Ein kleiner Einkaufskorb voller Arzneimittel steht auf einem Laptop. Auf dem Bildschirm ist das Eingabefeld für Kreditkarteninformationen zu sehen und ein Button "Pay now".© Bet_Noire / iStock / Getty Images Plus
Versandapotheken aus dem EU-Ausland dürfen auch weiterhin keine Rabatte auf Kassenrezepte geben. Die EU-Kommission will ein laufendes Verfahren einstellen.

EU-Verfahren

REZEPT-BONI BLEIBEN VERBOTEN

Die EU-Kommission beschäftigt sich seit 2013 mit dem deutschen Verbot von Rezeptboni für ausländische Versandapotheken. Nun will sie das Verfahren nicht weiter verfolgen – obwohl sie das Verbot eigentlich für rechtswidrig hält. Das stößt Versendern auf.

Seite 1/1 3 Minuten

Seite 1/1 3 Minuten

Was bisher geschah: In Deutschland gelten Preisnachlässe auf verschreibungspflichtige Arzneimittel als Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung. Rezept-Boni sind also verboten. Nach Ansicht der Bundesregierung sollte das auch für Versandapotheken mit Sitz im Ausland gelten. Die EU-Kommission befand 2013, dies verstoße gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs und eröffnete ein Vertragsverletzungsverfahren, das noch immer läuft. 

2016 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass EU-Versender Rezeptboni gewähren dürfen. Das sollte es ihnen erleichtern, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen. Die Bundesregierung sah darin einen Nachteil für die inländischen Vor-Ort-Apotheken. Um diesen auszugleichen, hätte entweder

  • die Preisbindung komplett entfallen können – das kam nicht in Frage, oder
  • der Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln komplett verboten werden können – das kam auch nicht in Frage, oder
  • das Boni-Verbot auf andere Weise gesetzlich verankert werden können.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn entschied sich für letzteres. Seit dem 15. Dezember 2020 gilt das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG), es enthält ein Rezeptboni-Verbot, auch für ausländische Versender. Zumindest für gesetzlich Krankenversicherte; bei privaten Versicherern greift das Verbot nicht.

Doc Morris, eine Tochter-Versandapotheke des Zur Rose-Konzerns, reagierte verschnupft: Die Reaktion der EU-Kommission auf das Boni-Verbot bleibe abzuwarten. Das Vertragsverletzungsverfahren von 2013 laufe noch, die EU-Kommission könne unmittelbar an den EuGH verweisen. Doc Morris selbst werde „alle rechtlichen Möglichkeiten gegen das Bonus-Verbot ausschöpfen“.

Was ist neu?

Die EU-Kommission will ebendieses Vertragsverletzungsverfahren, auf das Doc Morris hoffte, nun einstellen. Das geht aus einem Schreiben hervor, das die Generaldirektorin für Binnenmarkt an mehrere Versandapotheken richtete.

Das Rezeptboni-Verbot verstößt in den Augen der Kommission zwar durchaus gegen den Grundsatz des freien Warenverkehrs. Denn es könne „den innergemeinschaftlichen Handel […] behindern.“ Preiswettbewerb, wie es ihn ohne das Verbot gäbe, beeinträchtige den Anspruch auf medizinische Versorgung nicht. Schließlich müssen Patienten beispielsweise beim Zahnersatz auch Preise vergleichen.

Dennoch soll das Verfahren nun eingestellt werden: Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig eine flächendeckende Versorgung mit Apotheken ist. Auch der digitale Wandel fordere die Vor-Ort-Apotheken heraus. Das „Handelsblatt“ zitiert aus dem Schreiben:

„ […] dass eine Anfechtung der nationalen Preispolitik gerade jetzt und vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie nicht unbedingt zu diesem Umstellungsprozess beitragen würde.“

Weiter heißt es, die Konkurrenz durch Versandapotheken könne diesen wichtigen Wandel behindern. Deshalb solle die Kommission die Beschwerde gegen Deutschland nicht weiter verfolgen. Wenn das Verfahren eingestellt wird, könnten die Versender selbst klagen, allerdings wäre die Aussicht auf Erfolg dann gering.

Wie reagieren die Versender?

Doc Morris entnimmt dem Schreiben der Generaldirektorin für Binnenmarkt vor allem, dass das Rezeptboni-Verbot im Prinzip rechtswidrig sei. Dass das Verfahren eingestellt wird, um die inländischen Apotheken im digitalen Wandel zu stärken, nennt ein Sprecher einen „Paradigmenwechsel“, das Binnenmarktrecht werde „aus politischen Gründen ausgehebelt“. Das Unternehmen hofft darauf, dass die EU-Kommission ein neues Verfahren einleitet, sollte die Preisbindung bestehen bleiben. 

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/politik/bruessel-winkt-rx-boni-verbot-durch/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/dienstag-tritt-das-rx-boni-verbot-in-kraft-122503/
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/S/Gesetz_zur_Staerkung_der_Vor_Ort_Apotheken.pdf

×