Ärzte halten MRT Aufnahmen vom Gehirn in der Hand© Chinnapong / iStock / Getty Images Plus
85 Prozent der festgestellten Schlaganfälle sind ischämisch. Die anderen sind hämorrhagischer Art.

Akuttherapie | Stroke Unit

LEITLINIE FÜR SCHLAGANFÄLLE WURDE ÜBERARBEITET

Dass Schlaganfälle umgehend in der Stroke Unit, der Schlaganfall-Einheit, einer Klinik behandelt werden sollten, weiß ein jeder. Ein paar Neuigkeiten gibt es trotzdem in der aktuellen Leitlinie zur Akuttherapie. 

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In Deutschland erleiden jährlich etwa 270 000 Menschen einen Schlaganfall. 85 Prozent davon sind ischämisch – diese entstehen durch den Verschluss oder die hochgradige Verengung einer hirnversorgenden Arterie durch ein Blutgerinnsel (Thrombus oder Embolie). In der Folge wird das betreffende Hirnareal nicht mehr genügend durchblutet und es kommt zum Sauerstoffmangel (Ischämie) im Gehirn. Die andere Art Schlaganfall ist hämorrhagischer Art.

Diesen Monat haben die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und weitere Fachgesellschaften die komplett überarbeitete S2e-Leitlinie zur Therapie des ischämischen Schlaganfalls veröffentlicht. Sie löst die bisherige S1-Leitlinie aus dem Jahr 2012 ab. Entscheidend ist, wie gehabt, die schnelle Therapie, um zu verhindern, dass Gehirnzellen absterben und damit beispielsweise bleibende Lähmungen zu vermeiden. Die Ärzte der Stroke Unit sollen die Blutversorgung wiederherstellen; die so genannte Rekanalisationstherapie, also die Auflösung des Blutgerinnsels. 

Das geschieht entweder durch Medikamente (intravenöse Thrombolyse) oder bei Verschlüssen großer Blutgefäße mechanisch mittels Katheter (interventionelle Thrombektomie). Als Standardtherapie für die Thrombolyse gilt Alteplase. Tenecteplase könnte als modifiziertes Molekül eine noch bessere Wirksamkeit haben, kommentiert die DGN – allerdings ist diese Substanz in der EU lediglich zur Behandlung des Herzinfarktes zugelassen. Noch dazu ist die Studienlage nicht eindeutig, daher solle Tenecteplase außerhalb klinischer Studien nur in Einzelfällen eingesetzt werden.
 

Auch Sekundärprophylaxe enorm wichtig

Weiterhin gilt es, einen zweiten Schlaganfall zu vermeiden, denn wer einmal einen hatte, bei dem ist auch das Risiko eines weiteren solchen Vorfalls erhöht. Der Sekundärprophylaxe kommt daher eine wichtige Rolle zu. Alle Patienten sollten innerhalb von 24 bis 48 Stunden 100 bis 300 Milligramm (mg) Acetylsalicylsäure (ASS) erhalten; 100 mg ASS täglich werden dann auf unbestimmte Zeit danach verordnet. Bei ASS-Unverträglichkeit kommen 75 mg Clopidogrel oder zweimal täglich 90 mg Ticagrelor zum Einsatz. 

Eine duale Prophylaxe, also ASS plus Alternative, sollte jedoch nicht routinemäßig erfolgen, sagt die Leitlinie. Denn das könne möglicherweise zu Lasten des Blutungsrisikos bei insgesamt unveränderter Mortalität und nur geringem Einfluss auf bleibende Behinderung und Lebensqualität gehen: „Bei erhöhtem Blutungsrisiko sollte also keine duale Plättchenhemmung erfolgen“, kommentieren die Neurologen.
 

Der Post-Stroke-Delir

Da ein Post-Stroke-Delir – also eine Störung von Aufmerksamkeit, Wahrnehmung und Bewusstsein – bei jedem zweiten Schlaganfall-Patienten auftreten kann, gibt es in der Leitlinie dazu ein neues Kapitel. Denn ein Delir geht mit einer fast fünffach erhöhten Sterblichkeit einher. Man empfiehlt nun ein gezieltes Screening mit standardisiertem Score. Psychotische Symptome sollten dann mit Neuroleptika behandelt werden; Haloperdidol, Risperidon, Olanzapin oder Quetiapin können verabreicht werden, sollten nicht-medikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen. Wichtig seien auch tagsüber stimulierende Maßnahmen wie eine frühe Mobilisation und Reorientierung beispielsweise durch Sehhilfen oder Hörgeräte. Nachts werden schlaffördernde Maßnahmen wie Licht- und Lärmreduktion durch Ohrstöpsel oder Schlafbrillen empfohlen.
 

Frauen anders behandeln als Männer?

Ganz neu in der Leitlinie sind auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede. Frauen erleiden seltener als Männer Schlaganfälle; auch sind sie im Schnitt fünf Jahre älter. Zudem haben die betroffenen Frauen häufiger Bluthochdruck und Vorhofflimmern, während Schlaganfälle bei Männern öfters mit Alkohol- und Nikotinkonsum, Hyperlipidämie und Diabetes assoziiert sind. „In Schlaganfall-Studien waren Frauen oft unterrepräsentiert, da dort die Altersgrenze oftmals bei 80 Jahren liegt. Da Schlaganfallpatientinnen durchschnittlich älter waren als männliche Patienten, ist also denkbar, dass sich geschlechtsspezifische Unterschiede in den Behandlungsergebnissen der Studien nicht abzeichnen konnten“, erläutert Professor Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. „Hierauf sollte bei der Konzipierung künftiger Studien besonders geachtet werden, denn wenn geschlechtsspezifische Besonderheiten bei der Behandlung sicher belegt werden könnten, wären das gegebenenfalls leicht realisierbare Therapieoptimierungen für beide Geschlechter.“

Quelle: Pharmazeutische Zeitung
 

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