieder das Gegenteil behauptet wird, es werden auch Studien mit homöopathischen Arzneimitteln durchgeführt, randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind. Sie zeigen, dass homöopathische Mittel über den Placebo-Effekt hinaus wirken. Zurzeit gibt es 255 kontrollierte Studien1 zu 136 verschiedenen Krankheitsbildern. Das ist gut und wichtig. Allerdings kann man der Homöopathie nicht einfach schulmedizinische Studiendesigns überstülpen, denn es besteht ein ganz anderer Therapieansatz. In der Homöopathie wird die optimale Behandlung ganzheitlich auf die individuelle Gesamtsituation des Patienten abgestimmt, in der konventionellen Medizin betrachtet man primär einzelne Symptome und alle Patienten bekommen in einer Studie das Gleiche. Die standardisierte Dosierung wird auf einen Mann mittleren Alters mit 70 Kilogramm Gewicht berechnet. Studien zur Homöopathie sollten hingegen im Idealfall dem hochindividuellen Therapieansatz Rechnung tragen. Das ist herausfordernd, aber es geht: Es gibt neue Studiendesigns, die das abbilden – auch Placebo-kontrolliert und verblindet. Es wird aber immer wieder erwartet, dass wir uns auf die gleiche Ebene begeben wie die Schulmedizin. Wir werden nur anerkannt, wenn wir in diese eine Schublade passen. Da können wir nur verlieren. Bei all den Unterschieden der Therapieansätze sollten wir nicht vergessen, dass unsere Patientinnen und Patienten am meisten profitieren, wenn sie Zugang zu beidem haben: zur konventionellen Medizin und zu Komplementärverfahren wie der Homöopathie und den Schüßler-Salzen. Das ist ja auch das, was sie sich wünschen: Keine „Alternative“, sondern ein Miteinander 

Und noch ein Aspekt, der mich traurig macht: Die Menschheit meint, sie könnte alles erforschen und es darf keine Fragezeichen geben. Nach dem Motto: Was wir nicht verstehen, das akzeptieren wir nicht. Was wir nicht sehen, das gibt es nicht. Ich muss da an eine Geschichte denken, die mir neulich eine Bekannte erzählt hat: Ihr Vater sollte in den 1940er Jahren in der Grundschule einen Aufsatz darüber schreiben, wie er sich das Leben in 100 Jahren vorstellt. Auf den Aufsatz bekam er die Note 5, denn er schrieb, er könne sich vorstellen, dass Menschen in der Zukunft zum Mond fliegen würden. Der Lehrer war entsetzt und belehrte ihn, dass es völlig unmöglich für Menschen sei, die Erde zu verlassen und zwar für alle Zeit. Tja, 1969 flog dann die Apollo 11, das erste bemannte Raumschiff zum Mond. Dumm gelaufen für den Lehrer. Vielleicht sollten wir akzeptieren, dass wir manches noch nicht wissen und noch nicht verstehen. Ich will damit konkret sagen: Wenn wir das Wirkprinzip homöopathischer Arzneimittel noch nicht bis ins Letzte entschlüsselt haben, können sie trotzdem wirken.

„Homöopathie und die Behandlung mit Schüßler-Salzen sind sehr traditionsreiche Therapieformen. Wie viele andere Therapien und Arzneimittel sind in den letzten 150 bis 200 Jahren schon aufgekommen und wieder in der Versenkung verschwunden? Aber die beiden halten sich. Warum wohl?“

3. Wie unterscheiden sich die beiden Therapierichtungen?

Wenn man sich zum ersten Mal damit beschäftigt, kann es schon verwirrend sein, denn beide Richtungen arbeiten teils mit gleichen Ausgangsstoffen. Beide Arten von Arzneimitteln werden durch Potenzierung hergestellt. Ferrum phosphoricum zum Beispiel gibt es in der Homöopathie, aber es ist auch das Schüßler-Salz Nr. 3. Auch Schüßler-Salze gelten als „homöopathische Arzneimittel“, werden wie Homöopathika nach dem HAB (Homöopathisches Arzneibuch) hergestellt. Dennoch ist das Wirkprinzip ein anderes. 

Um das klar zu trennen, habe ich in meinem Kopf zwei Schubladen, die Hahnemann- und die Schüßler-Schublade. Das Prinzip der Schüßler-Therapie ist, im Organismus sanfte Impulse zu setzen, die die Balance wiederherstellen. Schüßler-Salze füllen keine Depots auf, dafür sind die Mengen zu klein. Man kann aber damit Reize setzen und Blockaden lösen. Der Körper kann so die benötigte Menge an essenziellen Mineralstoffen zum Beispiel aus der Nahrung besser aufnehmen. Dr. Wilhelm Schüßler, der Begründer der später nach ihm benannten Schüßler-Salze-Therapie, nannte seine Therapie „Biochemie“ – Chemie des Lebens. Er ging davon aus, dass vielen Krankheiten eine Verteilungsstörung an bestimmten Mineralsalzen in der Zelle zugrunde liegt. Und dass man mit den Salzen in feinstofflicher Form die Aufnahme der Mineralstoffe verbessern kann. Seine biochemischen Mineralsalze werden daher homöopathisch durch Potenzierung hergestellt. Auch wenn der genaue Wirkmechanismus wissenschaftlich noch nicht nachgewiesen ist, hat sich das Prinzip therapeutisch bewährt. 

In der Homöopathie dagegen wird Ähnliches mit Ähnlichem geheilt, man spricht auch vom Simile-Prinzip. Der Arzt Hahnemann hat sich gefragt, welche Arznei kann am Gesunden ähnliche Symptome hervorrufen wie die zu behandelnde Krankheit. Man aktiviert in der Homöopathie die Selbstheilungskräfte, indem man dem Körper quasi einen Spiegel der Erkrankung vorhält. Auch hier wird mit potenzierten Arzneimitteln gearbeitet, die dem Erkrankten feine Impulse zur Selbstregulation geben sollen.

4. Wie steigen Sie in ein Beratungsgespräch ein?

Ich stelle meinen Kunden und Kundinnen in der Apotheke, wenn sie mir ihr Problem geschildert haben, als erstes die Frage: „Möchten Sie es natürlich behandeln?“ Ich kann ja nicht von mir ausgehen, sondern muss erstmal prüfen, wo der Kunde überhaupt steht. Barrieren, auch gedankliche, emotionale Barrieren, die der Mensch hat, der vor mir steht, müssen berücksichtigt werden. Wenn er einen Behandlungsansatz nicht annimmt, kann die Therapie nicht richtig wirken. Das gilt meiner Meinung nach nicht nur für die Naturheilkunde, sondern auch für die Schulmedizin. Es gibt Menschen, die möchten sich nicht auf mein Angebot einlassen, das ist in Ordnung. Es gibt aber auch viele, die sind sehr dankbar und nehmen es gerne an. Ich spreche übrigens zunächst nicht von Homöopathie oder von Schüßler-Salzen, sondern von „natürlich“ oder „naturheilkundlich“, denn es stehen ja alle Behandlungs-Möglichkeiten offen. 

Ich lasse mich bei der Mittelempfehlung meist von der homöopathischen Denkweise leiten, aber letztlich setze ich beide Therapierichtungen etwa gleich häufig ein. An der Homöopathie begeistert mich das Ganzheitliche. Welche Beschwerden sind eventuell noch außer dem Hauptsymptom da? Wann werden sie schlechter, wann besser? Wie fühlt sich der Mensch? Ist er gereizt oder ängstlich? Warum ist das so? Es ist spannend, weil es über das rein körperliche Beschwerdebild hinausgeht. Bei Kindern stellt sich die Frage: Was macht die Krankheit mit dem Kind? Bei der Therapie mit Schüßler-Salzen ist das weniger von Bedeutung, zumindest nicht, solange man nicht richtig tief einsteigt. Hier kann man symptombezogener arbeiten. Das macht es für uns in der Apotheke einfacher.

5. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Schüßler-Kuren?

Damit habe ich persönlich sehr gute Erfahrungen gemacht, zum Beispiel zur Prophylaxe. Das macht in der Homöopathie wenig Sinn. Da behandelt man erst, wenn Symptome auftreten. Aber mit Schüßler-Salzen kann einem Mineralstoffmangel vorgebeugt werden und dafür eignen sich Kuren aus meiner Sicht ganz besonders. So ist zum Beispiel eine Kur mit den Salzen Nr. 2 Calcium phosphoricum und Nr. 3 Ferrum phosphoricum ideal zur Vorbereitung auf die Heuschnupfenzeit, um den Körper zu stärken. Die Nr. 2 stabilisiert die Mastzellen, die bei einer Allergie Histamin freisetzen, die Nr. 3 ist immer hilfreich, wenn das Immunsystem durcheinandergeraten ist. 

Gerne empfehle ich auch Frauen in oder nach den Wechseljahren eine Kur zur Osteoporose-Prophylaxe. Sie besteht aus den Salzen Nr. 1 Calcium fluoratum, Nr. 2 Calcium phosphoricum, Nr. 7 Magnesium phosphoricum und Nr. 11 Silicea und wird zweimal im Jahr durchgeführt. Die Kur sorgt dafür, dass Calcium und andere benötigte Mineralstoffe gut in den Knochen eingelagert werden. Sie ist ideal, wenn man schon weiß, dass man gefährdet ist und hier eine Schwachstelle hat. 

Oder eine Detox-Kur mit den Salzen Nr. 6 Kalium sulfuricum, Nr. 9 Natrium phosphoricum, Nr. 10 Natrium sulfuricum und Nr. 12 Calcium sulfuricum. Es ist eine stoffwechsel- und vor allem leberanregende Entschlackungskur, die über vier Wochen durchgeführt wird. Auch während einer Fastenkur oder nach der Einnahme starker Medikamente empfehle ich die Kur. 

Für alle Kuren gilt: Dreimal täglich werden von jedem Salz insgesamt zwei bis drei Tabletten über den Tag eingenommen. Man kann die Tagesdosis auch in einem Viertelliter Wasser lösen und über den Tag verteilt trinken.

6. Arbeiten sie auch mit homöopathischen Komplexmitteln?

Homöopathische Komplexmittel sind Kombipräparate mit mehreren verschiedenen Einzelmitteln und aus der Apotheke nicht wegzudenken. Ich arbeite gerne damit. Da sie indikationsbezogen sind und als zugelassene Arzneimittel auch einen Beipackzettel haben dürfen, ist es für den Apothekenkunden leichter verständlich und auch besser mit anderen Medikamenten, die er schon kennt, zu vergleichen. Manche Mittel ergänzen sich auch einfach sehr gut, weil mehrere verschiedene Symptome zu einem bestimmten Krankheitsbild gehören. So hat man ja, wenn man zum Beispiel erkältet ist, selten nur eine laufende oder verstopfte Nase, sondern oft auch mit Verschleimung in den oberen und unteren Atemwegen und Husten zu tun. Gut schlafen kann man meist auch nicht. Da ist es toll, wenn man nicht mehrere Mittel auf einmal nehmen muss. Das erhöht die Compliance. Die Stärke der Homöopathie liegt prinzipiell aber darin, für den Patienten mit dem individuell optimal passenden Mittel ganz gezielt die Eigenregulation und Selbstheilung zu stärken. Viele Therapeuten arbeiten daher bevorzugt mit Einzelmitteln und auch in der Selbstmedikation sind sie weit verbreitet. Und da viele homöopathische Mittel und die Schüßler-Salze nun einmal registrierte Arzneimittel ohne Angabe einer Indikation sind, ist es natürlich sehr wichtig, dass in der Apotheke auch dazu fundiert beraten werden kann. Dieses Wissen, das in Fach-Fortbildungen erworben werden kann, ist für die individuelle Kundenberatung in der Apotheke ein sehr großer Mehrwert.

Vielen Dank, liebe Frau Haverland!

Das Interview führte Sabine Breuer, Apothekerin/Chefredaktion.


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Über Daniela Haverland

Daniela Haverland wurde am 4. Mai 1967 in Werneck bei Schweinfurt geboren, heute wohnt die PTA und Apothekerin bei Hamburg. Seit 1999 ist sie Apothekerin für Allgemeinpharmazie, seit 2009 mit der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren und Homöopathie. Seit 2008 ist sie auch Heilpraktikerin. Haverland ist bundesweit als Referentin zum Thema Homöopathie und Schüßler-Salze unterwegs.


Quelle: https://www.hri-research.org/de/informationsquellen/homeopathy-faqs/wissenschaftliche-beweise-fuer-die-homoeopathie/

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